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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Dom Argot poilu

Franzose alles in dies Wort hineinlegt, zeigen am besten die Worte des fran¬
zösischen Generals Zurlinden: "Boche ist wie das elsässische .Schwob' das
Synonym für Betrüger, Lügner, Trunkenbold, Barbar, unwürdig, grausam,
geworden." Es kehrt in den Wörtern wieder: VoLnonnerie, LocKene (die
Tat eines Deutschen), IZocKonnie, Loebie (Deutschland), IZoLbi3me (deutsche Ge¬
lehrsamkeit), bocki8er (germanisieren), Loebonnaille (-- boenonriaille, Schweine¬
fleisch), bocber (wie die Deutschen handeln). Neben Boche ist noch Alboche
oder Alleboche, eine Verquickung von Allemant und Boche gebräuchlich. Harm¬
losere aber auch seltenere Bezeichnungen für die deutschen Soldaten sind?neck-
rick, ?rit^ Va, Va (oder auch Ja, Ja) und 1"aupe3 (Maulwürfe), während
mit tod oder taube die deutschen Flugzeuge benannt werden. Von den
Alliierten heißen die Engländer nach ihren Uniformen Je3 KaKis, der Russe
dagegen wird I^Iicolas genannt. Für die schwarzen Truppen wird Diables
noirs gesagt (les äiables bleu8 dagegen sind die Alpenjäger) und die marok¬
kanischen Truppen sowie die senegalesischen Schützen heißen, gleichfalls nach ihrer
Hautfarbe, "les ebocolats".

Das französische Wort, das dem deutschen "Feldgrauen" entspricht und
ihm an Popularität gleichkommt, ja, es sicherlich noch übertrifft, heißt poilu
(behaart), worunter ganz allgemein jeder französische Frontsoldat verstanden
wird. Dies Wort findet sich bereits 1834 in einem Roman von Balzac, wo
es den Sinn des Mutigen, Unerschrockenen hat. Die banale Beobachtung, daß
im Schützengraben Bart und Haare wachsen, da sie nicht rasiert oder ge¬
schnitten werden, in Verbindung mit der Vorstellung, daß ein reicher Haar-
und Bartwuchs stets das Charakteristikum des Männlichen, Kraftvollen war
(Simson!), chüele dem Wort Polin den Weg und machte es in Kürze so be¬
liebt wie kein anderes. Bezeichnenderweise wird von allen, die fern dem
Feuer sind, 6piI6 (enthaart) gesagt. Die französischen Landstürmer (territonaux)
werden scherzend terribles-tauriaux (-- terrible8-taureaux, schreckliche Stiere)
oder einfach tauriaux getauft, während die jungen Rekruten sich ^arie-
I^oui8L, wie bereits 1815 die Freiwilligen hießen, oder nach der neuen fran¬
zösischen Felduniform w8 bleu8 nennen. Für Beamte der Intendantur findet
sich die leicht verständliche Bezeichnung ri3-pain-8el (Reis. Brot, Salz). Eine
traurige Berühmtheit und häufige Anwendung hat das Wort embu8c>ne
(s'embu3quel- sich in einen Hinterhalt legen) in Frankreich erlangt, es ent¬
spricht genau unserem "Drückeberger".

Joffre, der französische Generalissimus, wird von den Soldaten außer
Mya ^okkro und notro .lokkre noch ANAnoteur (ZnAnotsr, knabbern) ge¬
nannt, wobei daran gedacht wird, daß wie eine Ratte langsam ihre Beute
zernagt, so Joffre die deutsche Front langsam aber sicher zernagen werde. Mit
Bezug auf feine Tätigkeit als Verleiher der möäaille union-s hat er auch den
Beinamen möckailleur erhalten.

Besonders häufig sind naturgemäß die Bezeichnungen für Waffen und


Dom Argot poilu

Franzose alles in dies Wort hineinlegt, zeigen am besten die Worte des fran¬
zösischen Generals Zurlinden: „Boche ist wie das elsässische .Schwob' das
Synonym für Betrüger, Lügner, Trunkenbold, Barbar, unwürdig, grausam,
geworden." Es kehrt in den Wörtern wieder: VoLnonnerie, LocKene (die
Tat eines Deutschen), IZocKonnie, Loebie (Deutschland), IZoLbi3me (deutsche Ge¬
lehrsamkeit), bocki8er (germanisieren), Loebonnaille (-- boenonriaille, Schweine¬
fleisch), bocber (wie die Deutschen handeln). Neben Boche ist noch Alboche
oder Alleboche, eine Verquickung von Allemant und Boche gebräuchlich. Harm¬
losere aber auch seltenere Bezeichnungen für die deutschen Soldaten sind?neck-
rick, ?rit^ Va, Va (oder auch Ja, Ja) und 1"aupe3 (Maulwürfe), während
mit tod oder taube die deutschen Flugzeuge benannt werden. Von den
Alliierten heißen die Engländer nach ihren Uniformen Je3 KaKis, der Russe
dagegen wird I^Iicolas genannt. Für die schwarzen Truppen wird Diables
noirs gesagt (les äiables bleu8 dagegen sind die Alpenjäger) und die marok¬
kanischen Truppen sowie die senegalesischen Schützen heißen, gleichfalls nach ihrer
Hautfarbe, „les ebocolats".

Das französische Wort, das dem deutschen „Feldgrauen" entspricht und
ihm an Popularität gleichkommt, ja, es sicherlich noch übertrifft, heißt poilu
(behaart), worunter ganz allgemein jeder französische Frontsoldat verstanden
wird. Dies Wort findet sich bereits 1834 in einem Roman von Balzac, wo
es den Sinn des Mutigen, Unerschrockenen hat. Die banale Beobachtung, daß
im Schützengraben Bart und Haare wachsen, da sie nicht rasiert oder ge¬
schnitten werden, in Verbindung mit der Vorstellung, daß ein reicher Haar-
und Bartwuchs stets das Charakteristikum des Männlichen, Kraftvollen war
(Simson!), chüele dem Wort Polin den Weg und machte es in Kürze so be¬
liebt wie kein anderes. Bezeichnenderweise wird von allen, die fern dem
Feuer sind, 6piI6 (enthaart) gesagt. Die französischen Landstürmer (territonaux)
werden scherzend terribles-tauriaux (-- terrible8-taureaux, schreckliche Stiere)
oder einfach tauriaux getauft, während die jungen Rekruten sich ^arie-
I^oui8L, wie bereits 1815 die Freiwilligen hießen, oder nach der neuen fran¬
zösischen Felduniform w8 bleu8 nennen. Für Beamte der Intendantur findet
sich die leicht verständliche Bezeichnung ri3-pain-8el (Reis. Brot, Salz). Eine
traurige Berühmtheit und häufige Anwendung hat das Wort embu8c>ne
(s'embu3quel- sich in einen Hinterhalt legen) in Frankreich erlangt, es ent¬
spricht genau unserem „Drückeberger".

Joffre, der französische Generalissimus, wird von den Soldaten außer
Mya ^okkro und notro .lokkre noch ANAnoteur (ZnAnotsr, knabbern) ge¬
nannt, wobei daran gedacht wird, daß wie eine Ratte langsam ihre Beute
zernagt, so Joffre die deutsche Front langsam aber sicher zernagen werde. Mit
Bezug auf feine Tätigkeit als Verleiher der möäaille union-s hat er auch den
Beinamen möckailleur erhalten.

Besonders häufig sind naturgemäß die Bezeichnungen für Waffen und


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[0266] Dom Argot poilu Franzose alles in dies Wort hineinlegt, zeigen am besten die Worte des fran¬ zösischen Generals Zurlinden: „Boche ist wie das elsässische .Schwob' das Synonym für Betrüger, Lügner, Trunkenbold, Barbar, unwürdig, grausam, geworden." Es kehrt in den Wörtern wieder: VoLnonnerie, LocKene (die Tat eines Deutschen), IZocKonnie, Loebie (Deutschland), IZoLbi3me (deutsche Ge¬ lehrsamkeit), bocki8er (germanisieren), Loebonnaille (-- boenonriaille, Schweine¬ fleisch), bocber (wie die Deutschen handeln). Neben Boche ist noch Alboche oder Alleboche, eine Verquickung von Allemant und Boche gebräuchlich. Harm¬ losere aber auch seltenere Bezeichnungen für die deutschen Soldaten sind?neck- rick, ?rit^ Va, Va (oder auch Ja, Ja) und 1"aupe3 (Maulwürfe), während mit tod oder taube die deutschen Flugzeuge benannt werden. Von den Alliierten heißen die Engländer nach ihren Uniformen Je3 KaKis, der Russe dagegen wird I^Iicolas genannt. Für die schwarzen Truppen wird Diables noirs gesagt (les äiables bleu8 dagegen sind die Alpenjäger) und die marok¬ kanischen Truppen sowie die senegalesischen Schützen heißen, gleichfalls nach ihrer Hautfarbe, „les ebocolats". Das französische Wort, das dem deutschen „Feldgrauen" entspricht und ihm an Popularität gleichkommt, ja, es sicherlich noch übertrifft, heißt poilu (behaart), worunter ganz allgemein jeder französische Frontsoldat verstanden wird. Dies Wort findet sich bereits 1834 in einem Roman von Balzac, wo es den Sinn des Mutigen, Unerschrockenen hat. Die banale Beobachtung, daß im Schützengraben Bart und Haare wachsen, da sie nicht rasiert oder ge¬ schnitten werden, in Verbindung mit der Vorstellung, daß ein reicher Haar- und Bartwuchs stets das Charakteristikum des Männlichen, Kraftvollen war (Simson!), chüele dem Wort Polin den Weg und machte es in Kürze so be¬ liebt wie kein anderes. Bezeichnenderweise wird von allen, die fern dem Feuer sind, 6piI6 (enthaart) gesagt. Die französischen Landstürmer (territonaux) werden scherzend terribles-tauriaux (-- terrible8-taureaux, schreckliche Stiere) oder einfach tauriaux getauft, während die jungen Rekruten sich ^arie- I^oui8L, wie bereits 1815 die Freiwilligen hießen, oder nach der neuen fran¬ zösischen Felduniform w8 bleu8 nennen. Für Beamte der Intendantur findet sich die leicht verständliche Bezeichnung ri3-pain-8el (Reis. Brot, Salz). Eine traurige Berühmtheit und häufige Anwendung hat das Wort embu8c>ne (s'embu3quel- sich in einen Hinterhalt legen) in Frankreich erlangt, es ent¬ spricht genau unserem „Drückeberger". Joffre, der französische Generalissimus, wird von den Soldaten außer Mya ^okkro und notro .lokkre noch ANAnoteur (ZnAnotsr, knabbern) ge¬ nannt, wobei daran gedacht wird, daß wie eine Ratte langsam ihre Beute zernagt, so Joffre die deutsche Front langsam aber sicher zernagen werde. Mit Bezug auf feine Tätigkeit als Verleiher der möäaille union-s hat er auch den Beinamen möckailleur erhalten. Besonders häufig sind naturgemäß die Bezeichnungen für Waffen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/266>, abgerufen am 23.07.2024.