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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Zur Geschichte des Warschauer deutschen Zeitungswesens

dem Gute Malachowskis im Gouvernement Raton. Namentlich seine medi¬
zinischen Studien setzte er hier fort. Er erfand einen Universalwundbalsam; auf
Grund einer Dissertation über diese Erfindung verlieh ihm die Universität
Erfurt die medizinische Doktorwürde. Doch seiner immer nach Neuem ver¬
langenden Natur genügte diese vielseitige Beschäftigung als Lehrer und Arzt
nicht. Er begann sich in freien Stunden mit der polnischen Literatur zu
beschäftigen und als er sich 1749 in Warschau niederließ, wo er schnell den
Ruf eines der bedeutendsten Ärzte erlangte, dehnte er die begonnenen Studien
auf ihm bisher unbekannte Gebiete aus. Mit Vorurteilen gegen die polnische
Literatur war er, wie er selbst erzählt, nach Warschau gekommen. Jetzt gingen
ihm die Augen auf und er wünschte, diesem Vorurteil auch bei anderen zu
begegnen. So entstand der Plan, eine literarische Zeitschrift zu begründen,
die das Ausland mit der älteren und gleichzeitigen polnischen Literatur bekannt
machen sollte. Das Ergebnis war die Gründung der "Warschauer Bibliothek",
die in den Jahren 1753 bis 1755 erschien. Daß sich Mitzler für die deutsche
Sprache entschied, beweist, daß er vor allem die Deutschen im Auge hatte,
die in jener Zeit durch Sachsen mit Polen näher verbunden waren. Er glaubte,
daß die deutsche Sprache allen Gelehrten bekannt sei, und sagt darüber selbst:
"Die Gelehrten in Pohlen, denen diese Monatsschrift nützlich sein soll, verstehen
fast alle deutsch. . ., die Ausländer so für anderen einen Zusammenhang mit
Pohlen haben, verstehen gleichfalls die in Europa so dankbare Sprache der
Deutschen, und wir sind überzeugt, daß zur Erreichung unserer Absicht, die
deutsche Sprache sich viel besser schickt als die lateinische, von der pohlnischer
als einer unter den Ausländern sehr unbekannten Mundart nicht zu gedenken".
Mitzler machte sich mit dem ihm eigenen Enthusiasmus an die Arbeit und war
nicht nur der Leiter der Zeitschrift, sondern auch der einzige Mitarbeiter.
Woher die Mittel kamen, die zum Druck nötig waren, läßt sich nicht feststellen.
Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß Mitzler nicht auf eine ständige Unterstützung
rechnen konnte, sondern daß er die Kosten größtenteils aus eigenen Mitteln
behende, ein Umstand, der seine Verdienste noch wesentlich erhöht.

Die Mitzlersche Zeitschrift war eine wissenschaftliche Veröffentlichung nach
dem Muster ähnlicher Organe des Auslandes, namentlich Deutschlands. Ihr
Inhalt ist beherrscht von dem rein verstandesmäßigen Standpunkt der Auf¬
klärung. In seiner Vorrede sagt Mitzler, daß er nicht für die breite Masse
der Umgekehrten schriebe, "weil sie verschiedenes darinnen finden möchten, so
ihnen nicht anständig". Der Zweck war der jener ausländischen Zeitschriften,
d. h. die Publikation von Rezensionen und der Abdruck von verschiedenartigen
Werken, wie er selbst sagt, "Nachrichten und bescheidene Urtheile, wie auch
fleißige Auszüge von allen pohlnischer Büchern und Schriften fo verdienen
angemerket werden, von sehr seltenen, kleinen und dabei wichtigen Werkchen
ganze Übersetzungen und Lebensbeschreibungen von merkwürdigen Befördern
der Wissenschaften und Gelehrten sowohl verstorbenen als lebenden". Charakte-


Zur Geschichte des Warschauer deutschen Zeitungswesens

dem Gute Malachowskis im Gouvernement Raton. Namentlich seine medi¬
zinischen Studien setzte er hier fort. Er erfand einen Universalwundbalsam; auf
Grund einer Dissertation über diese Erfindung verlieh ihm die Universität
Erfurt die medizinische Doktorwürde. Doch seiner immer nach Neuem ver¬
langenden Natur genügte diese vielseitige Beschäftigung als Lehrer und Arzt
nicht. Er begann sich in freien Stunden mit der polnischen Literatur zu
beschäftigen und als er sich 1749 in Warschau niederließ, wo er schnell den
Ruf eines der bedeutendsten Ärzte erlangte, dehnte er die begonnenen Studien
auf ihm bisher unbekannte Gebiete aus. Mit Vorurteilen gegen die polnische
Literatur war er, wie er selbst erzählt, nach Warschau gekommen. Jetzt gingen
ihm die Augen auf und er wünschte, diesem Vorurteil auch bei anderen zu
begegnen. So entstand der Plan, eine literarische Zeitschrift zu begründen,
die das Ausland mit der älteren und gleichzeitigen polnischen Literatur bekannt
machen sollte. Das Ergebnis war die Gründung der „Warschauer Bibliothek",
die in den Jahren 1753 bis 1755 erschien. Daß sich Mitzler für die deutsche
Sprache entschied, beweist, daß er vor allem die Deutschen im Auge hatte,
die in jener Zeit durch Sachsen mit Polen näher verbunden waren. Er glaubte,
daß die deutsche Sprache allen Gelehrten bekannt sei, und sagt darüber selbst:
„Die Gelehrten in Pohlen, denen diese Monatsschrift nützlich sein soll, verstehen
fast alle deutsch. . ., die Ausländer so für anderen einen Zusammenhang mit
Pohlen haben, verstehen gleichfalls die in Europa so dankbare Sprache der
Deutschen, und wir sind überzeugt, daß zur Erreichung unserer Absicht, die
deutsche Sprache sich viel besser schickt als die lateinische, von der pohlnischer
als einer unter den Ausländern sehr unbekannten Mundart nicht zu gedenken".
Mitzler machte sich mit dem ihm eigenen Enthusiasmus an die Arbeit und war
nicht nur der Leiter der Zeitschrift, sondern auch der einzige Mitarbeiter.
Woher die Mittel kamen, die zum Druck nötig waren, läßt sich nicht feststellen.
Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß Mitzler nicht auf eine ständige Unterstützung
rechnen konnte, sondern daß er die Kosten größtenteils aus eigenen Mitteln
behende, ein Umstand, der seine Verdienste noch wesentlich erhöht.

Die Mitzlersche Zeitschrift war eine wissenschaftliche Veröffentlichung nach
dem Muster ähnlicher Organe des Auslandes, namentlich Deutschlands. Ihr
Inhalt ist beherrscht von dem rein verstandesmäßigen Standpunkt der Auf¬
klärung. In seiner Vorrede sagt Mitzler, daß er nicht für die breite Masse
der Umgekehrten schriebe, „weil sie verschiedenes darinnen finden möchten, so
ihnen nicht anständig". Der Zweck war der jener ausländischen Zeitschriften,
d. h. die Publikation von Rezensionen und der Abdruck von verschiedenartigen
Werken, wie er selbst sagt, „Nachrichten und bescheidene Urtheile, wie auch
fleißige Auszüge von allen pohlnischer Büchern und Schriften fo verdienen
angemerket werden, von sehr seltenen, kleinen und dabei wichtigen Werkchen
ganze Übersetzungen und Lebensbeschreibungen von merkwürdigen Befördern
der Wissenschaften und Gelehrten sowohl verstorbenen als lebenden". Charakte-


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[0281] Zur Geschichte des Warschauer deutschen Zeitungswesens dem Gute Malachowskis im Gouvernement Raton. Namentlich seine medi¬ zinischen Studien setzte er hier fort. Er erfand einen Universalwundbalsam; auf Grund einer Dissertation über diese Erfindung verlieh ihm die Universität Erfurt die medizinische Doktorwürde. Doch seiner immer nach Neuem ver¬ langenden Natur genügte diese vielseitige Beschäftigung als Lehrer und Arzt nicht. Er begann sich in freien Stunden mit der polnischen Literatur zu beschäftigen und als er sich 1749 in Warschau niederließ, wo er schnell den Ruf eines der bedeutendsten Ärzte erlangte, dehnte er die begonnenen Studien auf ihm bisher unbekannte Gebiete aus. Mit Vorurteilen gegen die polnische Literatur war er, wie er selbst erzählt, nach Warschau gekommen. Jetzt gingen ihm die Augen auf und er wünschte, diesem Vorurteil auch bei anderen zu begegnen. So entstand der Plan, eine literarische Zeitschrift zu begründen, die das Ausland mit der älteren und gleichzeitigen polnischen Literatur bekannt machen sollte. Das Ergebnis war die Gründung der „Warschauer Bibliothek", die in den Jahren 1753 bis 1755 erschien. Daß sich Mitzler für die deutsche Sprache entschied, beweist, daß er vor allem die Deutschen im Auge hatte, die in jener Zeit durch Sachsen mit Polen näher verbunden waren. Er glaubte, daß die deutsche Sprache allen Gelehrten bekannt sei, und sagt darüber selbst: „Die Gelehrten in Pohlen, denen diese Monatsschrift nützlich sein soll, verstehen fast alle deutsch. . ., die Ausländer so für anderen einen Zusammenhang mit Pohlen haben, verstehen gleichfalls die in Europa so dankbare Sprache der Deutschen, und wir sind überzeugt, daß zur Erreichung unserer Absicht, die deutsche Sprache sich viel besser schickt als die lateinische, von der pohlnischer als einer unter den Ausländern sehr unbekannten Mundart nicht zu gedenken". Mitzler machte sich mit dem ihm eigenen Enthusiasmus an die Arbeit und war nicht nur der Leiter der Zeitschrift, sondern auch der einzige Mitarbeiter. Woher die Mittel kamen, die zum Druck nötig waren, läßt sich nicht feststellen. Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß Mitzler nicht auf eine ständige Unterstützung rechnen konnte, sondern daß er die Kosten größtenteils aus eigenen Mitteln behende, ein Umstand, der seine Verdienste noch wesentlich erhöht. Die Mitzlersche Zeitschrift war eine wissenschaftliche Veröffentlichung nach dem Muster ähnlicher Organe des Auslandes, namentlich Deutschlands. Ihr Inhalt ist beherrscht von dem rein verstandesmäßigen Standpunkt der Auf¬ klärung. In seiner Vorrede sagt Mitzler, daß er nicht für die breite Masse der Umgekehrten schriebe, „weil sie verschiedenes darinnen finden möchten, so ihnen nicht anständig". Der Zweck war der jener ausländischen Zeitschriften, d. h. die Publikation von Rezensionen und der Abdruck von verschiedenartigen Werken, wie er selbst sagt, „Nachrichten und bescheidene Urtheile, wie auch fleißige Auszüge von allen pohlnischer Büchern und Schriften fo verdienen angemerket werden, von sehr seltenen, kleinen und dabei wichtigen Werkchen ganze Übersetzungen und Lebensbeschreibungen von merkwürdigen Befördern der Wissenschaften und Gelehrten sowohl verstorbenen als lebenden". Charakte-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/281>, abgerufen am 23.07.2024.