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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Zur Geschichte des Warschauer deutschen Zeitungswescns

Nachrichten von den verschiedenen Kriegsschauplätzen und in einem Bericht des
österreichischen Hauptquartiers, der gewöhnlich den einzigen Inhalt der Beilage
ausmachte. Wie heute Deutschland und Österreich, so war damals Preußen
von Feinden umstellt und den heutigen Aushungerungsplänen Englands entspricht
die "Unhinlänglichkeit des Brodes", die bei den Armeen Preußens verschie¬
dentlich triumphierend festgestellt wird. Die Geheimhaltung von Niederlagen
und das Aufbauschen unwesentlicher Erfolge gab es auch damals schon. Daß
alles schon einmal und früh dagewesen ist, geht aus einer Leipziger Meldung her¬
vor, wonach Universitäten und Bibliotheken in Lazarette umgewandelt sind usw.

Nachdem am 31. Dezember 1757 die letzte Nummer der "Warschauer
Zeitungen" erschienen war, gingen die Piaristen sofort daran, eine neue
Zeitung in französischer Sprache herauszugeben, die in Form und Anlage eine
unmittelbare Fortsetzung des deutschen Organs darstellt. Die "Gazette de
Varsovie" erschien in den Jahren 1758 bis 1764. Trotz der französischen
Sprache, haben wir das Recht, sie als ein deutsches Organ anzusehen. Einmal
vertritt auch sie, wie die "Warschauer Zeitungen", den österreichisch-sächsisch¬
polnischen Standpunkt im siebenjährigen Kriege, beschäftigt sich also mit deutschen
Angelegenheiten, die zugleich die Angelegenheiten Polens waren. Zweitens
war damals das Erscheinen von Zeitungen in französischer Sprache auch in
Deutschland selbst durchaus nichts Ungewöhnliches. War doch sogar in Berlin
auf besonderen Wunsch Friedrichs des Großen ein "Journal de Berlin" ge¬
gründet worden, das von dem Philosophie-Professor am Französischen Gymnasium,
Johann Heinrich Samuel Formen herausgegeben wurde, der verschiedene litera¬
rische Veröffentlichungen in französischer Sprache in die Welt geschickt hat.
Überhaupt erschienen die bedeutendsten deutschen Organe dieser Zeit, die gegen
Friedrich den Großen Stellung nahmen und den österreichischen und katholischen
Standpunkt vertraten, ausnahmslos in französischer Sprache. Es sei nur an
die "Gazette de Cologne", an die "Gazette d'Erlangen" und die "Gazette de
Gotha" erinnert.

Während des Erscheinens der "Gazette de Varsovie" wurde die Druckerei
der Piaristen wesentlich verbessert. Wie erwähnt, hatten die geistlichen Brüder
die Druckerei von einem gewissen Elert gekauft. Dieser Peter Elert war im
Dienste des späteren Königs Johann Casimir und als Musiker am Hofe des
Königs Wladislaus des Vierten in Warschau tätig. 1641 heiratete er ein
Fräulein Elisabeth Piotrkowczyk, die einer bekannten Druckerfamilie entstammte.
Durch diese Ehe kam er selbst auf den Gedanken, eine Druckerei zu gründen.
Er erhielt das Recht, die Landtagsgesetze zu drucken. Das erste Privilegium
für ihn, das ihm von Wladislaus dem Vierten gewährt wurde, datiert vom
12. Januar 1643; danach hatte er die Befugnis, eine Druckerei zu eröffnen,
und eine Buchhandlung in Tätigkeit zu setzen. In diesem Erlaß wird er be¬
reits als Königlicher Buchdrucker und Buchhändler bezeichnet. Nach seinem
Tode übernahm die Witwe und ihre Kinder die Druckerei. Ein Privilegium


Zur Geschichte des Warschauer deutschen Zeitungswescns

Nachrichten von den verschiedenen Kriegsschauplätzen und in einem Bericht des
österreichischen Hauptquartiers, der gewöhnlich den einzigen Inhalt der Beilage
ausmachte. Wie heute Deutschland und Österreich, so war damals Preußen
von Feinden umstellt und den heutigen Aushungerungsplänen Englands entspricht
die „Unhinlänglichkeit des Brodes", die bei den Armeen Preußens verschie¬
dentlich triumphierend festgestellt wird. Die Geheimhaltung von Niederlagen
und das Aufbauschen unwesentlicher Erfolge gab es auch damals schon. Daß
alles schon einmal und früh dagewesen ist, geht aus einer Leipziger Meldung her¬
vor, wonach Universitäten und Bibliotheken in Lazarette umgewandelt sind usw.

Nachdem am 31. Dezember 1757 die letzte Nummer der „Warschauer
Zeitungen" erschienen war, gingen die Piaristen sofort daran, eine neue
Zeitung in französischer Sprache herauszugeben, die in Form und Anlage eine
unmittelbare Fortsetzung des deutschen Organs darstellt. Die „Gazette de
Varsovie" erschien in den Jahren 1758 bis 1764. Trotz der französischen
Sprache, haben wir das Recht, sie als ein deutsches Organ anzusehen. Einmal
vertritt auch sie, wie die „Warschauer Zeitungen", den österreichisch-sächsisch¬
polnischen Standpunkt im siebenjährigen Kriege, beschäftigt sich also mit deutschen
Angelegenheiten, die zugleich die Angelegenheiten Polens waren. Zweitens
war damals das Erscheinen von Zeitungen in französischer Sprache auch in
Deutschland selbst durchaus nichts Ungewöhnliches. War doch sogar in Berlin
auf besonderen Wunsch Friedrichs des Großen ein „Journal de Berlin" ge¬
gründet worden, das von dem Philosophie-Professor am Französischen Gymnasium,
Johann Heinrich Samuel Formen herausgegeben wurde, der verschiedene litera¬
rische Veröffentlichungen in französischer Sprache in die Welt geschickt hat.
Überhaupt erschienen die bedeutendsten deutschen Organe dieser Zeit, die gegen
Friedrich den Großen Stellung nahmen und den österreichischen und katholischen
Standpunkt vertraten, ausnahmslos in französischer Sprache. Es sei nur an
die „Gazette de Cologne", an die „Gazette d'Erlangen" und die „Gazette de
Gotha" erinnert.

Während des Erscheinens der „Gazette de Varsovie" wurde die Druckerei
der Piaristen wesentlich verbessert. Wie erwähnt, hatten die geistlichen Brüder
die Druckerei von einem gewissen Elert gekauft. Dieser Peter Elert war im
Dienste des späteren Königs Johann Casimir und als Musiker am Hofe des
Königs Wladislaus des Vierten in Warschau tätig. 1641 heiratete er ein
Fräulein Elisabeth Piotrkowczyk, die einer bekannten Druckerfamilie entstammte.
Durch diese Ehe kam er selbst auf den Gedanken, eine Druckerei zu gründen.
Er erhielt das Recht, die Landtagsgesetze zu drucken. Das erste Privilegium
für ihn, das ihm von Wladislaus dem Vierten gewährt wurde, datiert vom
12. Januar 1643; danach hatte er die Befugnis, eine Druckerei zu eröffnen,
und eine Buchhandlung in Tätigkeit zu setzen. In diesem Erlaß wird er be¬
reits als Königlicher Buchdrucker und Buchhändler bezeichnet. Nach seinem
Tode übernahm die Witwe und ihre Kinder die Druckerei. Ein Privilegium


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[0278] Zur Geschichte des Warschauer deutschen Zeitungswescns Nachrichten von den verschiedenen Kriegsschauplätzen und in einem Bericht des österreichischen Hauptquartiers, der gewöhnlich den einzigen Inhalt der Beilage ausmachte. Wie heute Deutschland und Österreich, so war damals Preußen von Feinden umstellt und den heutigen Aushungerungsplänen Englands entspricht die „Unhinlänglichkeit des Brodes", die bei den Armeen Preußens verschie¬ dentlich triumphierend festgestellt wird. Die Geheimhaltung von Niederlagen und das Aufbauschen unwesentlicher Erfolge gab es auch damals schon. Daß alles schon einmal und früh dagewesen ist, geht aus einer Leipziger Meldung her¬ vor, wonach Universitäten und Bibliotheken in Lazarette umgewandelt sind usw. Nachdem am 31. Dezember 1757 die letzte Nummer der „Warschauer Zeitungen" erschienen war, gingen die Piaristen sofort daran, eine neue Zeitung in französischer Sprache herauszugeben, die in Form und Anlage eine unmittelbare Fortsetzung des deutschen Organs darstellt. Die „Gazette de Varsovie" erschien in den Jahren 1758 bis 1764. Trotz der französischen Sprache, haben wir das Recht, sie als ein deutsches Organ anzusehen. Einmal vertritt auch sie, wie die „Warschauer Zeitungen", den österreichisch-sächsisch¬ polnischen Standpunkt im siebenjährigen Kriege, beschäftigt sich also mit deutschen Angelegenheiten, die zugleich die Angelegenheiten Polens waren. Zweitens war damals das Erscheinen von Zeitungen in französischer Sprache auch in Deutschland selbst durchaus nichts Ungewöhnliches. War doch sogar in Berlin auf besonderen Wunsch Friedrichs des Großen ein „Journal de Berlin" ge¬ gründet worden, das von dem Philosophie-Professor am Französischen Gymnasium, Johann Heinrich Samuel Formen herausgegeben wurde, der verschiedene litera¬ rische Veröffentlichungen in französischer Sprache in die Welt geschickt hat. Überhaupt erschienen die bedeutendsten deutschen Organe dieser Zeit, die gegen Friedrich den Großen Stellung nahmen und den österreichischen und katholischen Standpunkt vertraten, ausnahmslos in französischer Sprache. Es sei nur an die „Gazette de Cologne", an die „Gazette d'Erlangen" und die „Gazette de Gotha" erinnert. Während des Erscheinens der „Gazette de Varsovie" wurde die Druckerei der Piaristen wesentlich verbessert. Wie erwähnt, hatten die geistlichen Brüder die Druckerei von einem gewissen Elert gekauft. Dieser Peter Elert war im Dienste des späteren Königs Johann Casimir und als Musiker am Hofe des Königs Wladislaus des Vierten in Warschau tätig. 1641 heiratete er ein Fräulein Elisabeth Piotrkowczyk, die einer bekannten Druckerfamilie entstammte. Durch diese Ehe kam er selbst auf den Gedanken, eine Druckerei zu gründen. Er erhielt das Recht, die Landtagsgesetze zu drucken. Das erste Privilegium für ihn, das ihm von Wladislaus dem Vierten gewährt wurde, datiert vom 12. Januar 1643; danach hatte er die Befugnis, eine Druckerei zu eröffnen, und eine Buchhandlung in Tätigkeit zu setzen. In diesem Erlaß wird er be¬ reits als Königlicher Buchdrucker und Buchhändler bezeichnet. Nach seinem Tode übernahm die Witwe und ihre Kinder die Druckerei. Ein Privilegium

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/278>, abgerufen am 25.08.2024.