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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Zur Seeschlacht am Skagerrak

Auch in Frankreich steht es nicht nach Wunsch. Dieser unser Gegner hat
sich bewundernswert gehalten und hält sich noch heute so, er ist also durchaus
nicht etwa mit Nußland zu vergleichen. Immerhin dürfen wir feststellen, daß die
französischen Reserven ihrem Ende nahe sind, die sorgfältig geschonten jungen
Mannschaften erliegen bei Verdun der Vernichtung und neues Menschenmaterial
zur Auffüllung wird immer schwerer herbeizuschaffen. Die Erschöpfung macht
sich auf Seiten unserer Gegner bemerkbar, nicht bei uns.

Und hierin liegt meines Erachtens der Grund für das Vorgehen der eng¬
lischen Flotte. Sie hat ihren Schlupfwinkel verlassen, weil eingesehen wurde,
daß die Rechnung falsch war, daß nicht Deutschland der Erschöpfung erliegen
würde, sondern die eigenen Bundesgenossen. Der englische Flottenangrisf ist
das laute und offene Eingeständnis, daß die Kräfte der Entente erschöpft sind,
daß mit ihrem Erliegen auch von seiten unserer Feinde gerechnet wird. Damit
bedeutet diese Seeschlacht auch zugleich das Eintreten in die Schlußphase des
Krieges. Die physischen Kräfte unserer Gegner lassen nach, während die deutschen
noch ungebrochen sind, das Ziel wirtschaftlicher Erschöpfung Deutschlands ist von
unseren Feinden nicht erreicht, und wird es um so weniger, je mehr wir uns mir
energischem Wollen den neu eingeführten Organisationen einpassen.

Dieser Bedeutung gegenüber verschwindet an sich die Frage des Erfolges. Und
so können wir uns ruhig damit abfinden, daß die Engländer ihre noch erhaltene Über"
macht ins Feld führen, wir können uns damit abfinden, daß von mancher neu¬
tralen Seite die Frage des Sieges offen gelassen wird, da man nicht wisse, wer
das Feld behalten, da von einer Verfolgung keine Rede sei. Uns genügt es,
daß unsere Blaujacken das geleistet haben, was wir von ihnen erwarten durften
und erwarteten, daß sie im Kampf gegen überwältigende Übermacht nicht nur
gut gestanden, sondern vielmehr dem Gegner weit schwerere Verluste beigefügt,
als sie selbst erlitten haben, und daß sie damit auch den Glauben an englische
Unüberwindlichkeit zerstört haben. Dieser Glaube ist dahin, wenn nicht in
kürzester Zeit England in einem neuen Zusammenstoß ihn neu befestigt --
dieser Möglichkeit wollen wir aber ruhig ins Auge sehen und uns sogar auf
diesen Augenblick freuen. Die laute Sprache der Seeschlacht am Skagerrak heißt:
Deutschland sieht in absehbarer Zeit einem siegreichen Frieden entgegen!




Zur Seeschlacht am Skagerrak

Auch in Frankreich steht es nicht nach Wunsch. Dieser unser Gegner hat
sich bewundernswert gehalten und hält sich noch heute so, er ist also durchaus
nicht etwa mit Nußland zu vergleichen. Immerhin dürfen wir feststellen, daß die
französischen Reserven ihrem Ende nahe sind, die sorgfältig geschonten jungen
Mannschaften erliegen bei Verdun der Vernichtung und neues Menschenmaterial
zur Auffüllung wird immer schwerer herbeizuschaffen. Die Erschöpfung macht
sich auf Seiten unserer Gegner bemerkbar, nicht bei uns.

Und hierin liegt meines Erachtens der Grund für das Vorgehen der eng¬
lischen Flotte. Sie hat ihren Schlupfwinkel verlassen, weil eingesehen wurde,
daß die Rechnung falsch war, daß nicht Deutschland der Erschöpfung erliegen
würde, sondern die eigenen Bundesgenossen. Der englische Flottenangrisf ist
das laute und offene Eingeständnis, daß die Kräfte der Entente erschöpft sind,
daß mit ihrem Erliegen auch von seiten unserer Feinde gerechnet wird. Damit
bedeutet diese Seeschlacht auch zugleich das Eintreten in die Schlußphase des
Krieges. Die physischen Kräfte unserer Gegner lassen nach, während die deutschen
noch ungebrochen sind, das Ziel wirtschaftlicher Erschöpfung Deutschlands ist von
unseren Feinden nicht erreicht, und wird es um so weniger, je mehr wir uns mir
energischem Wollen den neu eingeführten Organisationen einpassen.

Dieser Bedeutung gegenüber verschwindet an sich die Frage des Erfolges. Und
so können wir uns ruhig damit abfinden, daß die Engländer ihre noch erhaltene Über«
macht ins Feld führen, wir können uns damit abfinden, daß von mancher neu¬
tralen Seite die Frage des Sieges offen gelassen wird, da man nicht wisse, wer
das Feld behalten, da von einer Verfolgung keine Rede sei. Uns genügt es,
daß unsere Blaujacken das geleistet haben, was wir von ihnen erwarten durften
und erwarteten, daß sie im Kampf gegen überwältigende Übermacht nicht nur
gut gestanden, sondern vielmehr dem Gegner weit schwerere Verluste beigefügt,
als sie selbst erlitten haben, und daß sie damit auch den Glauben an englische
Unüberwindlichkeit zerstört haben. Dieser Glaube ist dahin, wenn nicht in
kürzester Zeit England in einem neuen Zusammenstoß ihn neu befestigt —
dieser Möglichkeit wollen wir aber ruhig ins Auge sehen und uns sogar auf
diesen Augenblick freuen. Die laute Sprache der Seeschlacht am Skagerrak heißt:
Deutschland sieht in absehbarer Zeit einem siegreichen Frieden entgegen!




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[0358] Zur Seeschlacht am Skagerrak Auch in Frankreich steht es nicht nach Wunsch. Dieser unser Gegner hat sich bewundernswert gehalten und hält sich noch heute so, er ist also durchaus nicht etwa mit Nußland zu vergleichen. Immerhin dürfen wir feststellen, daß die französischen Reserven ihrem Ende nahe sind, die sorgfältig geschonten jungen Mannschaften erliegen bei Verdun der Vernichtung und neues Menschenmaterial zur Auffüllung wird immer schwerer herbeizuschaffen. Die Erschöpfung macht sich auf Seiten unserer Gegner bemerkbar, nicht bei uns. Und hierin liegt meines Erachtens der Grund für das Vorgehen der eng¬ lischen Flotte. Sie hat ihren Schlupfwinkel verlassen, weil eingesehen wurde, daß die Rechnung falsch war, daß nicht Deutschland der Erschöpfung erliegen würde, sondern die eigenen Bundesgenossen. Der englische Flottenangrisf ist das laute und offene Eingeständnis, daß die Kräfte der Entente erschöpft sind, daß mit ihrem Erliegen auch von seiten unserer Feinde gerechnet wird. Damit bedeutet diese Seeschlacht auch zugleich das Eintreten in die Schlußphase des Krieges. Die physischen Kräfte unserer Gegner lassen nach, während die deutschen noch ungebrochen sind, das Ziel wirtschaftlicher Erschöpfung Deutschlands ist von unseren Feinden nicht erreicht, und wird es um so weniger, je mehr wir uns mir energischem Wollen den neu eingeführten Organisationen einpassen. Dieser Bedeutung gegenüber verschwindet an sich die Frage des Erfolges. Und so können wir uns ruhig damit abfinden, daß die Engländer ihre noch erhaltene Über« macht ins Feld führen, wir können uns damit abfinden, daß von mancher neu¬ tralen Seite die Frage des Sieges offen gelassen wird, da man nicht wisse, wer das Feld behalten, da von einer Verfolgung keine Rede sei. Uns genügt es, daß unsere Blaujacken das geleistet haben, was wir von ihnen erwarten durften und erwarteten, daß sie im Kampf gegen überwältigende Übermacht nicht nur gut gestanden, sondern vielmehr dem Gegner weit schwerere Verluste beigefügt, als sie selbst erlitten haben, und daß sie damit auch den Glauben an englische Unüberwindlichkeit zerstört haben. Dieser Glaube ist dahin, wenn nicht in kürzester Zeit England in einem neuen Zusammenstoß ihn neu befestigt — dieser Möglichkeit wollen wir aber ruhig ins Auge sehen und uns sogar auf diesen Augenblick freuen. Die laute Sprache der Seeschlacht am Skagerrak heißt: Deutschland sieht in absehbarer Zeit einem siegreichen Frieden entgegen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/358>, abgerufen am 27.07.2024.