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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Finanzen nach dem Kriege

langen, während die Staatseinnahmen im letzten Friedensjahr kaum 2.1 Milliar¬
den Mark betrugen. Nun ist das allerdings nickt der Maßstab, an der die
finanzielle Tragfähigkeit der Kriegführenden nach Friedensschluß gemessen
werden kann. Wollte man eine ähnliche Rechnung für Deutschland aufmachen,
so stünden wir vor 10.5 Milliarden Einnahmen des Reichs und der Bundes¬
staaten, die freilich durch Ausgaben im gleichen Betrage verzehrt werden. Allein
die Eisenbahnen bringen dem Reich und den Staaten jährlich über 3 Milliar¬
den Mark, ein Posten, den Frankreich und England nicht kennen, während er bei
Rußland vor dem Kriege 1,6 Milliarden Mark ausmachte. Was unsere finan¬
zielle Stärke und Sicherheit nach dem Kriege gewährleistet, ist, daß wie uns
nicht an das Ausland verschulden mußten, daß die Kriegsschulden auf lange
Termine abgeschlossen wurden, die für die Dispositionen unseres Geldmarktes
also bekannte Größen sind. Demgegenüber sind die Verhältnisse der englischen
Finanzen mehr als undurchsichtig. Nicht nur muß der Abfluß der Auslands'
guthaben einwirken, sondern auch der während des Krieges in England in
Schatzscheinen angelegten fremden Gelder. Gewiß hat man sie zum Teil in
vier- und fünfjährigen Schatzscheinen eingefangen, allein sie werden nach dem
Kriege die Tendenz zur Abwanderung haben, um anderswo höherverzinsliche
Anlagen zu suchen. Dem wird England zwar vorbeugen, vielleicht durch An¬
ziehung der Diskontschraube, aber das wäre kein Mittel, um den beginnenden
Verfall der Finanzherrschaft aufzuhalten.

Schließlich hängt die Gestaltung der Finanzen nach dem Kriege von der
unerschütterten Produktionskraft ab, weiter davon, welche Verschiebungen die
Zahlungsbilanzen der kriegführenden Staaten erleiden. England und seine
Verbündeten haben die Hilfsquellen der Welt in Anspruch genommen, was
ihnen eine Last aufbürdete, unter der der eine oder der andere der Pariser
Verschworenen zusammenbrechen muß. Daß es gerade die Vereinigten Staaten
sind, in die der Reichtum des alten Europas abfloß, wohlgemerkt aber nur
der unserer Gegner, erleichtert den Zentralmächten nach dem Kriege die Auf¬
nahme der weltwirtschaftlichen Beziehungen. England und Frankreich werden
ihre Rohstoffe aus der Union künstig teuer bezahlen müssen, also auch ent¬
sprechend teurer produzieren. Das haben die Urheber der Pariser Konferenzen
vorausgesehen und deshalb beizeiten Vorsorge treffen wollen, sich gegen die
günstiger gestellte deutsche Exportindustrie durch Zollmauern zu schützen. Nicht
Angriffsziele hat der Pariser Wirtschaftsblock aufstellen, sondern Verteidigungs¬
mittel ersinnen wollen, die doch niemals so groß und so fest sein können, um
die sehr realen wirtschaftlichen Interessen des Weltmarktes den Zwecken einer
fehlgeschlagenen Politik unterzuordnen.

Diese Erwägungen müssen dazu führen, die fünfte Kriegsanleihe zu einer
neuen Waffe zu machen, die England das Schicksal bereiten hilft, das Deutsch¬
land zugedacht war.




Finanzen nach dem Kriege

langen, während die Staatseinnahmen im letzten Friedensjahr kaum 2.1 Milliar¬
den Mark betrugen. Nun ist das allerdings nickt der Maßstab, an der die
finanzielle Tragfähigkeit der Kriegführenden nach Friedensschluß gemessen
werden kann. Wollte man eine ähnliche Rechnung für Deutschland aufmachen,
so stünden wir vor 10.5 Milliarden Einnahmen des Reichs und der Bundes¬
staaten, die freilich durch Ausgaben im gleichen Betrage verzehrt werden. Allein
die Eisenbahnen bringen dem Reich und den Staaten jährlich über 3 Milliar¬
den Mark, ein Posten, den Frankreich und England nicht kennen, während er bei
Rußland vor dem Kriege 1,6 Milliarden Mark ausmachte. Was unsere finan¬
zielle Stärke und Sicherheit nach dem Kriege gewährleistet, ist, daß wie uns
nicht an das Ausland verschulden mußten, daß die Kriegsschulden auf lange
Termine abgeschlossen wurden, die für die Dispositionen unseres Geldmarktes
also bekannte Größen sind. Demgegenüber sind die Verhältnisse der englischen
Finanzen mehr als undurchsichtig. Nicht nur muß der Abfluß der Auslands'
guthaben einwirken, sondern auch der während des Krieges in England in
Schatzscheinen angelegten fremden Gelder. Gewiß hat man sie zum Teil in
vier- und fünfjährigen Schatzscheinen eingefangen, allein sie werden nach dem
Kriege die Tendenz zur Abwanderung haben, um anderswo höherverzinsliche
Anlagen zu suchen. Dem wird England zwar vorbeugen, vielleicht durch An¬
ziehung der Diskontschraube, aber das wäre kein Mittel, um den beginnenden
Verfall der Finanzherrschaft aufzuhalten.

Schließlich hängt die Gestaltung der Finanzen nach dem Kriege von der
unerschütterten Produktionskraft ab, weiter davon, welche Verschiebungen die
Zahlungsbilanzen der kriegführenden Staaten erleiden. England und seine
Verbündeten haben die Hilfsquellen der Welt in Anspruch genommen, was
ihnen eine Last aufbürdete, unter der der eine oder der andere der Pariser
Verschworenen zusammenbrechen muß. Daß es gerade die Vereinigten Staaten
sind, in die der Reichtum des alten Europas abfloß, wohlgemerkt aber nur
der unserer Gegner, erleichtert den Zentralmächten nach dem Kriege die Auf¬
nahme der weltwirtschaftlichen Beziehungen. England und Frankreich werden
ihre Rohstoffe aus der Union künstig teuer bezahlen müssen, also auch ent¬
sprechend teurer produzieren. Das haben die Urheber der Pariser Konferenzen
vorausgesehen und deshalb beizeiten Vorsorge treffen wollen, sich gegen die
günstiger gestellte deutsche Exportindustrie durch Zollmauern zu schützen. Nicht
Angriffsziele hat der Pariser Wirtschaftsblock aufstellen, sondern Verteidigungs¬
mittel ersinnen wollen, die doch niemals so groß und so fest sein können, um
die sehr realen wirtschaftlichen Interessen des Weltmarktes den Zwecken einer
fehlgeschlagenen Politik unterzuordnen.

Diese Erwägungen müssen dazu führen, die fünfte Kriegsanleihe zu einer
neuen Waffe zu machen, die England das Schicksal bereiten hilft, das Deutsch¬
land zugedacht war.




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[0371] Finanzen nach dem Kriege langen, während die Staatseinnahmen im letzten Friedensjahr kaum 2.1 Milliar¬ den Mark betrugen. Nun ist das allerdings nickt der Maßstab, an der die finanzielle Tragfähigkeit der Kriegführenden nach Friedensschluß gemessen werden kann. Wollte man eine ähnliche Rechnung für Deutschland aufmachen, so stünden wir vor 10.5 Milliarden Einnahmen des Reichs und der Bundes¬ staaten, die freilich durch Ausgaben im gleichen Betrage verzehrt werden. Allein die Eisenbahnen bringen dem Reich und den Staaten jährlich über 3 Milliar¬ den Mark, ein Posten, den Frankreich und England nicht kennen, während er bei Rußland vor dem Kriege 1,6 Milliarden Mark ausmachte. Was unsere finan¬ zielle Stärke und Sicherheit nach dem Kriege gewährleistet, ist, daß wie uns nicht an das Ausland verschulden mußten, daß die Kriegsschulden auf lange Termine abgeschlossen wurden, die für die Dispositionen unseres Geldmarktes also bekannte Größen sind. Demgegenüber sind die Verhältnisse der englischen Finanzen mehr als undurchsichtig. Nicht nur muß der Abfluß der Auslands' guthaben einwirken, sondern auch der während des Krieges in England in Schatzscheinen angelegten fremden Gelder. Gewiß hat man sie zum Teil in vier- und fünfjährigen Schatzscheinen eingefangen, allein sie werden nach dem Kriege die Tendenz zur Abwanderung haben, um anderswo höherverzinsliche Anlagen zu suchen. Dem wird England zwar vorbeugen, vielleicht durch An¬ ziehung der Diskontschraube, aber das wäre kein Mittel, um den beginnenden Verfall der Finanzherrschaft aufzuhalten. Schließlich hängt die Gestaltung der Finanzen nach dem Kriege von der unerschütterten Produktionskraft ab, weiter davon, welche Verschiebungen die Zahlungsbilanzen der kriegführenden Staaten erleiden. England und seine Verbündeten haben die Hilfsquellen der Welt in Anspruch genommen, was ihnen eine Last aufbürdete, unter der der eine oder der andere der Pariser Verschworenen zusammenbrechen muß. Daß es gerade die Vereinigten Staaten sind, in die der Reichtum des alten Europas abfloß, wohlgemerkt aber nur der unserer Gegner, erleichtert den Zentralmächten nach dem Kriege die Auf¬ nahme der weltwirtschaftlichen Beziehungen. England und Frankreich werden ihre Rohstoffe aus der Union künstig teuer bezahlen müssen, also auch ent¬ sprechend teurer produzieren. Das haben die Urheber der Pariser Konferenzen vorausgesehen und deshalb beizeiten Vorsorge treffen wollen, sich gegen die günstiger gestellte deutsche Exportindustrie durch Zollmauern zu schützen. Nicht Angriffsziele hat der Pariser Wirtschaftsblock aufstellen, sondern Verteidigungs¬ mittel ersinnen wollen, die doch niemals so groß und so fest sein können, um die sehr realen wirtschaftlichen Interessen des Weltmarktes den Zwecken einer fehlgeschlagenen Politik unterzuordnen. Diese Erwägungen müssen dazu führen, die fünfte Kriegsanleihe zu einer neuen Waffe zu machen, die England das Schicksal bereiten hilft, das Deutsch¬ land zugedacht war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/371>, abgerufen am 23.07.2024.