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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Leopold der Zweite als erster Vorkämpfer Mitteleuropas

die Kosten der Expedition zu bestreiten, und Leopold der Zweite war auch ganz
einverstanden, aber es fehlten die Mittel, die große Expedition überhaupt erst
in Bewegung zu setzen. Leopold der Zweite aber wußte Rat.

Am 2. August 1889 machte der Belgierkönig sein Testament, worin er
Belgien zum Erben seines Kongostaates einsetzte; gleichzeitig begann ein lebhafter
Feldzug in der Presse gegen den Sklavenhandel der Araber. Der Kardinal
Lavigerie erließ seine flammenden Proteste gegen die "Pest Afrikas"; in Brüssel
bildete sich ein Antisklaverei - Komitee, und im Herbste 1889 gelangte ein
Regierungsantrag an die belgische Kammer, dem Kongostaate zur restlosen
Vernichtung des Sklavenhandels der Araber ein zinsfreies Darlehen von
fünfundzwanzig Millionen Franken zu gewähren. Während die belgische
Kammer in Phrasen von Menschlichkeit und Freiheit schwamm, die Bekanntgabe
des Testaments des Königs die Deputierten elektrisierte und eine große Mehrheit
die Regienmgsforderung glatt bewilligte, wurden im naheliegenden Königspalast
ganz andere Pläne besprochen. Die große Expedition nach dem Bahr el Ghazal
wurde in den Grundzügen festgesetzt und beschlossen; ferner wurde der erste
Schlag gegen die durch die internationalen Verträge garantierte Handelsfreiheit
im Kongostaat vorbereitet. Es wurde beschlossen, alle Elfenbein- und Kautschuk-
vorrüte in den Nord- und Nordost-Gebieten als Staatseigentum zu erklären
und den Handel auszuschalten.

Nach Bewilligung der Fünfundzwanzigmillionen-Anleihe durch die Kammer
wurden große Truppenmassen in Bewegung gesetzt, offiziell gegen die Araber,
die auch von April 1892 bis Januar 1894 bekriegt wurden; gleichzeitig aber
begann der von Vankerckhoven vorgeschlagene große Zug gegen das Bahr el Ghazal-
Gebiet. Der Vortrab der Expedition verließ im Dezember 1890 unter
Leutnant Ponthier den Stanley Pook. Alles Land vom Pook bis Jrebu mußte
Lebensmittel liefern.

Gleichzeitig wurde der Schlag gegen den freien Handel geführt. Am
19. November war Kapitän Coquilhat. König Leopolds Vertrauter, Vizegouverneur
geworden; bald darauf kam Baron Wahis mit geheimen Instruktionen. Er
brachte Zirkulare mit, die den Eingeborenen das selbständige Jagen von
Elefanten und Einsammeln von Elfenbein verboten; im September 1891 erging
ein Geheim-Dekret:


"Die Kommissare der Distrikte Aruwimi, Actie, Ubangi und die
Expeditionschefs am oberen Ubangi haben alle zweckdienlichen und
notwendigen Maßnahmen zu treffen, die Domanialvrodukte, besonders
Elfenbein und Kautschuk der staatlichen Verfügung zu reservieren."

Eine wenig später folgende Entscheidung machte bekannt, daß die Kaufleute
sich der Hehlerei schuldig machten, wenn sie Elfenbein und Kautschuk von den
Eingeborenen kauften.

Ein Sturm der Entrüstung selbst in Belgien erhob sich. Des Königs
Gehilfen Baron Lambremont und Dr. Banning sprachen sich gegen diese


Leopold der Zweite als erster Vorkämpfer Mitteleuropas

die Kosten der Expedition zu bestreiten, und Leopold der Zweite war auch ganz
einverstanden, aber es fehlten die Mittel, die große Expedition überhaupt erst
in Bewegung zu setzen. Leopold der Zweite aber wußte Rat.

Am 2. August 1889 machte der Belgierkönig sein Testament, worin er
Belgien zum Erben seines Kongostaates einsetzte; gleichzeitig begann ein lebhafter
Feldzug in der Presse gegen den Sklavenhandel der Araber. Der Kardinal
Lavigerie erließ seine flammenden Proteste gegen die „Pest Afrikas"; in Brüssel
bildete sich ein Antisklaverei - Komitee, und im Herbste 1889 gelangte ein
Regierungsantrag an die belgische Kammer, dem Kongostaate zur restlosen
Vernichtung des Sklavenhandels der Araber ein zinsfreies Darlehen von
fünfundzwanzig Millionen Franken zu gewähren. Während die belgische
Kammer in Phrasen von Menschlichkeit und Freiheit schwamm, die Bekanntgabe
des Testaments des Königs die Deputierten elektrisierte und eine große Mehrheit
die Regienmgsforderung glatt bewilligte, wurden im naheliegenden Königspalast
ganz andere Pläne besprochen. Die große Expedition nach dem Bahr el Ghazal
wurde in den Grundzügen festgesetzt und beschlossen; ferner wurde der erste
Schlag gegen die durch die internationalen Verträge garantierte Handelsfreiheit
im Kongostaat vorbereitet. Es wurde beschlossen, alle Elfenbein- und Kautschuk-
vorrüte in den Nord- und Nordost-Gebieten als Staatseigentum zu erklären
und den Handel auszuschalten.

Nach Bewilligung der Fünfundzwanzigmillionen-Anleihe durch die Kammer
wurden große Truppenmassen in Bewegung gesetzt, offiziell gegen die Araber,
die auch von April 1892 bis Januar 1894 bekriegt wurden; gleichzeitig aber
begann der von Vankerckhoven vorgeschlagene große Zug gegen das Bahr el Ghazal-
Gebiet. Der Vortrab der Expedition verließ im Dezember 1890 unter
Leutnant Ponthier den Stanley Pook. Alles Land vom Pook bis Jrebu mußte
Lebensmittel liefern.

Gleichzeitig wurde der Schlag gegen den freien Handel geführt. Am
19. November war Kapitän Coquilhat. König Leopolds Vertrauter, Vizegouverneur
geworden; bald darauf kam Baron Wahis mit geheimen Instruktionen. Er
brachte Zirkulare mit, die den Eingeborenen das selbständige Jagen von
Elefanten und Einsammeln von Elfenbein verboten; im September 1891 erging
ein Geheim-Dekret:


„Die Kommissare der Distrikte Aruwimi, Actie, Ubangi und die
Expeditionschefs am oberen Ubangi haben alle zweckdienlichen und
notwendigen Maßnahmen zu treffen, die Domanialvrodukte, besonders
Elfenbein und Kautschuk der staatlichen Verfügung zu reservieren."

Eine wenig später folgende Entscheidung machte bekannt, daß die Kaufleute
sich der Hehlerei schuldig machten, wenn sie Elfenbein und Kautschuk von den
Eingeborenen kauften.

Ein Sturm der Entrüstung selbst in Belgien erhob sich. Des Königs
Gehilfen Baron Lambremont und Dr. Banning sprachen sich gegen diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/408>, abgerufen am 28.07.2024.