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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Dänische Stimmungen

Stärke der Deutschen liegt, und daß wir in dieser Beziehung viel von Deutsch¬
land zu lernen haben.

Endlich darf nicht übersehen werden, daß sich in der dänischen Literatur
-- ganz wie in der deutschen -- am Ende des vorigen Jahrhunderts starke
Einflüsse von Frankreich her geltend machten. Und auch jetzt, während dieser
Einfluß sich mehr verringert hat, findet man als Nachwirkung eine tief ein¬
gewurzelte Liebe zur gallischen Kultur, die nicht ohne Bedeutung für die Haltung
vieler literarischen Kreise sein mag.

Der starke Geschäftsverkehr mit England, dem größten Abnehmer der
dänischen Ausfuhrwaren, hat natürlich auch eine gewisse Bedeutung gehabt; im
allgemeinen kann aber behauptet werden, daß während die Sympathie für
Frankreich noch stark ist, das Ansehen Englands während des Krieges auch in
Dänemark ziemlich kräftig zurückgeschraubt worden ist.

Wenn aber auch gesagt werden muß, daß sehr viele Dänen ententefreundlich
sind, darf doch nicht übersehen werden, daß auch sehr viele, und darunter viele
der bedeutendsten und tonangebenden neutral oder deutschfreundlich sind. Es
geschieht z. B. mit Unrecht, daß die ganze dänische Presse von Deutschen als
"deutschgehässig" bezeichnet wird. Es gibt zwar einige dänische Zeitungen
zweiten und dritten Ranges, die unbedingt deutschfeindlich sind, man darf aber
nicht alle danach beurteilen. Die beiden maßgebenden, "Berlingske Tidende"
und "Politiker", streben unbedingt danach, beiden Seiten gegenüber möglichst
gerecht zu sein. "Politiker", oas Regierungsblatt, wird zwar oft von beiden
Seiten parteiisch gescholten, weil es von beiden Seiten Beiträge aufnimmt; es
ist aber eher deutschfreundlich als deutschfeindlich. Und unter den Wochenblättern
und Monatsheften gibt es überhaupt kein einziges, das unbedingt für die Entente
Partei nimmt, während eines, "spectator", entschieden deutschfreundlich und
englandfeindlich ist.

Natürlich werden die Probleme des Kriegs nicht nur in den Zeitungen,
sondern auch in Büchern und Broschüren und unter den Leuten lebhaft erörtert,
und sowohl in der öffentlichen als auch in der privaten Diskussion gehen die
Wogen meistens recht hoch. Es zeigt sich aber -- wie man es auch erwarten
konnte -- daß der Fanatismus am größten ist, wo wirkliche Kenntnisse am
wenigsten vorhanden sind.

Vor allen Dingen werden natürlich die Begebenheiten des Kriegs behandelt,
und es ist charakteristisch, daß es für alle Streitfragen viel mehr Angreifer als
Verteidiger gibt. Es gibt viele, die Deutschlands Verhalten Belgien gegenüber
angreifen, sehr wenige, die es verteidigen. Dasselbe gilt sür die Lusitania-
Affäre. Es gibt aber auch viele, die die Blockadepolitik Englands, die Beschlüsse
der Pariser Wirtschaftskonferenz und das Betragen der Russen in Ostpreußen
und Galizien angreifen, und sehr wenige, die es verteidigen. Für Italien
haben alle nur Verachtung; es gibt, so viel ich sehe, niemand, der es in
Schutz nimmt.


Dänische Stimmungen

Stärke der Deutschen liegt, und daß wir in dieser Beziehung viel von Deutsch¬
land zu lernen haben.

Endlich darf nicht übersehen werden, daß sich in der dänischen Literatur
— ganz wie in der deutschen — am Ende des vorigen Jahrhunderts starke
Einflüsse von Frankreich her geltend machten. Und auch jetzt, während dieser
Einfluß sich mehr verringert hat, findet man als Nachwirkung eine tief ein¬
gewurzelte Liebe zur gallischen Kultur, die nicht ohne Bedeutung für die Haltung
vieler literarischen Kreise sein mag.

Der starke Geschäftsverkehr mit England, dem größten Abnehmer der
dänischen Ausfuhrwaren, hat natürlich auch eine gewisse Bedeutung gehabt; im
allgemeinen kann aber behauptet werden, daß während die Sympathie für
Frankreich noch stark ist, das Ansehen Englands während des Krieges auch in
Dänemark ziemlich kräftig zurückgeschraubt worden ist.

Wenn aber auch gesagt werden muß, daß sehr viele Dänen ententefreundlich
sind, darf doch nicht übersehen werden, daß auch sehr viele, und darunter viele
der bedeutendsten und tonangebenden neutral oder deutschfreundlich sind. Es
geschieht z. B. mit Unrecht, daß die ganze dänische Presse von Deutschen als
„deutschgehässig" bezeichnet wird. Es gibt zwar einige dänische Zeitungen
zweiten und dritten Ranges, die unbedingt deutschfeindlich sind, man darf aber
nicht alle danach beurteilen. Die beiden maßgebenden, „Berlingske Tidende"
und „Politiker", streben unbedingt danach, beiden Seiten gegenüber möglichst
gerecht zu sein. „Politiker", oas Regierungsblatt, wird zwar oft von beiden
Seiten parteiisch gescholten, weil es von beiden Seiten Beiträge aufnimmt; es
ist aber eher deutschfreundlich als deutschfeindlich. Und unter den Wochenblättern
und Monatsheften gibt es überhaupt kein einziges, das unbedingt für die Entente
Partei nimmt, während eines, „spectator", entschieden deutschfreundlich und
englandfeindlich ist.

Natürlich werden die Probleme des Kriegs nicht nur in den Zeitungen,
sondern auch in Büchern und Broschüren und unter den Leuten lebhaft erörtert,
und sowohl in der öffentlichen als auch in der privaten Diskussion gehen die
Wogen meistens recht hoch. Es zeigt sich aber — wie man es auch erwarten
konnte — daß der Fanatismus am größten ist, wo wirkliche Kenntnisse am
wenigsten vorhanden sind.

Vor allen Dingen werden natürlich die Begebenheiten des Kriegs behandelt,
und es ist charakteristisch, daß es für alle Streitfragen viel mehr Angreifer als
Verteidiger gibt. Es gibt viele, die Deutschlands Verhalten Belgien gegenüber
angreifen, sehr wenige, die es verteidigen. Dasselbe gilt sür die Lusitania-
Affäre. Es gibt aber auch viele, die die Blockadepolitik Englands, die Beschlüsse
der Pariser Wirtschaftskonferenz und das Betragen der Russen in Ostpreußen
und Galizien angreifen, und sehr wenige, die es verteidigen. Für Italien
haben alle nur Verachtung; es gibt, so viel ich sehe, niemand, der es in
Schutz nimmt.


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[0192] Dänische Stimmungen Stärke der Deutschen liegt, und daß wir in dieser Beziehung viel von Deutsch¬ land zu lernen haben. Endlich darf nicht übersehen werden, daß sich in der dänischen Literatur — ganz wie in der deutschen — am Ende des vorigen Jahrhunderts starke Einflüsse von Frankreich her geltend machten. Und auch jetzt, während dieser Einfluß sich mehr verringert hat, findet man als Nachwirkung eine tief ein¬ gewurzelte Liebe zur gallischen Kultur, die nicht ohne Bedeutung für die Haltung vieler literarischen Kreise sein mag. Der starke Geschäftsverkehr mit England, dem größten Abnehmer der dänischen Ausfuhrwaren, hat natürlich auch eine gewisse Bedeutung gehabt; im allgemeinen kann aber behauptet werden, daß während die Sympathie für Frankreich noch stark ist, das Ansehen Englands während des Krieges auch in Dänemark ziemlich kräftig zurückgeschraubt worden ist. Wenn aber auch gesagt werden muß, daß sehr viele Dänen ententefreundlich sind, darf doch nicht übersehen werden, daß auch sehr viele, und darunter viele der bedeutendsten und tonangebenden neutral oder deutschfreundlich sind. Es geschieht z. B. mit Unrecht, daß die ganze dänische Presse von Deutschen als „deutschgehässig" bezeichnet wird. Es gibt zwar einige dänische Zeitungen zweiten und dritten Ranges, die unbedingt deutschfeindlich sind, man darf aber nicht alle danach beurteilen. Die beiden maßgebenden, „Berlingske Tidende" und „Politiker", streben unbedingt danach, beiden Seiten gegenüber möglichst gerecht zu sein. „Politiker", oas Regierungsblatt, wird zwar oft von beiden Seiten parteiisch gescholten, weil es von beiden Seiten Beiträge aufnimmt; es ist aber eher deutschfreundlich als deutschfeindlich. Und unter den Wochenblättern und Monatsheften gibt es überhaupt kein einziges, das unbedingt für die Entente Partei nimmt, während eines, „spectator", entschieden deutschfreundlich und englandfeindlich ist. Natürlich werden die Probleme des Kriegs nicht nur in den Zeitungen, sondern auch in Büchern und Broschüren und unter den Leuten lebhaft erörtert, und sowohl in der öffentlichen als auch in der privaten Diskussion gehen die Wogen meistens recht hoch. Es zeigt sich aber — wie man es auch erwarten konnte — daß der Fanatismus am größten ist, wo wirkliche Kenntnisse am wenigsten vorhanden sind. Vor allen Dingen werden natürlich die Begebenheiten des Kriegs behandelt, und es ist charakteristisch, daß es für alle Streitfragen viel mehr Angreifer als Verteidiger gibt. Es gibt viele, die Deutschlands Verhalten Belgien gegenüber angreifen, sehr wenige, die es verteidigen. Dasselbe gilt sür die Lusitania- Affäre. Es gibt aber auch viele, die die Blockadepolitik Englands, die Beschlüsse der Pariser Wirtschaftskonferenz und das Betragen der Russen in Ostpreußen und Galizien angreifen, und sehr wenige, die es verteidigen. Für Italien haben alle nur Verachtung; es gibt, so viel ich sehe, niemand, der es in Schutz nimmt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/192>, abgerufen am 23.07.2024.