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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Beiträge zur Politik des Fernen Ostens

siebzig englischen Meilen gegen eine Kaufsumme ab, die gegen die japanischen
Forderungen für Kriegslieferungen in Anrechnung gebracht wird. Die Festsetzung
der Kaufsumme scheint noch nicht endgültig erfolgt zu sein. Die Angaben
schwanken zwischen vierzehn und zwanzig Millionen Jen.

2. Rußland gesteht den japanischen Untertanen in der Eisenbahnzone der
ostchinesischen Bahn und in ganz Oststbirien die gleichen Handels- und Nieder-
lassungsrechte zu wie seinen eigenen Untertanen.

3. Rußland anerkennt Japans Rechte und Interessen in der südlichen
Mandschurei bis zum Sungari-Fluß und in der östlichen Mongolei. Japan
anerkennt und garantiert Rußlands Rechte und Interessen in der Mandschurei
nördlich des Sungari und in der äußeren Mongolei und verpflichtet sich, im
Falle einer Gefährdung dieser Interessen während des europäischen Krieges auf
Rußlands Wunsch daselbst Rußlands Interessen wahrzunehmen. Dafür verzichtet
Rußland auf den weiteren Ausbau seiner militärischen Machtstellung am
japanischen Meer. Wladiwostok soll nicht weiter ausgebaut werden und in
Zukunft vorwiegend den Charakter eines Handelshafens haben, in dem die
Japaner nicht mehr wie bisher Beschränkungen hinsichtlich des Aufenthaltes,
der Niederlassung und des Handels unterworfen sind.

4. Rußland erkennt solche Maßnahmen Japans in China an, welche die
Aufrechterhaltung des Friedens im Fernen Osten auf der Grundlage der
Territorialintegrität und der Offenen Tür für alle Nationen bezwecken.

Sollte dabei eine dritte Macht oder eine Kombination von Mächten Japan
hindernd in den Weg treten und dieses infolgedessen gezwungen sein, gegen
dieselbe Stellung zu nehmen, so wird Rußland sich auf Japans Wunsch seinen
Maßnahmen anschließen.

Dieses auf den Fernen Osten bezügliche Abkommen wäre merkwürdig ein¬
seitig, wenn Japan nicht gleichzeitig für die außerordentlich belangreichen
russischen Konzessionen, die darin enthalten sind, in einer Form, die wohl im
Hinblick auf bestehende Bündnisse gewählt wurde, Rußland ungefähr gleich¬
wertige Gegenleistungen geboten hätte. Die Kriegslieferungen werden, soweit
nicht auf andere Art Zahlung erfolgt ist, durch Abtretung der Bahnstrecke
Tschangtschun--Sungari aufgewogen. Die Stellung, die Rußland darüber
hinaus zu den japanischen Plänen einnimmt, insbesondere aber der Verzicht
auf seine Macht am japanischen Meere legt die Vermutung nahe, daß Japan
sich Rußland gegenüber in einem geheimen Sonderabkommen zu Gegendiensten
verpflichtet hat. Rußland muß versuchen, sich für die Aufgabe seiner hohen
politischen Ziele im Fernen Osten, nachdem es den eisfreien Hafen Port Arthur
verloren hat, und auch Wladiwostok als militärischen und maritimen Stützpunkt
Japan gegenüber nicht weiter ausbauen kann, anderwärts in Asien zu
entschädigen und einen Ausgang zum Meere zu sichern. Dazu bietet die
Kriegslage in Persten Gelegenheit, wo England unter dem Druck der Verhält¬
nisse Rußland freiere Hand und gewisse Vorrechte, so unter anderem einen


Beiträge zur Politik des Fernen Ostens

siebzig englischen Meilen gegen eine Kaufsumme ab, die gegen die japanischen
Forderungen für Kriegslieferungen in Anrechnung gebracht wird. Die Festsetzung
der Kaufsumme scheint noch nicht endgültig erfolgt zu sein. Die Angaben
schwanken zwischen vierzehn und zwanzig Millionen Jen.

2. Rußland gesteht den japanischen Untertanen in der Eisenbahnzone der
ostchinesischen Bahn und in ganz Oststbirien die gleichen Handels- und Nieder-
lassungsrechte zu wie seinen eigenen Untertanen.

3. Rußland anerkennt Japans Rechte und Interessen in der südlichen
Mandschurei bis zum Sungari-Fluß und in der östlichen Mongolei. Japan
anerkennt und garantiert Rußlands Rechte und Interessen in der Mandschurei
nördlich des Sungari und in der äußeren Mongolei und verpflichtet sich, im
Falle einer Gefährdung dieser Interessen während des europäischen Krieges auf
Rußlands Wunsch daselbst Rußlands Interessen wahrzunehmen. Dafür verzichtet
Rußland auf den weiteren Ausbau seiner militärischen Machtstellung am
japanischen Meer. Wladiwostok soll nicht weiter ausgebaut werden und in
Zukunft vorwiegend den Charakter eines Handelshafens haben, in dem die
Japaner nicht mehr wie bisher Beschränkungen hinsichtlich des Aufenthaltes,
der Niederlassung und des Handels unterworfen sind.

4. Rußland erkennt solche Maßnahmen Japans in China an, welche die
Aufrechterhaltung des Friedens im Fernen Osten auf der Grundlage der
Territorialintegrität und der Offenen Tür für alle Nationen bezwecken.

Sollte dabei eine dritte Macht oder eine Kombination von Mächten Japan
hindernd in den Weg treten und dieses infolgedessen gezwungen sein, gegen
dieselbe Stellung zu nehmen, so wird Rußland sich auf Japans Wunsch seinen
Maßnahmen anschließen.

Dieses auf den Fernen Osten bezügliche Abkommen wäre merkwürdig ein¬
seitig, wenn Japan nicht gleichzeitig für die außerordentlich belangreichen
russischen Konzessionen, die darin enthalten sind, in einer Form, die wohl im
Hinblick auf bestehende Bündnisse gewählt wurde, Rußland ungefähr gleich¬
wertige Gegenleistungen geboten hätte. Die Kriegslieferungen werden, soweit
nicht auf andere Art Zahlung erfolgt ist, durch Abtretung der Bahnstrecke
Tschangtschun—Sungari aufgewogen. Die Stellung, die Rußland darüber
hinaus zu den japanischen Plänen einnimmt, insbesondere aber der Verzicht
auf seine Macht am japanischen Meere legt die Vermutung nahe, daß Japan
sich Rußland gegenüber in einem geheimen Sonderabkommen zu Gegendiensten
verpflichtet hat. Rußland muß versuchen, sich für die Aufgabe seiner hohen
politischen Ziele im Fernen Osten, nachdem es den eisfreien Hafen Port Arthur
verloren hat, und auch Wladiwostok als militärischen und maritimen Stützpunkt
Japan gegenüber nicht weiter ausbauen kann, anderwärts in Asien zu
entschädigen und einen Ausgang zum Meere zu sichern. Dazu bietet die
Kriegslage in Persten Gelegenheit, wo England unter dem Druck der Verhält¬
nisse Rußland freiere Hand und gewisse Vorrechte, so unter anderem einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/96>, abgerufen am 03.07.2024.