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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

Und Beide bitte ich Sie, erlauben Sie mir noch einmal Ihnen zu schreiben,
sobald ich ausgehen darf. Wenn auf die Schwüre eines Doktors zu trauen ist,
aber ich bin mistrauisch geworden, so muß Anfang der nächsten Woche die mir
längst ersehnte Zeit gekommen sein.


In treuer Verehrung und BetrübnißIhr Freytag.

Leipzig 9. Jan. ^18M.


Sophie Baudissin an Freytag.

Dresden. Sonnabend früh.


Verehrter u. liebenswürdigster Freund.

Wer in einem leidenden Zustand solche Briefe schreiben kann, hat den
besten Arzt der Welt in sich, u. ich denke u. hoffe dieser Doctor wird Sie
bald gesund machen. Daß wir doppeltes Verlangen haben Sie von dem Un¬
wohlsein befreit zu wissen, können Sie wohl glauben, aber der Braten ist
keineswegs gegessen, im Gegentheil wir begießen ihn noch fleißiger nun u. der
Moment wo Sie frisch und wohl eintreten, wird er, wie die Franzosen sagen,
"an point" sein u. besser schmecken als je. Uebrigens um bei französischen
Redensarten zu bleiben: ö quelqus Ldoss maldeur est bon, denn ich habe
"un Zeit einen Husten los zu werden mit dem ich Ihnen sonst in die Rede
gefallen wäre u. Sie gelangweilt hätte. Ich bin auch wie halb Dresden u.
wie ich sehe ganz Leipzig, wenigstens ganz Leipzig für uns, erkältet, gehe indeß
schon wieder aus dabei. -- Da Sie mit Drüsen zu thun haben, müßten Sie
ja in ein Soolbad zum Sommer? -- einstweilen möchte ich wie der vicar von
Wakefteld das Gebräu seiner Töchter, das was Sie quirlten umstoßen u. dafür
Maulbeer u. Malvensast hinstellen zum gurgeln. Fragen Sie doch den Doctor
danach? Und nun auf Wiedersehn "es muß doch Frühling werden!"


Ihre treu dankbar ergeb. Sophie Baudissin.

Wolf war auch entzückt über den Patientenbrief!


Sophie Baudissin an Freytag.

d. 14. Januar 1863.


Lieber vortrefflichster Freund,

Dies ist eigentlich nur ein Postcriptum zu meinem letzten Bombardement
von Briefen: ich will nur rathen u. bitten daß Sie Selters mit heißer Milch
trinken das Mittel aller Mittel für alle Hals u. Brustleiden. Hufland sagt:
"Selters (natürlich das natürliche, ja kein künstliches) schadet in keiner Krank¬
heit u. hilft in fast jeder", also folgen Sie Hufland u. mir der es eben auch
geholfen hat. Früh u. Abend ein Glas, nur so viel Milch dazu daß es lau


Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

Und Beide bitte ich Sie, erlauben Sie mir noch einmal Ihnen zu schreiben,
sobald ich ausgehen darf. Wenn auf die Schwüre eines Doktors zu trauen ist,
aber ich bin mistrauisch geworden, so muß Anfang der nächsten Woche die mir
längst ersehnte Zeit gekommen sein.


In treuer Verehrung und BetrübnißIhr Freytag.

Leipzig 9. Jan. ^18M.


Sophie Baudissin an Freytag.

Dresden. Sonnabend früh.


Verehrter u. liebenswürdigster Freund.

Wer in einem leidenden Zustand solche Briefe schreiben kann, hat den
besten Arzt der Welt in sich, u. ich denke u. hoffe dieser Doctor wird Sie
bald gesund machen. Daß wir doppeltes Verlangen haben Sie von dem Un¬
wohlsein befreit zu wissen, können Sie wohl glauben, aber der Braten ist
keineswegs gegessen, im Gegentheil wir begießen ihn noch fleißiger nun u. der
Moment wo Sie frisch und wohl eintreten, wird er, wie die Franzosen sagen,
»an point« sein u. besser schmecken als je. Uebrigens um bei französischen
Redensarten zu bleiben: ö quelqus Ldoss maldeur est bon, denn ich habe
"un Zeit einen Husten los zu werden mit dem ich Ihnen sonst in die Rede
gefallen wäre u. Sie gelangweilt hätte. Ich bin auch wie halb Dresden u.
wie ich sehe ganz Leipzig, wenigstens ganz Leipzig für uns, erkältet, gehe indeß
schon wieder aus dabei. — Da Sie mit Drüsen zu thun haben, müßten Sie
ja in ein Soolbad zum Sommer? — einstweilen möchte ich wie der vicar von
Wakefteld das Gebräu seiner Töchter, das was Sie quirlten umstoßen u. dafür
Maulbeer u. Malvensast hinstellen zum gurgeln. Fragen Sie doch den Doctor
danach? Und nun auf Wiedersehn „es muß doch Frühling werden!"


Ihre treu dankbar ergeb. Sophie Baudissin.

Wolf war auch entzückt über den Patientenbrief!


Sophie Baudissin an Freytag.

d. 14. Januar 1863.


Lieber vortrefflichster Freund,

Dies ist eigentlich nur ein Postcriptum zu meinem letzten Bombardement
von Briefen: ich will nur rathen u. bitten daß Sie Selters mit heißer Milch
trinken das Mittel aller Mittel für alle Hals u. Brustleiden. Hufland sagt:
„Selters (natürlich das natürliche, ja kein künstliches) schadet in keiner Krank¬
heit u. hilft in fast jeder", also folgen Sie Hufland u. mir der es eben auch
geholfen hat. Früh u. Abend ein Glas, nur so viel Milch dazu daß es lau


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[0057] Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin Und Beide bitte ich Sie, erlauben Sie mir noch einmal Ihnen zu schreiben, sobald ich ausgehen darf. Wenn auf die Schwüre eines Doktors zu trauen ist, aber ich bin mistrauisch geworden, so muß Anfang der nächsten Woche die mir längst ersehnte Zeit gekommen sein. In treuer Verehrung und BetrübnißIhr Freytag. Leipzig 9. Jan. ^18M. Sophie Baudissin an Freytag. Dresden. Sonnabend früh. Verehrter u. liebenswürdigster Freund. Wer in einem leidenden Zustand solche Briefe schreiben kann, hat den besten Arzt der Welt in sich, u. ich denke u. hoffe dieser Doctor wird Sie bald gesund machen. Daß wir doppeltes Verlangen haben Sie von dem Un¬ wohlsein befreit zu wissen, können Sie wohl glauben, aber der Braten ist keineswegs gegessen, im Gegentheil wir begießen ihn noch fleißiger nun u. der Moment wo Sie frisch und wohl eintreten, wird er, wie die Franzosen sagen, »an point« sein u. besser schmecken als je. Uebrigens um bei französischen Redensarten zu bleiben: ö quelqus Ldoss maldeur est bon, denn ich habe "un Zeit einen Husten los zu werden mit dem ich Ihnen sonst in die Rede gefallen wäre u. Sie gelangweilt hätte. Ich bin auch wie halb Dresden u. wie ich sehe ganz Leipzig, wenigstens ganz Leipzig für uns, erkältet, gehe indeß schon wieder aus dabei. — Da Sie mit Drüsen zu thun haben, müßten Sie ja in ein Soolbad zum Sommer? — einstweilen möchte ich wie der vicar von Wakefteld das Gebräu seiner Töchter, das was Sie quirlten umstoßen u. dafür Maulbeer u. Malvensast hinstellen zum gurgeln. Fragen Sie doch den Doctor danach? Und nun auf Wiedersehn „es muß doch Frühling werden!" Ihre treu dankbar ergeb. Sophie Baudissin. Wolf war auch entzückt über den Patientenbrief! Sophie Baudissin an Freytag. d. 14. Januar 1863. Lieber vortrefflichster Freund, Dies ist eigentlich nur ein Postcriptum zu meinem letzten Bombardement von Briefen: ich will nur rathen u. bitten daß Sie Selters mit heißer Milch trinken das Mittel aller Mittel für alle Hals u. Brustleiden. Hufland sagt: „Selters (natürlich das natürliche, ja kein künstliches) schadet in keiner Krank¬ heit u. hilft in fast jeder", also folgen Sie Hufland u. mir der es eben auch geholfen hat. Früh u. Abend ein Glas, nur so viel Milch dazu daß es lau

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/57>, abgerufen am 23.07.2024.