Wichtigkeit dieser Angelegenheit absehen, so würde es sich doch nicht empfehlen, weil der zu erwartende Widerstand die ganze Sache zunichte machen könnte. Jedenfalls erscheint es mir unbillig und unpraktisch, alle Arbeitgeber gleichmäßig zur Beitragsleistung heranzuziehen; ein Zustand, der auch bei der bis jetzt bestehenden sozialen Versicherung zu beanstanden ist. Unzweifelhaft wird manchem kleinen Arbeitgeber das Aufbringen der von ihm zu leistenden Beiträge sehr viel schwerer als manchem Arbeiter. Mehr als ein tüchtiger kleiner Arbeitgeber wird durch die sozialen Arbeitgeberbeiträge in seinem Fortkommen recht schwer beeinträchtigt. Ferner ist es für das Selbstbewußtsein der Minderbemittelten wichtig, daß sie keine Geschenke empfangen. Ein Erwerb aus eigener Kraft hat ungleich höheren und bleibenderen Wert als geschenktes Gut. Der Erfolg und Besitz aus eigener Kraft stärkt den Stolz und den Willen zu weiterem Erwerbe und Wohlstande. Endlich möchte ich gerade für dieses Sparsystem eine möglichst weitgehende Selbstverwaltung empfehlen. Diese wäre jedoch nicht durchzuführen, wenn Beiträge von dritter Seite gefordert würden. Denn wer beisteuert, will naturgemäß über die Verwendung mitbestimmen. Die ange¬ sammelten Sparbeiträge müssen aber ausschließlich für die vornehmsten unmittel¬ barsten Bedürfnisse der Minderbemittelten verwendet werden, z. B. zur Unter¬ stützung bedürftiger Angehöriger, Erziehung der Kinder, Bau von Kleinwohnungen, Gewährung von Darlehen usw.
Die weitere Frage ist die, wer Träger dieser Arbeiter-Spareinrichtung werden soll. Die von Bieberstein a. a. O. S. 51 angeregte Gründung von Garantieverbänden in Verbindung mit gemischt wirtschaftlichen Unternehmungen empfiehlt sich vielleicht, wenn die Sparbeiträge von vornherein nur für den Bau von Kleinwohnungen bestimmt sein sollen. Indessen ist eine Festlegung des Sparkapitals für einen von vornherein bestimmten, einzigen Zweck nicht wünschenswert. Der ganze Plan ist außerdem nicht einfach genug und würde endlich die oben dargelegte Selbstverwaltung, die nicht außer Acht gelassen werden darf, erheblich beeinträchtigen. Empfehlenswerter wäre schon die Bildung einer Arbeiter-Spar-Genossenschaft. Am praktischsten würde meines Erachtens noch der Anschluß an die Invalidenversicherung sein, indem die Landesversicherungs¬ anstalten Träger des Sparsustems würden/) Es bedürfte dann lediglich einer besonderen Kasseneinrichtung, die den bisherigen Versicherungseinrichtungen anzu¬ gliedern wäre. Dadurch würde die Überführung dieser neuen Spareinrichtung sehr erleichtert und es könnten kaum nennenswerte Mehrverwaltungskosten ent¬ stehen. Die Beiträge müßten die Arbeitgeber vom Lohn abbehalten und durch Markenkleben auf besonderen Sparkarten entrichten. Die durch Sparkarten beurkundeten Forderungen dürften allerdings weder pfändbar noch verpfändbar noch abtretbar sein, da andernfalls der ganze Erfolg des Sparens leicht vereitelt werden könnte.
*) So auch Schmittmann a. a. O.
Die Sparfrage vor, während und nach dem Kriege
Wichtigkeit dieser Angelegenheit absehen, so würde es sich doch nicht empfehlen, weil der zu erwartende Widerstand die ganze Sache zunichte machen könnte. Jedenfalls erscheint es mir unbillig und unpraktisch, alle Arbeitgeber gleichmäßig zur Beitragsleistung heranzuziehen; ein Zustand, der auch bei der bis jetzt bestehenden sozialen Versicherung zu beanstanden ist. Unzweifelhaft wird manchem kleinen Arbeitgeber das Aufbringen der von ihm zu leistenden Beiträge sehr viel schwerer als manchem Arbeiter. Mehr als ein tüchtiger kleiner Arbeitgeber wird durch die sozialen Arbeitgeberbeiträge in seinem Fortkommen recht schwer beeinträchtigt. Ferner ist es für das Selbstbewußtsein der Minderbemittelten wichtig, daß sie keine Geschenke empfangen. Ein Erwerb aus eigener Kraft hat ungleich höheren und bleibenderen Wert als geschenktes Gut. Der Erfolg und Besitz aus eigener Kraft stärkt den Stolz und den Willen zu weiterem Erwerbe und Wohlstande. Endlich möchte ich gerade für dieses Sparsystem eine möglichst weitgehende Selbstverwaltung empfehlen. Diese wäre jedoch nicht durchzuführen, wenn Beiträge von dritter Seite gefordert würden. Denn wer beisteuert, will naturgemäß über die Verwendung mitbestimmen. Die ange¬ sammelten Sparbeiträge müssen aber ausschließlich für die vornehmsten unmittel¬ barsten Bedürfnisse der Minderbemittelten verwendet werden, z. B. zur Unter¬ stützung bedürftiger Angehöriger, Erziehung der Kinder, Bau von Kleinwohnungen, Gewährung von Darlehen usw.
Die weitere Frage ist die, wer Träger dieser Arbeiter-Spareinrichtung werden soll. Die von Bieberstein a. a. O. S. 51 angeregte Gründung von Garantieverbänden in Verbindung mit gemischt wirtschaftlichen Unternehmungen empfiehlt sich vielleicht, wenn die Sparbeiträge von vornherein nur für den Bau von Kleinwohnungen bestimmt sein sollen. Indessen ist eine Festlegung des Sparkapitals für einen von vornherein bestimmten, einzigen Zweck nicht wünschenswert. Der ganze Plan ist außerdem nicht einfach genug und würde endlich die oben dargelegte Selbstverwaltung, die nicht außer Acht gelassen werden darf, erheblich beeinträchtigen. Empfehlenswerter wäre schon die Bildung einer Arbeiter-Spar-Genossenschaft. Am praktischsten würde meines Erachtens noch der Anschluß an die Invalidenversicherung sein, indem die Landesversicherungs¬ anstalten Träger des Sparsustems würden/) Es bedürfte dann lediglich einer besonderen Kasseneinrichtung, die den bisherigen Versicherungseinrichtungen anzu¬ gliedern wäre. Dadurch würde die Überführung dieser neuen Spareinrichtung sehr erleichtert und es könnten kaum nennenswerte Mehrverwaltungskosten ent¬ stehen. Die Beiträge müßten die Arbeitgeber vom Lohn abbehalten und durch Markenkleben auf besonderen Sparkarten entrichten. Die durch Sparkarten beurkundeten Forderungen dürften allerdings weder pfändbar noch verpfändbar noch abtretbar sein, da andernfalls der ganze Erfolg des Sparens leicht vereitelt werden könnte.
*) So auch Schmittmann a. a. O.
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[0158]
Die Sparfrage vor, während und nach dem Kriege
Wichtigkeit dieser Angelegenheit absehen, so würde es sich doch nicht empfehlen,
weil der zu erwartende Widerstand die ganze Sache zunichte machen könnte.
Jedenfalls erscheint es mir unbillig und unpraktisch, alle Arbeitgeber gleichmäßig
zur Beitragsleistung heranzuziehen; ein Zustand, der auch bei der bis jetzt
bestehenden sozialen Versicherung zu beanstanden ist. Unzweifelhaft wird manchem
kleinen Arbeitgeber das Aufbringen der von ihm zu leistenden Beiträge sehr
viel schwerer als manchem Arbeiter. Mehr als ein tüchtiger kleiner Arbeitgeber
wird durch die sozialen Arbeitgeberbeiträge in seinem Fortkommen recht schwer
beeinträchtigt. Ferner ist es für das Selbstbewußtsein der Minderbemittelten
wichtig, daß sie keine Geschenke empfangen. Ein Erwerb aus eigener Kraft
hat ungleich höheren und bleibenderen Wert als geschenktes Gut. Der Erfolg
und Besitz aus eigener Kraft stärkt den Stolz und den Willen zu weiterem
Erwerbe und Wohlstande. Endlich möchte ich gerade für dieses Sparsystem
eine möglichst weitgehende Selbstverwaltung empfehlen. Diese wäre jedoch nicht
durchzuführen, wenn Beiträge von dritter Seite gefordert würden. Denn wer
beisteuert, will naturgemäß über die Verwendung mitbestimmen. Die ange¬
sammelten Sparbeiträge müssen aber ausschließlich für die vornehmsten unmittel¬
barsten Bedürfnisse der Minderbemittelten verwendet werden, z. B. zur Unter¬
stützung bedürftiger Angehöriger, Erziehung der Kinder, Bau von Kleinwohnungen,
Gewährung von Darlehen usw.
Die weitere Frage ist die, wer Träger dieser Arbeiter-Spareinrichtung
werden soll. Die von Bieberstein a. a. O. S. 51 angeregte Gründung von
Garantieverbänden in Verbindung mit gemischt wirtschaftlichen Unternehmungen
empfiehlt sich vielleicht, wenn die Sparbeiträge von vornherein nur für den
Bau von Kleinwohnungen bestimmt sein sollen. Indessen ist eine Festlegung
des Sparkapitals für einen von vornherein bestimmten, einzigen Zweck nicht
wünschenswert. Der ganze Plan ist außerdem nicht einfach genug und würde
endlich die oben dargelegte Selbstverwaltung, die nicht außer Acht gelassen
werden darf, erheblich beeinträchtigen. Empfehlenswerter wäre schon die Bildung
einer Arbeiter-Spar-Genossenschaft. Am praktischsten würde meines Erachtens noch
der Anschluß an die Invalidenversicherung sein, indem die Landesversicherungs¬
anstalten Träger des Sparsustems würden/) Es bedürfte dann lediglich einer
besonderen Kasseneinrichtung, die den bisherigen Versicherungseinrichtungen anzu¬
gliedern wäre. Dadurch würde die Überführung dieser neuen Spareinrichtung
sehr erleichtert und es könnten kaum nennenswerte Mehrverwaltungskosten ent¬
stehen. Die Beiträge müßten die Arbeitgeber vom Lohn abbehalten und durch
Markenkleben auf besonderen Sparkarten entrichten. Die durch Sparkarten
beurkundeten Forderungen dürften allerdings weder pfändbar noch verpfändbar
noch abtretbar sein, da andernfalls der ganze Erfolg des Sparens leicht vereitelt
werden könnte.
*) So auch Schmittmann a. a. O.
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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/158>, abgerufen am 26.01.2025.
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