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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Religion und Volk

Wort Mobilmachung las", heißt es da an einer Stelle, "da sagte ich zu
mir: so, nun ist dein Leben zu Ende. Was du noch weiterhin erlebst und
erleidest, das erlebst und erleidest nicht du, sondern ein Teil des deutschen
Volkes. . . Jeder Tag, der noch für dich kommt, ist jetzt ein Geschenk
Gottes. So schloß ich ab. Alles, was nun kam an Arbeit, Strapazen und
Gefahren, war auf diese Weise etwas geworden, was nicht mehr mich, sondern
eigentlich nur mehr das Vaterland und Gott anging." Dieser Brief ist aus
dem Felde geschrieben, also im unmittelbaren Erleben des Krieges. Aber
auch in den anderen, die nicht immer den Tod vor Augen haben, regt sich
derselbe Geist, wenn sie wahrhaftig und hellseherisch genug sind. Zu solchen
Klarheits- und Wahrheitsmenschen gehört Trcmb, der in seinen Kriegspredigten
abseits aller Literatur die Kraft und Tiefe seines Erlebnisses bezeugt. In
seiner Flugschrift: "Der Krieg und die Seele" (Politische Flugschriften, heraus¬
gegeben von Ernst Jucks. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart-Berlin) spricht er
noch deutlicher und bewußter den Fichteschen Gedanken aus: "Heute leuchtet
die Sonne des Vaterlandes über jedem Menschenkind, das vom Morgen bis
zum Abend seine Pflicht emsiglich erfüllt und segnet ihn. Er gehört zum
Ganzen." "Was bedeutet heute ein Einzelgrab. . . Und doch liegt ein ganz
anderer Schein darüber, die Sonne des erlösten Volkes leuchtet über dem
Rain." Und weiter: "Gott ist größer als das, was wir von ihm denken,
und er stellt jetzt nebeneinander Atheisten und Katholiken, Monisten und
Protestanten, Heilsarmee und Juden, und begräbt sie unter einem Nasen. Sie
alle kämpfen um das Vaterland, das ist heute ihr Gott, ihre Welt, ihr Glück . . .
Auf diesem blutgetränkten Boden wird ein neuer Glaube aufstehen."

Unsere Feinde haben uns die Verquickung von Vaterlandsdienst und
Gottesdienst übel ausgelegt. Sie haben sich den faden Scherz gemacht, dem
deutschen Gott eine preußische Pickelhaube aufzusetzen. Dieser Hohn gehört zu
dem geistigen Feldzug, mit dem man uns in der ganzen Welt vernichten
möchte. Man will die Unwissenden glauben machen, wir beteten den Götzen
Militarismus an, die rohe Gewalt, den germanischen Gott Thor, der den Hammer
in der Faust trägt.

Diese bewußte Entstellung wird auch auf manchen Neutralen Eindruck ge¬
macht haben, der sich mit dem äußeren Schein begnügt und zu bequem ist, den
Dingen auf den Grund zu sehen. Eine Kenntnis des deutschen Geistes und
besonders des deutschen Idealismus würde ihm die Überzeugung verschaffen,
daß wir unser Deutschtum nicht nur sinnlicher Zwecke wegen lieben, weil unser
Vaterland uns die Möglichkeit materiellen Wohlergehens bietet, sondern weil
wir in ihm das Streben nach unabhängiger Wahrheit und das Werkzeug
höherer sittlicher Zwecke finden. "Dieser Krieg ist gerecht, voll gerecht", sagt
Traub in der angeführten Schrift. "Daran zweifeln ist Sünde. Trotzdem bin
ich froh, daß wir nicht auf solche Urteile unsere Sache stützen, sondern auf den
Glauben an die Gerechtigkeit der Weltordnung. Dieser Glaub- ist trutziglich


Religion und Volk

Wort Mobilmachung las", heißt es da an einer Stelle, „da sagte ich zu
mir: so, nun ist dein Leben zu Ende. Was du noch weiterhin erlebst und
erleidest, das erlebst und erleidest nicht du, sondern ein Teil des deutschen
Volkes. . . Jeder Tag, der noch für dich kommt, ist jetzt ein Geschenk
Gottes. So schloß ich ab. Alles, was nun kam an Arbeit, Strapazen und
Gefahren, war auf diese Weise etwas geworden, was nicht mehr mich, sondern
eigentlich nur mehr das Vaterland und Gott anging." Dieser Brief ist aus
dem Felde geschrieben, also im unmittelbaren Erleben des Krieges. Aber
auch in den anderen, die nicht immer den Tod vor Augen haben, regt sich
derselbe Geist, wenn sie wahrhaftig und hellseherisch genug sind. Zu solchen
Klarheits- und Wahrheitsmenschen gehört Trcmb, der in seinen Kriegspredigten
abseits aller Literatur die Kraft und Tiefe seines Erlebnisses bezeugt. In
seiner Flugschrift: „Der Krieg und die Seele" (Politische Flugschriften, heraus¬
gegeben von Ernst Jucks. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart-Berlin) spricht er
noch deutlicher und bewußter den Fichteschen Gedanken aus: „Heute leuchtet
die Sonne des Vaterlandes über jedem Menschenkind, das vom Morgen bis
zum Abend seine Pflicht emsiglich erfüllt und segnet ihn. Er gehört zum
Ganzen." „Was bedeutet heute ein Einzelgrab. . . Und doch liegt ein ganz
anderer Schein darüber, die Sonne des erlösten Volkes leuchtet über dem
Rain." Und weiter: „Gott ist größer als das, was wir von ihm denken,
und er stellt jetzt nebeneinander Atheisten und Katholiken, Monisten und
Protestanten, Heilsarmee und Juden, und begräbt sie unter einem Nasen. Sie
alle kämpfen um das Vaterland, das ist heute ihr Gott, ihre Welt, ihr Glück . . .
Auf diesem blutgetränkten Boden wird ein neuer Glaube aufstehen."

Unsere Feinde haben uns die Verquickung von Vaterlandsdienst und
Gottesdienst übel ausgelegt. Sie haben sich den faden Scherz gemacht, dem
deutschen Gott eine preußische Pickelhaube aufzusetzen. Dieser Hohn gehört zu
dem geistigen Feldzug, mit dem man uns in der ganzen Welt vernichten
möchte. Man will die Unwissenden glauben machen, wir beteten den Götzen
Militarismus an, die rohe Gewalt, den germanischen Gott Thor, der den Hammer
in der Faust trägt.

Diese bewußte Entstellung wird auch auf manchen Neutralen Eindruck ge¬
macht haben, der sich mit dem äußeren Schein begnügt und zu bequem ist, den
Dingen auf den Grund zu sehen. Eine Kenntnis des deutschen Geistes und
besonders des deutschen Idealismus würde ihm die Überzeugung verschaffen,
daß wir unser Deutschtum nicht nur sinnlicher Zwecke wegen lieben, weil unser
Vaterland uns die Möglichkeit materiellen Wohlergehens bietet, sondern weil
wir in ihm das Streben nach unabhängiger Wahrheit und das Werkzeug
höherer sittlicher Zwecke finden. „Dieser Krieg ist gerecht, voll gerecht", sagt
Traub in der angeführten Schrift. „Daran zweifeln ist Sünde. Trotzdem bin
ich froh, daß wir nicht auf solche Urteile unsere Sache stützen, sondern auf den
Glauben an die Gerechtigkeit der Weltordnung. Dieser Glaub- ist trutziglich


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[0105] Religion und Volk Wort Mobilmachung las", heißt es da an einer Stelle, „da sagte ich zu mir: so, nun ist dein Leben zu Ende. Was du noch weiterhin erlebst und erleidest, das erlebst und erleidest nicht du, sondern ein Teil des deutschen Volkes. . . Jeder Tag, der noch für dich kommt, ist jetzt ein Geschenk Gottes. So schloß ich ab. Alles, was nun kam an Arbeit, Strapazen und Gefahren, war auf diese Weise etwas geworden, was nicht mehr mich, sondern eigentlich nur mehr das Vaterland und Gott anging." Dieser Brief ist aus dem Felde geschrieben, also im unmittelbaren Erleben des Krieges. Aber auch in den anderen, die nicht immer den Tod vor Augen haben, regt sich derselbe Geist, wenn sie wahrhaftig und hellseherisch genug sind. Zu solchen Klarheits- und Wahrheitsmenschen gehört Trcmb, der in seinen Kriegspredigten abseits aller Literatur die Kraft und Tiefe seines Erlebnisses bezeugt. In seiner Flugschrift: „Der Krieg und die Seele" (Politische Flugschriften, heraus¬ gegeben von Ernst Jucks. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart-Berlin) spricht er noch deutlicher und bewußter den Fichteschen Gedanken aus: „Heute leuchtet die Sonne des Vaterlandes über jedem Menschenkind, das vom Morgen bis zum Abend seine Pflicht emsiglich erfüllt und segnet ihn. Er gehört zum Ganzen." „Was bedeutet heute ein Einzelgrab. . . Und doch liegt ein ganz anderer Schein darüber, die Sonne des erlösten Volkes leuchtet über dem Rain." Und weiter: „Gott ist größer als das, was wir von ihm denken, und er stellt jetzt nebeneinander Atheisten und Katholiken, Monisten und Protestanten, Heilsarmee und Juden, und begräbt sie unter einem Nasen. Sie alle kämpfen um das Vaterland, das ist heute ihr Gott, ihre Welt, ihr Glück . . . Auf diesem blutgetränkten Boden wird ein neuer Glaube aufstehen." Unsere Feinde haben uns die Verquickung von Vaterlandsdienst und Gottesdienst übel ausgelegt. Sie haben sich den faden Scherz gemacht, dem deutschen Gott eine preußische Pickelhaube aufzusetzen. Dieser Hohn gehört zu dem geistigen Feldzug, mit dem man uns in der ganzen Welt vernichten möchte. Man will die Unwissenden glauben machen, wir beteten den Götzen Militarismus an, die rohe Gewalt, den germanischen Gott Thor, der den Hammer in der Faust trägt. Diese bewußte Entstellung wird auch auf manchen Neutralen Eindruck ge¬ macht haben, der sich mit dem äußeren Schein begnügt und zu bequem ist, den Dingen auf den Grund zu sehen. Eine Kenntnis des deutschen Geistes und besonders des deutschen Idealismus würde ihm die Überzeugung verschaffen, daß wir unser Deutschtum nicht nur sinnlicher Zwecke wegen lieben, weil unser Vaterland uns die Möglichkeit materiellen Wohlergehens bietet, sondern weil wir in ihm das Streben nach unabhängiger Wahrheit und das Werkzeug höherer sittlicher Zwecke finden. „Dieser Krieg ist gerecht, voll gerecht", sagt Traub in der angeführten Schrift. „Daran zweifeln ist Sünde. Trotzdem bin ich froh, daß wir nicht auf solche Urteile unsere Sache stützen, sondern auf den Glauben an die Gerechtigkeit der Weltordnung. Dieser Glaub- ist trutziglich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/105>, abgerufen am 23.07.2024.