Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Amerika als tertius Zsuäens im Weltkriege

Schafter Graf Bernsdorff in Washington erhob, die aber von feiten der ameri¬
kanischen Regierung unberücksichtigt gelassen wurden.

Es mag indessen zugestanden werden, daß das amerikanische Volk, als es
begann die Energien seiner Wirtschaft und Industrie in den Dienst der Sache unserer
Feinde zu stellen, sich weder von Sympathien mit der Mächtegruppe des Vier¬
verbandes noch von feindseliger Stimmung gegen Deutschland und seine Ver¬
bündeten leiten ließ, sondern lediglich von Erwägungen, die der vorteilhaften
Ausnützung der gegebenen Geschäftslage galten. Es ist mit großer Wahrschein¬
lichkeit anzunehmen, daß auch die Aufträge der Zentralmächte in den Vereinigten
Staaten ihre Erledigung gefunden hätten, sofern sie nur den erwarteten
Gewinn gebracht hätten, und wenn nicht die durch England angestrebte
Blockade jede Einfuhr aus Amerika nach Deutschland unterbunden hätte. Wir
wissen, daß trotz der englischen Blockade ein allerdings sehr beschränkter Handel
durch das neutrale europäische Ausland mit Amerika geführt wurde, und wir
lasen in der Tagespresse, daß man in Amerika nach Eintreffen des ersten
deutschen Handels-Unterseebootes erwog, in welcher Weise diese überraschende
Neuerung zu einer Neubelebung und Erweiterung der Ausfuhr nach Deutsch¬
land auszubauen sei. Alles dies zeigt, daß der Amerikaner sich nüchternen
Sinnes jeder Gelegenheit bedienen würde, die es ihm ermöglicht auch in den
Zentralstaaten Europas seinen Gewinn zu finden.

Wenn sich nun in der amerikanischen Presse eine betont deutschfeindliche
Stimmung heraushob, die während der Verhandlungen über den deutschen
Unterseebootkrieg einen gewissen Höhepunkt erreichte, so ist diese Erscheinung
wohl in erster Linie der Einwirkung gewisser Jndustriekreise zuzuschreiben, welche
das Vorhandensein einer günstigen Gelegenheit zu erkennen glaubten, einen lästigen
Konkurrenten, Deutschlands kraftvolle Industrie und tatkräftigen Außenhandel,
mit Leichtigkeit und auf lange Zeit hinaus vom Weltmarkt verscheuchen zu
können. Die Bestrebungen dieser Gruppen sind trotz ihres starken Einflusses
auf die Regierung der Vereinigten Staaten bis jetzt erfolglos geblieben.

Der Beginn des europäischen Krieges fand die Vereinigten Staaten in einer
ungünstigen wirtschaftlichen Lage. Besonders der Eisenmarkt zeigte vor Ausbruch
des Krieges eine abwärtsgehende Konjunktur, die ihren Ausdruck in dem Nieder¬
gange der Roheisenerzeugung fand: sie war auf 60 Prozent ihrer größten
Leistungsfähigkeit zurückgegangen, die Stahlerzeugung in Chicago sogar auf
30 Prozent. Erst im November sollte sich eine, zunächst allmählich einsetzend,
sodann aber mit Riesenschritten vorwärtsstrebende Aufwärtsbewegung erkennbar
machen. Zunächst aber brachte der Krieg das amerikanische Wirtschaftsleben in
eine schwierige Lage, und es schien als würde auch dieses unter den Folgen
des Kriegsausbruches zu leiden haben. Die Ausfuhr wie die Einfuhr wurden
auf das empfindlichste getroffen, da England die wichtigsten Erzeugnisse der
amerikanischen Industrie und Landwirtschaft als Bannware erklärte, eine Ma߬
nahme, unter der die Ausfuhr von Kupfer, Petroleum und Baumwolle am


Amerika als tertius Zsuäens im Weltkriege

Schafter Graf Bernsdorff in Washington erhob, die aber von feiten der ameri¬
kanischen Regierung unberücksichtigt gelassen wurden.

Es mag indessen zugestanden werden, daß das amerikanische Volk, als es
begann die Energien seiner Wirtschaft und Industrie in den Dienst der Sache unserer
Feinde zu stellen, sich weder von Sympathien mit der Mächtegruppe des Vier¬
verbandes noch von feindseliger Stimmung gegen Deutschland und seine Ver¬
bündeten leiten ließ, sondern lediglich von Erwägungen, die der vorteilhaften
Ausnützung der gegebenen Geschäftslage galten. Es ist mit großer Wahrschein¬
lichkeit anzunehmen, daß auch die Aufträge der Zentralmächte in den Vereinigten
Staaten ihre Erledigung gefunden hätten, sofern sie nur den erwarteten
Gewinn gebracht hätten, und wenn nicht die durch England angestrebte
Blockade jede Einfuhr aus Amerika nach Deutschland unterbunden hätte. Wir
wissen, daß trotz der englischen Blockade ein allerdings sehr beschränkter Handel
durch das neutrale europäische Ausland mit Amerika geführt wurde, und wir
lasen in der Tagespresse, daß man in Amerika nach Eintreffen des ersten
deutschen Handels-Unterseebootes erwog, in welcher Weise diese überraschende
Neuerung zu einer Neubelebung und Erweiterung der Ausfuhr nach Deutsch¬
land auszubauen sei. Alles dies zeigt, daß der Amerikaner sich nüchternen
Sinnes jeder Gelegenheit bedienen würde, die es ihm ermöglicht auch in den
Zentralstaaten Europas seinen Gewinn zu finden.

Wenn sich nun in der amerikanischen Presse eine betont deutschfeindliche
Stimmung heraushob, die während der Verhandlungen über den deutschen
Unterseebootkrieg einen gewissen Höhepunkt erreichte, so ist diese Erscheinung
wohl in erster Linie der Einwirkung gewisser Jndustriekreise zuzuschreiben, welche
das Vorhandensein einer günstigen Gelegenheit zu erkennen glaubten, einen lästigen
Konkurrenten, Deutschlands kraftvolle Industrie und tatkräftigen Außenhandel,
mit Leichtigkeit und auf lange Zeit hinaus vom Weltmarkt verscheuchen zu
können. Die Bestrebungen dieser Gruppen sind trotz ihres starken Einflusses
auf die Regierung der Vereinigten Staaten bis jetzt erfolglos geblieben.

Der Beginn des europäischen Krieges fand die Vereinigten Staaten in einer
ungünstigen wirtschaftlichen Lage. Besonders der Eisenmarkt zeigte vor Ausbruch
des Krieges eine abwärtsgehende Konjunktur, die ihren Ausdruck in dem Nieder¬
gange der Roheisenerzeugung fand: sie war auf 60 Prozent ihrer größten
Leistungsfähigkeit zurückgegangen, die Stahlerzeugung in Chicago sogar auf
30 Prozent. Erst im November sollte sich eine, zunächst allmählich einsetzend,
sodann aber mit Riesenschritten vorwärtsstrebende Aufwärtsbewegung erkennbar
machen. Zunächst aber brachte der Krieg das amerikanische Wirtschaftsleben in
eine schwierige Lage, und es schien als würde auch dieses unter den Folgen
des Kriegsausbruches zu leiden haben. Die Ausfuhr wie die Einfuhr wurden
auf das empfindlichste getroffen, da England die wichtigsten Erzeugnisse der
amerikanischen Industrie und Landwirtschaft als Bannware erklärte, eine Ma߬
nahme, unter der die Ausfuhr von Kupfer, Petroleum und Baumwolle am


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0311" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330849"/>
          <fw type="header" place="top"> Amerika als tertius Zsuäens im Weltkriege</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_979" prev="#ID_978"> Schafter Graf Bernsdorff in Washington erhob, die aber von feiten der ameri¬<lb/>
kanischen Regierung unberücksichtigt gelassen wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_980"> Es mag indessen zugestanden werden, daß das amerikanische Volk, als es<lb/>
begann die Energien seiner Wirtschaft und Industrie in den Dienst der Sache unserer<lb/>
Feinde zu stellen, sich weder von Sympathien mit der Mächtegruppe des Vier¬<lb/>
verbandes noch von feindseliger Stimmung gegen Deutschland und seine Ver¬<lb/>
bündeten leiten ließ, sondern lediglich von Erwägungen, die der vorteilhaften<lb/>
Ausnützung der gegebenen Geschäftslage galten. Es ist mit großer Wahrschein¬<lb/>
lichkeit anzunehmen, daß auch die Aufträge der Zentralmächte in den Vereinigten<lb/>
Staaten ihre Erledigung gefunden hätten, sofern sie nur den erwarteten<lb/>
Gewinn gebracht hätten, und wenn nicht die durch England angestrebte<lb/>
Blockade jede Einfuhr aus Amerika nach Deutschland unterbunden hätte. Wir<lb/>
wissen, daß trotz der englischen Blockade ein allerdings sehr beschränkter Handel<lb/>
durch das neutrale europäische Ausland mit Amerika geführt wurde, und wir<lb/>
lasen in der Tagespresse, daß man in Amerika nach Eintreffen des ersten<lb/>
deutschen Handels-Unterseebootes erwog, in welcher Weise diese überraschende<lb/>
Neuerung zu einer Neubelebung und Erweiterung der Ausfuhr nach Deutsch¬<lb/>
land auszubauen sei. Alles dies zeigt, daß der Amerikaner sich nüchternen<lb/>
Sinnes jeder Gelegenheit bedienen würde, die es ihm ermöglicht auch in den<lb/>
Zentralstaaten Europas seinen Gewinn zu finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_981"> Wenn sich nun in der amerikanischen Presse eine betont deutschfeindliche<lb/>
Stimmung heraushob, die während der Verhandlungen über den deutschen<lb/>
Unterseebootkrieg einen gewissen Höhepunkt erreichte, so ist diese Erscheinung<lb/>
wohl in erster Linie der Einwirkung gewisser Jndustriekreise zuzuschreiben, welche<lb/>
das Vorhandensein einer günstigen Gelegenheit zu erkennen glaubten, einen lästigen<lb/>
Konkurrenten, Deutschlands kraftvolle Industrie und tatkräftigen Außenhandel,<lb/>
mit Leichtigkeit und auf lange Zeit hinaus vom Weltmarkt verscheuchen zu<lb/>
können. Die Bestrebungen dieser Gruppen sind trotz ihres starken Einflusses<lb/>
auf die Regierung der Vereinigten Staaten bis jetzt erfolglos geblieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_982" next="#ID_983"> Der Beginn des europäischen Krieges fand die Vereinigten Staaten in einer<lb/>
ungünstigen wirtschaftlichen Lage. Besonders der Eisenmarkt zeigte vor Ausbruch<lb/>
des Krieges eine abwärtsgehende Konjunktur, die ihren Ausdruck in dem Nieder¬<lb/>
gange der Roheisenerzeugung fand: sie war auf 60 Prozent ihrer größten<lb/>
Leistungsfähigkeit zurückgegangen, die Stahlerzeugung in Chicago sogar auf<lb/>
30 Prozent. Erst im November sollte sich eine, zunächst allmählich einsetzend,<lb/>
sodann aber mit Riesenschritten vorwärtsstrebende Aufwärtsbewegung erkennbar<lb/>
machen. Zunächst aber brachte der Krieg das amerikanische Wirtschaftsleben in<lb/>
eine schwierige Lage, und es schien als würde auch dieses unter den Folgen<lb/>
des Kriegsausbruches zu leiden haben. Die Ausfuhr wie die Einfuhr wurden<lb/>
auf das empfindlichste getroffen, da England die wichtigsten Erzeugnisse der<lb/>
amerikanischen Industrie und Landwirtschaft als Bannware erklärte, eine Ma߬<lb/>
nahme, unter der die Ausfuhr von Kupfer, Petroleum und Baumwolle am</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0311] Amerika als tertius Zsuäens im Weltkriege Schafter Graf Bernsdorff in Washington erhob, die aber von feiten der ameri¬ kanischen Regierung unberücksichtigt gelassen wurden. Es mag indessen zugestanden werden, daß das amerikanische Volk, als es begann die Energien seiner Wirtschaft und Industrie in den Dienst der Sache unserer Feinde zu stellen, sich weder von Sympathien mit der Mächtegruppe des Vier¬ verbandes noch von feindseliger Stimmung gegen Deutschland und seine Ver¬ bündeten leiten ließ, sondern lediglich von Erwägungen, die der vorteilhaften Ausnützung der gegebenen Geschäftslage galten. Es ist mit großer Wahrschein¬ lichkeit anzunehmen, daß auch die Aufträge der Zentralmächte in den Vereinigten Staaten ihre Erledigung gefunden hätten, sofern sie nur den erwarteten Gewinn gebracht hätten, und wenn nicht die durch England angestrebte Blockade jede Einfuhr aus Amerika nach Deutschland unterbunden hätte. Wir wissen, daß trotz der englischen Blockade ein allerdings sehr beschränkter Handel durch das neutrale europäische Ausland mit Amerika geführt wurde, und wir lasen in der Tagespresse, daß man in Amerika nach Eintreffen des ersten deutschen Handels-Unterseebootes erwog, in welcher Weise diese überraschende Neuerung zu einer Neubelebung und Erweiterung der Ausfuhr nach Deutsch¬ land auszubauen sei. Alles dies zeigt, daß der Amerikaner sich nüchternen Sinnes jeder Gelegenheit bedienen würde, die es ihm ermöglicht auch in den Zentralstaaten Europas seinen Gewinn zu finden. Wenn sich nun in der amerikanischen Presse eine betont deutschfeindliche Stimmung heraushob, die während der Verhandlungen über den deutschen Unterseebootkrieg einen gewissen Höhepunkt erreichte, so ist diese Erscheinung wohl in erster Linie der Einwirkung gewisser Jndustriekreise zuzuschreiben, welche das Vorhandensein einer günstigen Gelegenheit zu erkennen glaubten, einen lästigen Konkurrenten, Deutschlands kraftvolle Industrie und tatkräftigen Außenhandel, mit Leichtigkeit und auf lange Zeit hinaus vom Weltmarkt verscheuchen zu können. Die Bestrebungen dieser Gruppen sind trotz ihres starken Einflusses auf die Regierung der Vereinigten Staaten bis jetzt erfolglos geblieben. Der Beginn des europäischen Krieges fand die Vereinigten Staaten in einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage. Besonders der Eisenmarkt zeigte vor Ausbruch des Krieges eine abwärtsgehende Konjunktur, die ihren Ausdruck in dem Nieder¬ gange der Roheisenerzeugung fand: sie war auf 60 Prozent ihrer größten Leistungsfähigkeit zurückgegangen, die Stahlerzeugung in Chicago sogar auf 30 Prozent. Erst im November sollte sich eine, zunächst allmählich einsetzend, sodann aber mit Riesenschritten vorwärtsstrebende Aufwärtsbewegung erkennbar machen. Zunächst aber brachte der Krieg das amerikanische Wirtschaftsleben in eine schwierige Lage, und es schien als würde auch dieses unter den Folgen des Kriegsausbruches zu leiden haben. Die Ausfuhr wie die Einfuhr wurden auf das empfindlichste getroffen, da England die wichtigsten Erzeugnisse der amerikanischen Industrie und Landwirtschaft als Bannware erklärte, eine Ma߬ nahme, unter der die Ausfuhr von Kupfer, Petroleum und Baumwolle am

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/311
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/311>, abgerufen am 23.07.2024.