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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Napoleons Ramxf gegen England im Lichte der Gegenwart

schon vor mehr als 100 Jahren Lord Withworth einmal zu Markow über
das Wesen der damaligen englischen Politik: ,Ma Lour vouckrs, 8an8 äoute
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Solcher Art war England in Stand gesetzt mit aller Rücksichtslosigkeit
auf den Bruch mit Napoleon loszusteuern und konnte dem immer noch die
äußersten Anstrengungen auf eine Intervention machenden Kaiser der Franzosen
die naiv ironische Antwort erteilen, es wolle zwar in die Rückgabe der Insel
an den Orden einwilligen, es müsse jedoch das Recht der dauernden Besetzung
der Forts durch englische Truppen anerkannt werden. Die Ablehnung des
englischen Ultimatums durch Napoleon brachte den Krieg, den er hatte kommen
sehen, aber anrichten vermeiden konnte. England, das in diesem gewaltigen
Kampf gegen den korsischen Emporkömmling als endgültiger Sieger hervorging,
hat nicht nur Malta und die beherrschende Position selner Weltgeltung im
Mittelmeer festgehalten, sondern es hat in diesem Völkerringen der ersten Zeit¬
spanne des neunzehnten Jahrhunderts neue koloniale Herrschaftsgebiete und
dadurch eine weitere unbeschränkte Entwicklungsmöglichkeit für seinen See¬
handel gewonnen, es hat als die in diesen Kriegen am wenigsten aktive Macht
als die alleinige Weltmacht das blutige Kampffeld verlassen.

Dieser siegreiche Kampf Englands, der doch in Wirklichkeit das Werk
seiner Verbündeten war, ist gleichsam der krönende Abschluß jener gigantischen
britischen Weltmachtstellung, die es heute instant gesetzt hat, die gewaltigste
Koalition, welche die Geschichte kennt, gegen den neuen kontinentalen und welt¬
politischen Emporkömmling in Bewegung zu setzen.

Daß aber dieses England nicht mehr als der unbeteiligte Sieger aus dem
heutigen Weltbrande hervorgehen wird, wie dies vor einem Jahrhundert der
Fall war -- das ist heute schon eine schwerlich zu leugnende Tatsache, die
auch den zeitgenössischen englischen Staatslenkern zur Offenbarung zu werden
scheint. Es kämpft heute an der Spitze einer Mächtegruppe, die von ihm
keine realen Garantien zu erwarten hat, mit den gleichen oder wahlverwandten
Mitteln, mit der gleichen Unmoral und Skrupellosigkeit, mit der gleichen rück¬
sichtslosen Kriegführung, mit der gleichen verlogenen Diplomatie, mit dem
gleichen Anspruch auf die unbeschränkte Herrschaft in der Welt.

Aber es hat diesen Daseinskampf gegen ein Volk zu führen, an dessen
ungebrochener Kraft seine wie seiner Kontinentaldegen Anstrengungen kläglich
Zerschellen werden, gegen ein Volk, das über die Mittel verfügt, die dem Imperator
Frankreichs mangelten: geistige Konzentration und wissenschaftliche Organisation.
Sie sind die Gradmesser der Kraft Deutschlands, die ragendsten Faustpfänder
des deutschen Militarismus, gegen die eine selbstsüchtige und schrankenlose Er¬
werbsgenossenschaft, wie sie der Vierverband darstellt, keinen greifbaren Fort¬
schritt zu erzielen vermag.


Napoleons Ramxf gegen England im Lichte der Gegenwart

schon vor mehr als 100 Jahren Lord Withworth einmal zu Markow über
das Wesen der damaligen englischen Politik: ,Ma Lour vouckrs, 8an8 äoute
se pi-^valoir cios av-lntaAL3 ac 3a pvZition actuelle qui met Ä moins
ac portsr ^l la I^ran?e ach coupL ers8 sen3idle8 3An8 en avoir risn
Ä reckoutsr."

Solcher Art war England in Stand gesetzt mit aller Rücksichtslosigkeit
auf den Bruch mit Napoleon loszusteuern und konnte dem immer noch die
äußersten Anstrengungen auf eine Intervention machenden Kaiser der Franzosen
die naiv ironische Antwort erteilen, es wolle zwar in die Rückgabe der Insel
an den Orden einwilligen, es müsse jedoch das Recht der dauernden Besetzung
der Forts durch englische Truppen anerkannt werden. Die Ablehnung des
englischen Ultimatums durch Napoleon brachte den Krieg, den er hatte kommen
sehen, aber anrichten vermeiden konnte. England, das in diesem gewaltigen
Kampf gegen den korsischen Emporkömmling als endgültiger Sieger hervorging,
hat nicht nur Malta und die beherrschende Position selner Weltgeltung im
Mittelmeer festgehalten, sondern es hat in diesem Völkerringen der ersten Zeit¬
spanne des neunzehnten Jahrhunderts neue koloniale Herrschaftsgebiete und
dadurch eine weitere unbeschränkte Entwicklungsmöglichkeit für seinen See¬
handel gewonnen, es hat als die in diesen Kriegen am wenigsten aktive Macht
als die alleinige Weltmacht das blutige Kampffeld verlassen.

Dieser siegreiche Kampf Englands, der doch in Wirklichkeit das Werk
seiner Verbündeten war, ist gleichsam der krönende Abschluß jener gigantischen
britischen Weltmachtstellung, die es heute instant gesetzt hat, die gewaltigste
Koalition, welche die Geschichte kennt, gegen den neuen kontinentalen und welt¬
politischen Emporkömmling in Bewegung zu setzen.

Daß aber dieses England nicht mehr als der unbeteiligte Sieger aus dem
heutigen Weltbrande hervorgehen wird, wie dies vor einem Jahrhundert der
Fall war — das ist heute schon eine schwerlich zu leugnende Tatsache, die
auch den zeitgenössischen englischen Staatslenkern zur Offenbarung zu werden
scheint. Es kämpft heute an der Spitze einer Mächtegruppe, die von ihm
keine realen Garantien zu erwarten hat, mit den gleichen oder wahlverwandten
Mitteln, mit der gleichen Unmoral und Skrupellosigkeit, mit der gleichen rück¬
sichtslosen Kriegführung, mit der gleichen verlogenen Diplomatie, mit dem
gleichen Anspruch auf die unbeschränkte Herrschaft in der Welt.

Aber es hat diesen Daseinskampf gegen ein Volk zu führen, an dessen
ungebrochener Kraft seine wie seiner Kontinentaldegen Anstrengungen kläglich
Zerschellen werden, gegen ein Volk, das über die Mittel verfügt, die dem Imperator
Frankreichs mangelten: geistige Konzentration und wissenschaftliche Organisation.
Sie sind die Gradmesser der Kraft Deutschlands, die ragendsten Faustpfänder
des deutschen Militarismus, gegen die eine selbstsüchtige und schrankenlose Er¬
werbsgenossenschaft, wie sie der Vierverband darstellt, keinen greifbaren Fort¬
schritt zu erzielen vermag.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/375>, abgerufen am 25.08.2024.