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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Zur Geschichte des warschauer deutschen Zeitungswesens

auch, der die ersten beiden Bände vom Jahre 1765 und 1766 ins Deutsche
übersetzt hat. Den zweiten Band aufzutreiben war uns bisher nicht möglich,
während sich der erste auf der Universitätsbibliothek in Göttingen vorfand.

Bohomolez' Ziel war es. durch den "Monitor" "die Frucht seiner (nämlich
des "Monitor") Gedanken unter unsern Mitbürgern zum Vortheil derselben
auszubreiten und das Samenkorn seiner nöthigen Erinnerungen bei einigen auf
den milden Acker biegsamer Gemüther fallen zu lassen". Was Mitzler ver¬
anlaßte, an eine Übertragung ins Deutsche zu denken, war vor allem, dem
Auslande und in erster Linie den Deutschen zu zeigen, daß man sich in Polen
alle Mühe gäbe, daß, wie es in der Vorrede heißt, "Verstand, Tugend, Wissen"
schaften, Künste, die Handlung, gute Sitten nebst der Gerechtigkeit eben so, wie
bey denen auf das beste in Europa eingerichteten Staaten blühen möge".
Diesem Ziel hatte Mitzler bereits selbst in seinen periodischen Veröffentlichungen
zugestrebt. Es ist ein schönes Zeichen für seinen Charakter, der sich dadurch
vorteilhaft von dem seines Freundes, des deutschen Literaturpapstes Gottsched,
mit dem ihn sonst vieles verband, unterschied, daß er das, was ihm selbst
nicht gelang, bei einem anderen neidlos anerkannte und gewillt war, es weithin
bekannt zu machen. Unterstützt wurde Mitzler in seinem Unternehmen durch
einen Gelehrten in Thorn und durch einen Pastor Nikisch in Großpolen. Ihm
selbst fiel aber die Hauptaufgabe zu, und er wird sich um so lieber der Über¬
setzung unterzogen haben, als der "Monitor" erfüllt ist von jener Selbständig¬
keit und Tapferkeit, die keine Rücksicht nimmt auf die Meinung der Leute und
seine Ansichten so vertritt, wie sie es für richtig hält. Hier fand Mitzler also
einen Ton, der ihm selbst aus der Seele gesprochen war, den er aber in seinen
eigenen Veröffentlichungen nicht anzuwenden wagte, nachdem er sich wegen seiner
Aufrichtigkeit hatte Vermahnungen gefallen lassen müssen.

Der "Monitor" gehört zu jener Gattung moralischer Wochenschriften, wie
sie während des achtzehnten Jahrhunderts nach dem Vorbild des "spectator",
des "Toller" und des "Guardian" namentlich in Deutschland an allen Ecken
und Enden, selbst in den kleinsten Provinzen, aufkamen. So langweilig die
Lektüre der meisten dieser Wochenschriften ist, so darf doch nicht verkannt
werden, daß sie dazu beitrugen, den Geschmack zu verbessern, das Interesse
sür Kunst und Wissenschaft zu heben und überhaupt mit Erfolg bemüht
waren, die Masse des Bürgertums für geistige und kulturelle Aufgaben zu
interessieren. Der "Monitor" steht nach Stil und Anlage durchaus unter
'deutschem Einfluß und wenn er auch an Bedeutung nicht etwa mit Gersten-
^rgs "Hypochondristen" verglichen werden kann, so steht er doch, was die
Munterkeit und Lebhaftigkeit des Stils anlangt, über den breiten Bettelsuppen
des Rationalismus, die in den meisten moralischen Wochenschriften dem Leser
vorgesetzt wurden. Es versteht sich von selbst, daß der "Monitor" auch da.
wo er allgemeine Dinge behandelt, in erster Linie polnische Verhältnisse vor
Augen hat. In der Tat stellt er eine vortreffliche Quelle dar für das polnische


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Zur Geschichte des warschauer deutschen Zeitungswesens

auch, der die ersten beiden Bände vom Jahre 1765 und 1766 ins Deutsche
übersetzt hat. Den zweiten Band aufzutreiben war uns bisher nicht möglich,
während sich der erste auf der Universitätsbibliothek in Göttingen vorfand.

Bohomolez' Ziel war es. durch den „Monitor" „die Frucht seiner (nämlich
des „Monitor") Gedanken unter unsern Mitbürgern zum Vortheil derselben
auszubreiten und das Samenkorn seiner nöthigen Erinnerungen bei einigen auf
den milden Acker biegsamer Gemüther fallen zu lassen". Was Mitzler ver¬
anlaßte, an eine Übertragung ins Deutsche zu denken, war vor allem, dem
Auslande und in erster Linie den Deutschen zu zeigen, daß man sich in Polen
alle Mühe gäbe, daß, wie es in der Vorrede heißt, „Verstand, Tugend, Wissen«
schaften, Künste, die Handlung, gute Sitten nebst der Gerechtigkeit eben so, wie
bey denen auf das beste in Europa eingerichteten Staaten blühen möge".
Diesem Ziel hatte Mitzler bereits selbst in seinen periodischen Veröffentlichungen
zugestrebt. Es ist ein schönes Zeichen für seinen Charakter, der sich dadurch
vorteilhaft von dem seines Freundes, des deutschen Literaturpapstes Gottsched,
mit dem ihn sonst vieles verband, unterschied, daß er das, was ihm selbst
nicht gelang, bei einem anderen neidlos anerkannte und gewillt war, es weithin
bekannt zu machen. Unterstützt wurde Mitzler in seinem Unternehmen durch
einen Gelehrten in Thorn und durch einen Pastor Nikisch in Großpolen. Ihm
selbst fiel aber die Hauptaufgabe zu, und er wird sich um so lieber der Über¬
setzung unterzogen haben, als der „Monitor" erfüllt ist von jener Selbständig¬
keit und Tapferkeit, die keine Rücksicht nimmt auf die Meinung der Leute und
seine Ansichten so vertritt, wie sie es für richtig hält. Hier fand Mitzler also
einen Ton, der ihm selbst aus der Seele gesprochen war, den er aber in seinen
eigenen Veröffentlichungen nicht anzuwenden wagte, nachdem er sich wegen seiner
Aufrichtigkeit hatte Vermahnungen gefallen lassen müssen.

Der „Monitor" gehört zu jener Gattung moralischer Wochenschriften, wie
sie während des achtzehnten Jahrhunderts nach dem Vorbild des „spectator",
des „Toller" und des „Guardian" namentlich in Deutschland an allen Ecken
und Enden, selbst in den kleinsten Provinzen, aufkamen. So langweilig die
Lektüre der meisten dieser Wochenschriften ist, so darf doch nicht verkannt
werden, daß sie dazu beitrugen, den Geschmack zu verbessern, das Interesse
sür Kunst und Wissenschaft zu heben und überhaupt mit Erfolg bemüht
waren, die Masse des Bürgertums für geistige und kulturelle Aufgaben zu
interessieren. Der „Monitor" steht nach Stil und Anlage durchaus unter
'deutschem Einfluß und wenn er auch an Bedeutung nicht etwa mit Gersten-
^rgs „Hypochondristen" verglichen werden kann, so steht er doch, was die
Munterkeit und Lebhaftigkeit des Stils anlangt, über den breiten Bettelsuppen
des Rationalismus, die in den meisten moralischen Wochenschriften dem Leser
vorgesetzt wurden. Es versteht sich von selbst, daß der „Monitor" auch da.
wo er allgemeine Dinge behandelt, in erster Linie polnische Verhältnisse vor
Augen hat. In der Tat stellt er eine vortreffliche Quelle dar für das polnische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/286>, abgerufen am 23.07.2024.