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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Akademische Arieqslitcratur

Material dazu ist vorläufig noch im Privatbesitz verstreut oder in den bloß
kleinen Kreisen zugänglichen Verbindungszeitungen gedruckt und harrt einer
planmäßigen Sammlung. Allerdings haben dazu einzelne schon vorbereitende
Schritte getan. So plant der Verlag von Moritz Schauenburg in Lahr, in
einem "Gedenkbuch der deutschen Hochschulen" eine "zeitgeschichtliche Auslese"
aus der akademischen Kriegsdichtung zu geben, und Professor Witkop in Freiburg,
sowie der "Deutsche Studentendienst" bemühen sich mit Erfolg, studentische
Feldpostbriefe zu sammeln. In einer Kundgebung des "Studentendienstes"
("Vom deutschen Michel") zu Neujahr 1916 heißt es beispielsweise: "Unsere
Sammlung von Feldpostbriefen und Berichten hat schon die stattliche Zahl von
38000 Einzelnummern erreicht und ist damit sicher die größte Sammlung von
Kriegsbriefen überhaupt. Ihren ganz besonderen Wert erhält sie jedoch nicht
durch die äußere Zahl, sondern durch die innere Tatsache, daß alle Briefe von
Studenten und anderen Akademikern herrühren und deshalb zum Teil ganz
außerordentlich bemerkenswerte und wertvolle Berichte und Schilderungen
enthalten. Die ganze Sammlung wird sorgfältig archivarisch verwahrt und so
ein unvergängliches Zeugnis und Denkmal dafür bleiben, wie sehr die deutsche
akademische Jugend diesen großen Krieg nicht nur im äußeren Dienst mitgemacht
und für ihn ihr Leben eingesetzt hat. sondern wie sehr sie ihn auch geistig
erfaßt und verarbeitet hat."

Aus dem vermutlich überreichen Schatz von studentischen Feldpostbriefen
besitzen wir vorläufig nur zwei Sammlungen. Die eine, welche das Echo auf
die erste Liebesgabe deutscher Hochschüler, die "Deutsche Weihnacht" (1914),
darstellt, ist von der Schriftleitung des genannten Buches herausgeben worden.
Sie enthält eine Auswahl charakteristischer brieflicher Äußerungen von Musen¬
söhnen, welche das Denken und Fühlen, überhaupt den ganzen Seelenzustand
der Briefschreiber deutlich erkennen lassen. Es sind zumeist kurze, rasch und
unbefangen hingeworfene Niederschriften, auch kleine Gedichte finden sich darunter,
sowie ein kunstlos entworfenes Bildchen von einem regengepeitschten Unterstand.
Im Gegensatz zu diesen, vom literarischen Standpunkt aus, zumeist anspruchs¬
losen Feldpoststimmen hat die von Professor Witkop veranstaltete Auswahl
teilweise eine hohe künstlerische Bedeutung. Die überaus geschickte und glückliche
Zusammenstellung, auf welche die akademische Jugend stolz sein kann, ist nur
als eine Vorausgabe zu betrachten, der nach dem Krieg eine endgültige und
reichhaltigere folgen soll. Sie gibt nicht nur die kriegerische Entwicklung im
Westen, Osten und Südosten bis zum serbischen Entscheidungskampf in großen
Zügen wieder, sondern sie zeigt auch, wie die Ereignisse der ersten Zeit, der
Heldenepoche des gewaltigen Kriegs, die Musensöhne bis ins Innerste erschütterte.
Ferner bieten die Briefe an zahlreichen Stellen charakteristische und scharf
erfaßte, künstlerisch wohlabgerundete Bilder aus dem Kriegerdasein, die einen
dauernden Wert besitzen. Auch enthüllt sich in ihnen das Seelenleben deutscher
Studenten in vollster Reinheit und Tiefe, und einzelnen gelingt es vielfach,


Akademische Arieqslitcratur

Material dazu ist vorläufig noch im Privatbesitz verstreut oder in den bloß
kleinen Kreisen zugänglichen Verbindungszeitungen gedruckt und harrt einer
planmäßigen Sammlung. Allerdings haben dazu einzelne schon vorbereitende
Schritte getan. So plant der Verlag von Moritz Schauenburg in Lahr, in
einem „Gedenkbuch der deutschen Hochschulen" eine „zeitgeschichtliche Auslese"
aus der akademischen Kriegsdichtung zu geben, und Professor Witkop in Freiburg,
sowie der „Deutsche Studentendienst" bemühen sich mit Erfolg, studentische
Feldpostbriefe zu sammeln. In einer Kundgebung des „Studentendienstes"
(„Vom deutschen Michel") zu Neujahr 1916 heißt es beispielsweise: „Unsere
Sammlung von Feldpostbriefen und Berichten hat schon die stattliche Zahl von
38000 Einzelnummern erreicht und ist damit sicher die größte Sammlung von
Kriegsbriefen überhaupt. Ihren ganz besonderen Wert erhält sie jedoch nicht
durch die äußere Zahl, sondern durch die innere Tatsache, daß alle Briefe von
Studenten und anderen Akademikern herrühren und deshalb zum Teil ganz
außerordentlich bemerkenswerte und wertvolle Berichte und Schilderungen
enthalten. Die ganze Sammlung wird sorgfältig archivarisch verwahrt und so
ein unvergängliches Zeugnis und Denkmal dafür bleiben, wie sehr die deutsche
akademische Jugend diesen großen Krieg nicht nur im äußeren Dienst mitgemacht
und für ihn ihr Leben eingesetzt hat. sondern wie sehr sie ihn auch geistig
erfaßt und verarbeitet hat."

Aus dem vermutlich überreichen Schatz von studentischen Feldpostbriefen
besitzen wir vorläufig nur zwei Sammlungen. Die eine, welche das Echo auf
die erste Liebesgabe deutscher Hochschüler, die „Deutsche Weihnacht" (1914),
darstellt, ist von der Schriftleitung des genannten Buches herausgeben worden.
Sie enthält eine Auswahl charakteristischer brieflicher Äußerungen von Musen¬
söhnen, welche das Denken und Fühlen, überhaupt den ganzen Seelenzustand
der Briefschreiber deutlich erkennen lassen. Es sind zumeist kurze, rasch und
unbefangen hingeworfene Niederschriften, auch kleine Gedichte finden sich darunter,
sowie ein kunstlos entworfenes Bildchen von einem regengepeitschten Unterstand.
Im Gegensatz zu diesen, vom literarischen Standpunkt aus, zumeist anspruchs¬
losen Feldpoststimmen hat die von Professor Witkop veranstaltete Auswahl
teilweise eine hohe künstlerische Bedeutung. Die überaus geschickte und glückliche
Zusammenstellung, auf welche die akademische Jugend stolz sein kann, ist nur
als eine Vorausgabe zu betrachten, der nach dem Krieg eine endgültige und
reichhaltigere folgen soll. Sie gibt nicht nur die kriegerische Entwicklung im
Westen, Osten und Südosten bis zum serbischen Entscheidungskampf in großen
Zügen wieder, sondern sie zeigt auch, wie die Ereignisse der ersten Zeit, der
Heldenepoche des gewaltigen Kriegs, die Musensöhne bis ins Innerste erschütterte.
Ferner bieten die Briefe an zahlreichen Stellen charakteristische und scharf
erfaßte, künstlerisch wohlabgerundete Bilder aus dem Kriegerdasein, die einen
dauernden Wert besitzen. Auch enthüllt sich in ihnen das Seelenleben deutscher
Studenten in vollster Reinheit und Tiefe, und einzelnen gelingt es vielfach,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/421>, abgerufen am 26.06.2024.