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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Der deutsche Unterricht auf den Universitäten

eine Verlängerung der Legislaturperiode auch keinerlei Schwierigkeiten begegnen.
Selbst die Nachkommen der einstigen Fortschrittspartei, die Freisinnigen, haben
realpolitisch denken gelernt und reiten nicht mehr auf Prinzipien herum. Die
einzige Partei, die einen Wahlkamps wünschen könnte, wäre die sozial¬
demokratische Arbeitsgemeinschaft. Denn noch haben die Unentwegten in
einigen Wahlkreisen die Mehrheit. Daß es ihnen aber schlecht geht, wenn
erst die Wähler aus den Schützengräben zurückkehren, wissen die Hao.se-Leute
ganz genau. Also deshalb lieber jetzt eine Wahl als später. Über diesen
Widerspruch kann man ruhig zur Tagesordnung übergehen. Übrigens soll
auch in Bayern die Legislaturperiode des Landtages demnächst bis Ende
1917 verlängert werden.




Der deutsche Unterricht auf den Universitäten
v Professor Dr. Paul Menzer on

MMer Ruf nach einer nationalen Erziehung ist unter dem Eindruck
des Krieges laut und aus verschiedenen Lagern heraus erhoben
worden. In ihm spricht sich daS Bedürfnis des deutschen
Volkes aus. die innere Ruhe und Zuversicht, der es in den
gegenwärtigen äußeren und inneren Nöten bedarf und die es
auch in der Zukunft nicht wird entbehren können, aus seinem eigenen Wesen
und aus seiner Geschichte zu gewinnen. Unsere Feinde wollen es nicht er¬
lauben, daß wir uns gemeinsam mit ihnen an dem Gedanken der Menschheit
orientieren. Wir können solch Bemühen ruhig hinnehmen, da deutsche Mensch¬
heit so reich ist, daß es uns an höchsten Zielen und Richtlinien wahrlich nicht
mangeln wird, wenn wir auch einige Ideale abzulegen gelernt haben.

Mit dieser Forderung nach einer nationalen Erziehung erwachsen nun für
die Schule neue Aufgaben. Der Satz, daß der deutsche Unterricht Mittelpunkt
der gesamten Schulbildung sein müsse, muß mehr als bisher in die
Tat umgesetzt werden. Solche Ziele kann aber die Schule nicht allein
erreichen, sie muß bei ihrem Bemühen in einem lebendigen Zusammen¬
hang mit den Universitäten bleiben, die ja doch schließlich als höchste Er-
ziehungsstätten deutschen Geistes auch dem Schulwesen ihren Charakter
aufprägen müssen. Zwar gibt es wohl manchen Universitätslehrer, der das
Ideal einer reinen, von aller Anwendung freien Wissenschaft auf der Hoch-
schule einzig und allein vertreten wissen möchte und die Beziehung zur Schule
als eine, man möchte sagen, kompromittierende auffaßt, aber ein solcher


Der deutsche Unterricht auf den Universitäten

eine Verlängerung der Legislaturperiode auch keinerlei Schwierigkeiten begegnen.
Selbst die Nachkommen der einstigen Fortschrittspartei, die Freisinnigen, haben
realpolitisch denken gelernt und reiten nicht mehr auf Prinzipien herum. Die
einzige Partei, die einen Wahlkamps wünschen könnte, wäre die sozial¬
demokratische Arbeitsgemeinschaft. Denn noch haben die Unentwegten in
einigen Wahlkreisen die Mehrheit. Daß es ihnen aber schlecht geht, wenn
erst die Wähler aus den Schützengräben zurückkehren, wissen die Hao.se-Leute
ganz genau. Also deshalb lieber jetzt eine Wahl als später. Über diesen
Widerspruch kann man ruhig zur Tagesordnung übergehen. Übrigens soll
auch in Bayern die Legislaturperiode des Landtages demnächst bis Ende
1917 verlängert werden.




Der deutsche Unterricht auf den Universitäten
v Professor Dr. Paul Menzer on

MMer Ruf nach einer nationalen Erziehung ist unter dem Eindruck
des Krieges laut und aus verschiedenen Lagern heraus erhoben
worden. In ihm spricht sich daS Bedürfnis des deutschen
Volkes aus. die innere Ruhe und Zuversicht, der es in den
gegenwärtigen äußeren und inneren Nöten bedarf und die es
auch in der Zukunft nicht wird entbehren können, aus seinem eigenen Wesen
und aus seiner Geschichte zu gewinnen. Unsere Feinde wollen es nicht er¬
lauben, daß wir uns gemeinsam mit ihnen an dem Gedanken der Menschheit
orientieren. Wir können solch Bemühen ruhig hinnehmen, da deutsche Mensch¬
heit so reich ist, daß es uns an höchsten Zielen und Richtlinien wahrlich nicht
mangeln wird, wenn wir auch einige Ideale abzulegen gelernt haben.

Mit dieser Forderung nach einer nationalen Erziehung erwachsen nun für
die Schule neue Aufgaben. Der Satz, daß der deutsche Unterricht Mittelpunkt
der gesamten Schulbildung sein müsse, muß mehr als bisher in die
Tat umgesetzt werden. Solche Ziele kann aber die Schule nicht allein
erreichen, sie muß bei ihrem Bemühen in einem lebendigen Zusammen¬
hang mit den Universitäten bleiben, die ja doch schließlich als höchste Er-
ziehungsstätten deutschen Geistes auch dem Schulwesen ihren Charakter
aufprägen müssen. Zwar gibt es wohl manchen Universitätslehrer, der das
Ideal einer reinen, von aller Anwendung freien Wissenschaft auf der Hoch-
schule einzig und allein vertreten wissen möchte und die Beziehung zur Schule
als eine, man möchte sagen, kompromittierende auffaßt, aber ein solcher


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[0035] Der deutsche Unterricht auf den Universitäten eine Verlängerung der Legislaturperiode auch keinerlei Schwierigkeiten begegnen. Selbst die Nachkommen der einstigen Fortschrittspartei, die Freisinnigen, haben realpolitisch denken gelernt und reiten nicht mehr auf Prinzipien herum. Die einzige Partei, die einen Wahlkamps wünschen könnte, wäre die sozial¬ demokratische Arbeitsgemeinschaft. Denn noch haben die Unentwegten in einigen Wahlkreisen die Mehrheit. Daß es ihnen aber schlecht geht, wenn erst die Wähler aus den Schützengräben zurückkehren, wissen die Hao.se-Leute ganz genau. Also deshalb lieber jetzt eine Wahl als später. Über diesen Widerspruch kann man ruhig zur Tagesordnung übergehen. Übrigens soll auch in Bayern die Legislaturperiode des Landtages demnächst bis Ende 1917 verlängert werden. Der deutsche Unterricht auf den Universitäten v Professor Dr. Paul Menzer on MMer Ruf nach einer nationalen Erziehung ist unter dem Eindruck des Krieges laut und aus verschiedenen Lagern heraus erhoben worden. In ihm spricht sich daS Bedürfnis des deutschen Volkes aus. die innere Ruhe und Zuversicht, der es in den gegenwärtigen äußeren und inneren Nöten bedarf und die es auch in der Zukunft nicht wird entbehren können, aus seinem eigenen Wesen und aus seiner Geschichte zu gewinnen. Unsere Feinde wollen es nicht er¬ lauben, daß wir uns gemeinsam mit ihnen an dem Gedanken der Menschheit orientieren. Wir können solch Bemühen ruhig hinnehmen, da deutsche Mensch¬ heit so reich ist, daß es uns an höchsten Zielen und Richtlinien wahrlich nicht mangeln wird, wenn wir auch einige Ideale abzulegen gelernt haben. Mit dieser Forderung nach einer nationalen Erziehung erwachsen nun für die Schule neue Aufgaben. Der Satz, daß der deutsche Unterricht Mittelpunkt der gesamten Schulbildung sein müsse, muß mehr als bisher in die Tat umgesetzt werden. Solche Ziele kann aber die Schule nicht allein erreichen, sie muß bei ihrem Bemühen in einem lebendigen Zusammen¬ hang mit den Universitäten bleiben, die ja doch schließlich als höchste Er- ziehungsstätten deutschen Geistes auch dem Schulwesen ihren Charakter aufprägen müssen. Zwar gibt es wohl manchen Universitätslehrer, der das Ideal einer reinen, von aller Anwendung freien Wissenschaft auf der Hoch- schule einzig und allein vertreten wissen möchte und die Beziehung zur Schule als eine, man möchte sagen, kompromittierende auffaßt, aber ein solcher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/35>, abgerufen am 29.06.2024.