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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Die Entlassung Ariegsgefangener gegen Ehrenwort

er kann daher die Rechtswohltat auch auf Offiziere beschränken (wie Frankreich),
er kann auch den Angehörigen seines Heeres verbieten, die ehrenwörtliche Ent¬
lassung anzunehmen. Beim Fehlen eines Gesetzes oder einer entsprechenden
Dienstvorschrift wird man anzunehmen haben, daß nur der oberste Kriegsherr
von Fall zu Fall die Lösung vom Kriegsdienste gestatten kann.

Die zweite Haager Friedensversammlung von 1907 hat zum ersten Male
im elften Abkommen über die Beschränkung des Beuterechts im Seekriege Grund¬
sätze über ehrenwörtliche Entlassung Kriegsgefangener im Seekriege aufgestellt.
Darnach soll, wenn ein feindliches Handelsschiff, das nicht an den Feindselig¬
keiten teilgenommen hat, in die Hand des Feindes gerät, die Mannschaft, soweit
sie einem neutralen Staate angehört, nicht kriegsgefangen werden. Neutrale
Offiziere und Kapitäne sollen dies Vorrecht nur genießen, wenn sie ein förm¬
liches, schriftliches Versprechen abgeben, während der Dauer des Krieges auf
keinem feindlichen Schiffe Dienste zu leisten. Auch die feindliche Mannschaft
samt Kapitän und Offizieren ist freizulassen gegen das förmliche, schriftliche
Versprechen, während der Dauer der Feindseligkeiten keinen Dienst zu über¬
nehmen, der mit den Kriegsunternehmungen im Zusammenhang steht.

Die Haager Kriegsartikel ordnen nur die endgültige Entlassung Kriegs¬
gefangener gegen Ehrenwort. Nur in dem Abkommen über die Rechte und
Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Landkriege wird die freie
Bewegung gegen Ehrenwort erwähnt, indem den Neutralen freigestellt wird,
Offiziere freizulassen, wenn sie sich auf Ehrenwort verpflichten, das neutrale
Gebiet nicht ohne Erlaubnis zu verlassen. Das Schweigen über die Erleichterung
der Gefangenschaft gegen Ehrenwort ist aber nicht so aufzufassen, daß diese
Verträge nicht die Billigung des Völkerrechts haben; vielmehr bleibt es hier bei
den bisherigen Grundsätzen und Gewohnheiten des Völkerrechts, denn die
Mächte haben in der Einleitung zu den Bestimmungen über die Gesetze und
Gebräuche des Landkrieges ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in den Fällen,
die in den Bestimmungen nicht vorgesehen sind, die Bevölkerungen und Krieg¬
führenden unter dem Schutze und der Herrschaft des Völkerrechts bleiben, wie
sie sich aus den unter gesitteten Staaten geltenden Gebräuchen, aus den Gesetzen
der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens heraus¬
gebildet haben.

Dies sind in großen Zügen die Grundlinien, in denen Übung und Wissen¬
schaft der Verträge Kriegsgefangener mit dem Sieger bis zum heutigen Völker¬
kriege sich bewegt haben.

Und nun der große Krieg. -- In einem solchen Ringen, in dem unsere
Feinde sich unter dem Feldgeschrei "Vernichtung des deutschen Namens in aller
Welt" auf uns gestürzt haben, ist kaum ein Platz für die Anwendung der alten
ritterlichen Bräuche. So ist denn bisher auch kein Fall der endgültigen Ent¬
lassung Kriegsgefangener gegen Ehrenwort aus dem europäischen Landkriege
zur öffentlichen Kenntnis gekommen, wenn auch theoretisch solche Fälle, z. B.


Die Entlassung Ariegsgefangener gegen Ehrenwort

er kann daher die Rechtswohltat auch auf Offiziere beschränken (wie Frankreich),
er kann auch den Angehörigen seines Heeres verbieten, die ehrenwörtliche Ent¬
lassung anzunehmen. Beim Fehlen eines Gesetzes oder einer entsprechenden
Dienstvorschrift wird man anzunehmen haben, daß nur der oberste Kriegsherr
von Fall zu Fall die Lösung vom Kriegsdienste gestatten kann.

Die zweite Haager Friedensversammlung von 1907 hat zum ersten Male
im elften Abkommen über die Beschränkung des Beuterechts im Seekriege Grund¬
sätze über ehrenwörtliche Entlassung Kriegsgefangener im Seekriege aufgestellt.
Darnach soll, wenn ein feindliches Handelsschiff, das nicht an den Feindselig¬
keiten teilgenommen hat, in die Hand des Feindes gerät, die Mannschaft, soweit
sie einem neutralen Staate angehört, nicht kriegsgefangen werden. Neutrale
Offiziere und Kapitäne sollen dies Vorrecht nur genießen, wenn sie ein förm¬
liches, schriftliches Versprechen abgeben, während der Dauer des Krieges auf
keinem feindlichen Schiffe Dienste zu leisten. Auch die feindliche Mannschaft
samt Kapitän und Offizieren ist freizulassen gegen das förmliche, schriftliche
Versprechen, während der Dauer der Feindseligkeiten keinen Dienst zu über¬
nehmen, der mit den Kriegsunternehmungen im Zusammenhang steht.

Die Haager Kriegsartikel ordnen nur die endgültige Entlassung Kriegs¬
gefangener gegen Ehrenwort. Nur in dem Abkommen über die Rechte und
Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Landkriege wird die freie
Bewegung gegen Ehrenwort erwähnt, indem den Neutralen freigestellt wird,
Offiziere freizulassen, wenn sie sich auf Ehrenwort verpflichten, das neutrale
Gebiet nicht ohne Erlaubnis zu verlassen. Das Schweigen über die Erleichterung
der Gefangenschaft gegen Ehrenwort ist aber nicht so aufzufassen, daß diese
Verträge nicht die Billigung des Völkerrechts haben; vielmehr bleibt es hier bei
den bisherigen Grundsätzen und Gewohnheiten des Völkerrechts, denn die
Mächte haben in der Einleitung zu den Bestimmungen über die Gesetze und
Gebräuche des Landkrieges ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in den Fällen,
die in den Bestimmungen nicht vorgesehen sind, die Bevölkerungen und Krieg¬
führenden unter dem Schutze und der Herrschaft des Völkerrechts bleiben, wie
sie sich aus den unter gesitteten Staaten geltenden Gebräuchen, aus den Gesetzen
der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens heraus¬
gebildet haben.

Dies sind in großen Zügen die Grundlinien, in denen Übung und Wissen¬
schaft der Verträge Kriegsgefangener mit dem Sieger bis zum heutigen Völker¬
kriege sich bewegt haben.

Und nun der große Krieg. — In einem solchen Ringen, in dem unsere
Feinde sich unter dem Feldgeschrei „Vernichtung des deutschen Namens in aller
Welt" auf uns gestürzt haben, ist kaum ein Platz für die Anwendung der alten
ritterlichen Bräuche. So ist denn bisher auch kein Fall der endgültigen Ent¬
lassung Kriegsgefangener gegen Ehrenwort aus dem europäischen Landkriege
zur öffentlichen Kenntnis gekommen, wenn auch theoretisch solche Fälle, z. B.


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[0254] Die Entlassung Ariegsgefangener gegen Ehrenwort er kann daher die Rechtswohltat auch auf Offiziere beschränken (wie Frankreich), er kann auch den Angehörigen seines Heeres verbieten, die ehrenwörtliche Ent¬ lassung anzunehmen. Beim Fehlen eines Gesetzes oder einer entsprechenden Dienstvorschrift wird man anzunehmen haben, daß nur der oberste Kriegsherr von Fall zu Fall die Lösung vom Kriegsdienste gestatten kann. Die zweite Haager Friedensversammlung von 1907 hat zum ersten Male im elften Abkommen über die Beschränkung des Beuterechts im Seekriege Grund¬ sätze über ehrenwörtliche Entlassung Kriegsgefangener im Seekriege aufgestellt. Darnach soll, wenn ein feindliches Handelsschiff, das nicht an den Feindselig¬ keiten teilgenommen hat, in die Hand des Feindes gerät, die Mannschaft, soweit sie einem neutralen Staate angehört, nicht kriegsgefangen werden. Neutrale Offiziere und Kapitäne sollen dies Vorrecht nur genießen, wenn sie ein förm¬ liches, schriftliches Versprechen abgeben, während der Dauer des Krieges auf keinem feindlichen Schiffe Dienste zu leisten. Auch die feindliche Mannschaft samt Kapitän und Offizieren ist freizulassen gegen das förmliche, schriftliche Versprechen, während der Dauer der Feindseligkeiten keinen Dienst zu über¬ nehmen, der mit den Kriegsunternehmungen im Zusammenhang steht. Die Haager Kriegsartikel ordnen nur die endgültige Entlassung Kriegs¬ gefangener gegen Ehrenwort. Nur in dem Abkommen über die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Landkriege wird die freie Bewegung gegen Ehrenwort erwähnt, indem den Neutralen freigestellt wird, Offiziere freizulassen, wenn sie sich auf Ehrenwort verpflichten, das neutrale Gebiet nicht ohne Erlaubnis zu verlassen. Das Schweigen über die Erleichterung der Gefangenschaft gegen Ehrenwort ist aber nicht so aufzufassen, daß diese Verträge nicht die Billigung des Völkerrechts haben; vielmehr bleibt es hier bei den bisherigen Grundsätzen und Gewohnheiten des Völkerrechts, denn die Mächte haben in der Einleitung zu den Bestimmungen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in den Fällen, die in den Bestimmungen nicht vorgesehen sind, die Bevölkerungen und Krieg¬ führenden unter dem Schutze und der Herrschaft des Völkerrechts bleiben, wie sie sich aus den unter gesitteten Staaten geltenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens heraus¬ gebildet haben. Dies sind in großen Zügen die Grundlinien, in denen Übung und Wissen¬ schaft der Verträge Kriegsgefangener mit dem Sieger bis zum heutigen Völker¬ kriege sich bewegt haben. Und nun der große Krieg. — In einem solchen Ringen, in dem unsere Feinde sich unter dem Feldgeschrei „Vernichtung des deutschen Namens in aller Welt" auf uns gestürzt haben, ist kaum ein Platz für die Anwendung der alten ritterlichen Bräuche. So ist denn bisher auch kein Fall der endgültigen Ent¬ lassung Kriegsgefangener gegen Ehrenwort aus dem europäischen Landkriege zur öffentlichen Kenntnis gekommen, wenn auch theoretisch solche Fälle, z. B.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/254>, abgerufen am 23.07.2024.