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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Zur Geschichte des Warschauer deutschen Ieitungswesens

ristisch für seine Natur ist es, daß er es, im Gegensatz zu stets kampfbereiten
Männern, wie Gottsched und Nicolai, ausdrücklich ablehnt, seine Zeitschrift zum
Felde einer Gelehrtenpolemik zu machen: "Am meisten werden wir für theolo¬
gische Zänkereien uns in Acht nehmen, als von welchen die Menschen den
wenigsten Nutzen und die meisten Leser den größten Ekel haben".

Alle zwei Monate sollte ein Heft der "Bibliothek" erscheinen, aber von
sechs Heften, die angekündigt worden waren, sind im Lause von etwa zwei
Jahren nur vier herausgekommen. Das erste wurde wahrscheinlich im Herbst
1753 veröffentlicht, ein zweites 1754, das dritte und vierte Anfang 1755.
Die Hefte enthielten sechs bis acht Aufsätze im Umfang von viereinhalb bis
fünfeinhalb Bogen und beschäftigen sich mit der zeitgenössischen und weit mehr
mit der älteren polnischen Literatur. Das Material dazu erhielt Mitzler durch
die Zaluskische Bibliothek, über deren Bedeutung für sein Organ er selbst aus¬
führt: "Diese Bibliothek ist es eben, welche unsere gegenwärtige "Warschauer
Bibliothek" erzeuget und ohne sie würden wir garnichts ausrichten können, da
wir hingegen durch Hilfe der fo ungemein zahlreichen, kostbaren und vortrefflichen
Zaluskischen Bibliothek, denen Kennern der Wissenschaften so viel gutes, merk¬
würdiges und seltenes vorlegen werden, so sie vielleicht von Pohlen nicht ver¬
muthet Hütten".

Mitzler benutzte nicht nur die Drucke dieser Bibliothek, sondern auch die
Handschriften, von denen er Auszüge und manchmal auch teilweise Abdrucke
wiedergab. Beträchtliche Schwierigkeiten stellten sich der Betrachtung der zeit¬
genössischen Literatur entgegen, Ha es sehr unbequem war, bei dem Mangel an
ständigen buchhändlerischen Beziehungen zwischen Warschau und den Provinz¬
städten, das Material zu beschaffen. Von vielen Werken, die in anderen Städten
herausgegeben wurden, hatte man in Warschau keine Nachricht. Um dem
abzuhelfen, hat Mitzler, wahrscheinlich im Einvernehmen mit Zaluski, im "Kurjer
Polski" eine Aufforderung an die Druckereileiter ergehen lassen, mit der Bitte,
ein Exemplar an die Zaluskische Bibliothek abzuführen, damit es in der
"Warschauer Bibliothek" besprochen werden könne. Wie in manchen ausländischen
Organen jener Zeit nehmen auch in der "WarschauerBibliothek" Naturwissenschaften
und Medizin den Hauptplatz ein. Bei seinen Zeitgenossen fand dies keinen Anklang,
so daß Janocki auf Zustimmung rechnen konnte, wenn er in seinem "Lexicon
der itzt lebenden Gelehrten in P." von Mitzler sagt: "Er ist für seine medizinische
Ausarbeitungen und chymische Erfindungen so sehr eingenommen, daß er sie
Zum größten Verdrusse der Liebhaber der polnischen Sachen überall zu häufig
einschaltet". Mitzler aber war in seine naturwissenschaftlichen Studien so ver¬
sunken, daß er in der "Bibliothek" einmal meint, es sei für einen vielarbeitenden
Gelehrten unmöglich, der Welt und einer Frau zugleich dienen zu können, ohne
sich und seine Familie vielen Widerwärtigkeiten auszusetzen. Es mag dies ein
Vorgefühl seines eigenen Schicksals gewesen sein; denn Mitzler heiratete eine
Frau, die soviel Verständnis für ihn und sein Schaffen bewies, daß sie noch


Zur Geschichte des Warschauer deutschen Ieitungswesens

ristisch für seine Natur ist es, daß er es, im Gegensatz zu stets kampfbereiten
Männern, wie Gottsched und Nicolai, ausdrücklich ablehnt, seine Zeitschrift zum
Felde einer Gelehrtenpolemik zu machen: „Am meisten werden wir für theolo¬
gische Zänkereien uns in Acht nehmen, als von welchen die Menschen den
wenigsten Nutzen und die meisten Leser den größten Ekel haben".

Alle zwei Monate sollte ein Heft der „Bibliothek" erscheinen, aber von
sechs Heften, die angekündigt worden waren, sind im Lause von etwa zwei
Jahren nur vier herausgekommen. Das erste wurde wahrscheinlich im Herbst
1753 veröffentlicht, ein zweites 1754, das dritte und vierte Anfang 1755.
Die Hefte enthielten sechs bis acht Aufsätze im Umfang von viereinhalb bis
fünfeinhalb Bogen und beschäftigen sich mit der zeitgenössischen und weit mehr
mit der älteren polnischen Literatur. Das Material dazu erhielt Mitzler durch
die Zaluskische Bibliothek, über deren Bedeutung für sein Organ er selbst aus¬
führt: „Diese Bibliothek ist es eben, welche unsere gegenwärtige „Warschauer
Bibliothek" erzeuget und ohne sie würden wir garnichts ausrichten können, da
wir hingegen durch Hilfe der fo ungemein zahlreichen, kostbaren und vortrefflichen
Zaluskischen Bibliothek, denen Kennern der Wissenschaften so viel gutes, merk¬
würdiges und seltenes vorlegen werden, so sie vielleicht von Pohlen nicht ver¬
muthet Hütten".

Mitzler benutzte nicht nur die Drucke dieser Bibliothek, sondern auch die
Handschriften, von denen er Auszüge und manchmal auch teilweise Abdrucke
wiedergab. Beträchtliche Schwierigkeiten stellten sich der Betrachtung der zeit¬
genössischen Literatur entgegen, Ha es sehr unbequem war, bei dem Mangel an
ständigen buchhändlerischen Beziehungen zwischen Warschau und den Provinz¬
städten, das Material zu beschaffen. Von vielen Werken, die in anderen Städten
herausgegeben wurden, hatte man in Warschau keine Nachricht. Um dem
abzuhelfen, hat Mitzler, wahrscheinlich im Einvernehmen mit Zaluski, im „Kurjer
Polski" eine Aufforderung an die Druckereileiter ergehen lassen, mit der Bitte,
ein Exemplar an die Zaluskische Bibliothek abzuführen, damit es in der
„Warschauer Bibliothek" besprochen werden könne. Wie in manchen ausländischen
Organen jener Zeit nehmen auch in der „WarschauerBibliothek" Naturwissenschaften
und Medizin den Hauptplatz ein. Bei seinen Zeitgenossen fand dies keinen Anklang,
so daß Janocki auf Zustimmung rechnen konnte, wenn er in seinem „Lexicon
der itzt lebenden Gelehrten in P." von Mitzler sagt: „Er ist für seine medizinische
Ausarbeitungen und chymische Erfindungen so sehr eingenommen, daß er sie
Zum größten Verdrusse der Liebhaber der polnischen Sachen überall zu häufig
einschaltet". Mitzler aber war in seine naturwissenschaftlichen Studien so ver¬
sunken, daß er in der „Bibliothek" einmal meint, es sei für einen vielarbeitenden
Gelehrten unmöglich, der Welt und einer Frau zugleich dienen zu können, ohne
sich und seine Familie vielen Widerwärtigkeiten auszusetzen. Es mag dies ein
Vorgefühl seines eigenen Schicksals gewesen sein; denn Mitzler heiratete eine
Frau, die soviel Verständnis für ihn und sein Schaffen bewies, daß sie noch


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[0282] Zur Geschichte des Warschauer deutschen Ieitungswesens ristisch für seine Natur ist es, daß er es, im Gegensatz zu stets kampfbereiten Männern, wie Gottsched und Nicolai, ausdrücklich ablehnt, seine Zeitschrift zum Felde einer Gelehrtenpolemik zu machen: „Am meisten werden wir für theolo¬ gische Zänkereien uns in Acht nehmen, als von welchen die Menschen den wenigsten Nutzen und die meisten Leser den größten Ekel haben". Alle zwei Monate sollte ein Heft der „Bibliothek" erscheinen, aber von sechs Heften, die angekündigt worden waren, sind im Lause von etwa zwei Jahren nur vier herausgekommen. Das erste wurde wahrscheinlich im Herbst 1753 veröffentlicht, ein zweites 1754, das dritte und vierte Anfang 1755. Die Hefte enthielten sechs bis acht Aufsätze im Umfang von viereinhalb bis fünfeinhalb Bogen und beschäftigen sich mit der zeitgenössischen und weit mehr mit der älteren polnischen Literatur. Das Material dazu erhielt Mitzler durch die Zaluskische Bibliothek, über deren Bedeutung für sein Organ er selbst aus¬ führt: „Diese Bibliothek ist es eben, welche unsere gegenwärtige „Warschauer Bibliothek" erzeuget und ohne sie würden wir garnichts ausrichten können, da wir hingegen durch Hilfe der fo ungemein zahlreichen, kostbaren und vortrefflichen Zaluskischen Bibliothek, denen Kennern der Wissenschaften so viel gutes, merk¬ würdiges und seltenes vorlegen werden, so sie vielleicht von Pohlen nicht ver¬ muthet Hütten". Mitzler benutzte nicht nur die Drucke dieser Bibliothek, sondern auch die Handschriften, von denen er Auszüge und manchmal auch teilweise Abdrucke wiedergab. Beträchtliche Schwierigkeiten stellten sich der Betrachtung der zeit¬ genössischen Literatur entgegen, Ha es sehr unbequem war, bei dem Mangel an ständigen buchhändlerischen Beziehungen zwischen Warschau und den Provinz¬ städten, das Material zu beschaffen. Von vielen Werken, die in anderen Städten herausgegeben wurden, hatte man in Warschau keine Nachricht. Um dem abzuhelfen, hat Mitzler, wahrscheinlich im Einvernehmen mit Zaluski, im „Kurjer Polski" eine Aufforderung an die Druckereileiter ergehen lassen, mit der Bitte, ein Exemplar an die Zaluskische Bibliothek abzuführen, damit es in der „Warschauer Bibliothek" besprochen werden könne. Wie in manchen ausländischen Organen jener Zeit nehmen auch in der „WarschauerBibliothek" Naturwissenschaften und Medizin den Hauptplatz ein. Bei seinen Zeitgenossen fand dies keinen Anklang, so daß Janocki auf Zustimmung rechnen konnte, wenn er in seinem „Lexicon der itzt lebenden Gelehrten in P." von Mitzler sagt: „Er ist für seine medizinische Ausarbeitungen und chymische Erfindungen so sehr eingenommen, daß er sie Zum größten Verdrusse der Liebhaber der polnischen Sachen überall zu häufig einschaltet". Mitzler aber war in seine naturwissenschaftlichen Studien so ver¬ sunken, daß er in der „Bibliothek" einmal meint, es sei für einen vielarbeitenden Gelehrten unmöglich, der Welt und einer Frau zugleich dienen zu können, ohne sich und seine Familie vielen Widerwärtigkeiten auszusetzen. Es mag dies ein Vorgefühl seines eigenen Schicksals gewesen sein; denn Mitzler heiratete eine Frau, die soviel Verständnis für ihn und sein Schaffen bewies, daß sie noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/282>, abgerufen am 23.07.2024.