Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.Angewandte Psychologie Wagenführers eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit zu bezeichnen, so werden Die Literaturgeschichte erhält wertvolle Anregungen und verwertbare Ergeb¬ Daß die Psychologie auch sür die Zwecke der Heeresverwaltung mannigfache Nachdem wir so kurz die hauptsächlichsten Anwendungsgebiete der Psychologie Die Zersplitterung der angewandten Psychologie nach ihren Anwendungs¬ Angewandte Psychologie Wagenführers eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit zu bezeichnen, so werden Die Literaturgeschichte erhält wertvolle Anregungen und verwertbare Ergeb¬ Daß die Psychologie auch sür die Zwecke der Heeresverwaltung mannigfache Nachdem wir so kurz die hauptsächlichsten Anwendungsgebiete der Psychologie Die Zersplitterung der angewandten Psychologie nach ihren Anwendungs¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0297" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331269"/> <fw type="header" place="top"> Angewandte Psychologie</fw><lb/> <p xml:id="ID_1015" prev="#ID_1014"> Wagenführers eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit zu bezeichnen, so werden<lb/> sich auch für eine Reihe weiterer Berufe diejenigen Eigenschaften finden lassen,<lb/> bei deren Vorhandensein man eine tüchtige Berufsleistung erwarten kann, deren<lb/> NichtVorhandensein es aber geraten sein läßt, dem Bewerber von dem Ergreifen<lb/> gerade dieses Berufes abzuraten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1016"> Die Literaturgeschichte erhält wertvolle Anregungen und verwertbare Ergeb¬<lb/> nisse durch die im Jahre 1909 durch Groos inaugurierten Forschungen, deren<lb/> Gegenstand es ist, statistisch nachzuweisen, daß ein Dichter in den von ihm ver¬<lb/> wendeten Worten, Vergleichen usw. bestimmte Sinnesqualitäten regelmäßig be¬<lb/> vorzugt. — So fand Groos, daß Schillers Lyrik mehr optische Qualitäten<lb/> (z. B. Farbenbezeichnungen) enthält als die Lyrik Goethes, daß aber besonders<lb/> akustische Qualitäten bei Schiller außerordentlich häufig sind. — Andere Unter¬<lb/> suchungen über den individuellen Stil eines Schriftstellers wurden schon 1904<lb/> durch Marbe eingeleitet; doch beziehen sich diese Forschungen nicht auf die inhaltliche,<lb/> sondern auf die formale Charakteristik eines Schriftwerkes oder Autors, nämlich auf<lb/> den ihm eigentümlichen Rhythmus, den Wechsel zwischen betonten und unbetonten<lb/> Silben; nach der Regelmäßigkeit dieses Wechsels stehen z.B. Hülsens „Naturbetrach¬<lb/> tungen auf einer Reise durch die Schweiz" der Poesie nahe und Goethes Briefe<lb/> ihr fern. Je nach der Häufigkeit der betonten Silben sind ferner Goethes<lb/> Gespräche als besonders pathetisch und Goethes Briefe an Zelter als besonders<lb/> „gleichgültig" zu betrachten. — Daß die Methode der Psychogmphie hier eben¬<lb/> falls ein besonders fruchtbares Betätigungsfeld findet, wurde bereits erwähnt.<lb/> Im Jahre 1911 veröffentlichte Margis als erste „vsychographische Jndividual-<lb/> analyse" diejenige von E. T. A. Hoffmann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1017"> Daß die Psychologie auch sür die Zwecke der Heeresverwaltung mannigfache<lb/> Anwendung findet, kann zur Zeit nur angedeutet werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1018"> Nachdem wir so kurz die hauptsächlichsten Anwendungsgebiete der Psychologie<lb/> aufgezählt haben, wobei selbstverständlich von einer auch nur annähernden<lb/> Vollständigkeit nicht die Rede sein kann, seien nun zum Schluß noch einige Worte<lb/> über die Organisation der angewandten Psychologie angefügt. Sie findet ihre<lb/> Pflege in einer großen Zahl von Vereinen (für pädagogische, medizinische, forensische<lb/> Psychologie) und Spezialzeitschriften. Von Instituten, in denen Teilgebiete der<lb/> angewandten Psychologie behandelt werden, sind nur die an mehreren Orten<lb/> meist durch Lehrervereine begründeten Institute für pädagogische Psychologie zu<lb/> nennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1019" next="#ID_1020"> Die Zersplitterung der angewandten Psychologie nach ihren Anwendungs¬<lb/> gebieten hat zwar natürlich ihren berechtigten Grund in der Verschiedenheit der<lb/> Interessentengruppen, ist aber methodisch nicht gerechtfertigt: ein und dasselbe<lb/> Psychologische Problem — es sei nur beispielsweise an die Psychologie der Aussage<lb/> erinnert — kann für die verschiedensten Anwendungsgebiete von Wichtigkeit sein.<lb/> Dieser Gesichtspunkt führte im Jahre 1906 dazu, daß die Gesellschaft für<lb/> experimentelle Psychologie, auf Anregung Sterns und des Verfassers ein Institut</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0297]
Angewandte Psychologie
Wagenführers eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit zu bezeichnen, so werden
sich auch für eine Reihe weiterer Berufe diejenigen Eigenschaften finden lassen,
bei deren Vorhandensein man eine tüchtige Berufsleistung erwarten kann, deren
NichtVorhandensein es aber geraten sein läßt, dem Bewerber von dem Ergreifen
gerade dieses Berufes abzuraten.
Die Literaturgeschichte erhält wertvolle Anregungen und verwertbare Ergeb¬
nisse durch die im Jahre 1909 durch Groos inaugurierten Forschungen, deren
Gegenstand es ist, statistisch nachzuweisen, daß ein Dichter in den von ihm ver¬
wendeten Worten, Vergleichen usw. bestimmte Sinnesqualitäten regelmäßig be¬
vorzugt. — So fand Groos, daß Schillers Lyrik mehr optische Qualitäten
(z. B. Farbenbezeichnungen) enthält als die Lyrik Goethes, daß aber besonders
akustische Qualitäten bei Schiller außerordentlich häufig sind. — Andere Unter¬
suchungen über den individuellen Stil eines Schriftstellers wurden schon 1904
durch Marbe eingeleitet; doch beziehen sich diese Forschungen nicht auf die inhaltliche,
sondern auf die formale Charakteristik eines Schriftwerkes oder Autors, nämlich auf
den ihm eigentümlichen Rhythmus, den Wechsel zwischen betonten und unbetonten
Silben; nach der Regelmäßigkeit dieses Wechsels stehen z.B. Hülsens „Naturbetrach¬
tungen auf einer Reise durch die Schweiz" der Poesie nahe und Goethes Briefe
ihr fern. Je nach der Häufigkeit der betonten Silben sind ferner Goethes
Gespräche als besonders pathetisch und Goethes Briefe an Zelter als besonders
„gleichgültig" zu betrachten. — Daß die Methode der Psychogmphie hier eben¬
falls ein besonders fruchtbares Betätigungsfeld findet, wurde bereits erwähnt.
Im Jahre 1911 veröffentlichte Margis als erste „vsychographische Jndividual-
analyse" diejenige von E. T. A. Hoffmann.
Daß die Psychologie auch sür die Zwecke der Heeresverwaltung mannigfache
Anwendung findet, kann zur Zeit nur angedeutet werden.
Nachdem wir so kurz die hauptsächlichsten Anwendungsgebiete der Psychologie
aufgezählt haben, wobei selbstverständlich von einer auch nur annähernden
Vollständigkeit nicht die Rede sein kann, seien nun zum Schluß noch einige Worte
über die Organisation der angewandten Psychologie angefügt. Sie findet ihre
Pflege in einer großen Zahl von Vereinen (für pädagogische, medizinische, forensische
Psychologie) und Spezialzeitschriften. Von Instituten, in denen Teilgebiete der
angewandten Psychologie behandelt werden, sind nur die an mehreren Orten
meist durch Lehrervereine begründeten Institute für pädagogische Psychologie zu
nennen.
Die Zersplitterung der angewandten Psychologie nach ihren Anwendungs¬
gebieten hat zwar natürlich ihren berechtigten Grund in der Verschiedenheit der
Interessentengruppen, ist aber methodisch nicht gerechtfertigt: ein und dasselbe
Psychologische Problem — es sei nur beispielsweise an die Psychologie der Aussage
erinnert — kann für die verschiedensten Anwendungsgebiete von Wichtigkeit sein.
Dieser Gesichtspunkt führte im Jahre 1906 dazu, daß die Gesellschaft für
experimentelle Psychologie, auf Anregung Sterns und des Verfassers ein Institut
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