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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Zur Seeschlacht am Skagerrak

die Rolle der englischen Flotte fest für den Vernichtungskampf gegen den
Nebenbuhler, Deutschland, zu dessen Durchführung schon damals das Miets¬
verhältnis mit unseren Gegnern durch England abgeschlossen wurde. Damals
zuerst drang der "Absperrplan" in die Öffentlichkeit, damals frohlockten die
"Times", daß England die Macht habe. "Deutschland zu einem langen, sich
hinschleppenden Kriege zu zwingen", und der Ausbau der Scapa-Flow in den
Orkneyinseln diente dem Zweck, "mit den überlegenen Massen an Kriegsschiffen
jeder Art mit Sicherheit auch die schottisch-norwegische Türe der Nordsee zu
verschließen."

Das war die Aufgabe der englischen Flotte. Während die anderen
Mächte auf dem Festland sich selbst verbluten und Deutschland zum Verbluten
bringen sollten-- je größer die beiderseitigen Verluste waren, um so mehr
wuchs Englands unangegriffene eigene Macht -- sollte die Flotte in der Linie
Dover--Calais und von Scapa-Flow aus Deutschland jede Zufuhr unter¬
binden und es wirtschaftlich völlig abschließen. Das Gros der englischen
Kampfflotte sollte zu diesem Zweck in Scapa-Flow stationiert werden, einer
ebenfalls stärkeren Flotte fiel die Aufgabe zu, die Straße von Dover- Calais
zu sperren, diese letztere sollte außerdem durch die französische Flotte verstärkt
werden können und zwischen beiden sollte als Verbindungsglied eine kleinere
Einheit in dem schottischen Kriegshafen von Rosyth bleiben, zum Schutze des
dortigen Kanals, der ungestörte Verbindung zwischen den beiden Flotteuteilen
ermöglichte. Wenn dann das abgesperrte Deutschland den, Erliegen nahe sei,
so würde, folgerte man, die deutsche Schlachtflotte zum Schluß gezwungen sein,
gegen eine der beiden Absperrflotten, sei es gegen die bei Scapa-Flow ver¬
sammelte, sei es gegen die englisch-französische bei Dover--Calais, offensiv
vorzugehen. In jedem Falle würde sie nach längerer Fahrt auf eine aus¬
geruhte, überlegene Streitmacht in eigenem, bekannten Gewässer stoßen, und
in jedem Falle würde die andere Hälfte der Flotte noch zeitig genug heran¬
kommen, um nicht nur den Rückzug abzuschneiden, sondern an der Vernichtungs¬
schlacht noch selbst teilzunehmen, die Deutschen in die Zange zu nehmen und
in einem durch Übermacht und günstige Bedingungen verhältnismäßig leichtem
Gefecht ein für allemal auszustreichen aus der Reihe der europäischen
Flottenmächte.

Diese Absicht sehen wir in dem ganzen Verhalten der englischen Flotte
bisher durchgeführt. Das Gros derselben blieb abwartend bei Scapa-Flow,
nicht im Versteck, sondern als Spinne im Netz. Die zweite Hälfte sperrte
Dover--Calais ab. Und so wartete man auf den Verzweiflungsangriff der der
Absperrungsnot erliegenden Deutschen.

Aber Deutschland erlag nicht! Seine Heere konnten zwar die feindliche
Übermacht nicht vernichten, aber sie drängten sie in offensiver Verteidigung
dauernd zurück, nicht auf deutschem, sondern auf französisch-russischem Boden
wurde der Krieg geführt, Dank eingehendster Organisation wurde der Mangel


Zur Seeschlacht am Skagerrak

die Rolle der englischen Flotte fest für den Vernichtungskampf gegen den
Nebenbuhler, Deutschland, zu dessen Durchführung schon damals das Miets¬
verhältnis mit unseren Gegnern durch England abgeschlossen wurde. Damals
zuerst drang der „Absperrplan" in die Öffentlichkeit, damals frohlockten die
„Times", daß England die Macht habe. „Deutschland zu einem langen, sich
hinschleppenden Kriege zu zwingen", und der Ausbau der Scapa-Flow in den
Orkneyinseln diente dem Zweck, „mit den überlegenen Massen an Kriegsschiffen
jeder Art mit Sicherheit auch die schottisch-norwegische Türe der Nordsee zu
verschließen."

Das war die Aufgabe der englischen Flotte. Während die anderen
Mächte auf dem Festland sich selbst verbluten und Deutschland zum Verbluten
bringen sollten— je größer die beiderseitigen Verluste waren, um so mehr
wuchs Englands unangegriffene eigene Macht — sollte die Flotte in der Linie
Dover—Calais und von Scapa-Flow aus Deutschland jede Zufuhr unter¬
binden und es wirtschaftlich völlig abschließen. Das Gros der englischen
Kampfflotte sollte zu diesem Zweck in Scapa-Flow stationiert werden, einer
ebenfalls stärkeren Flotte fiel die Aufgabe zu, die Straße von Dover- Calais
zu sperren, diese letztere sollte außerdem durch die französische Flotte verstärkt
werden können und zwischen beiden sollte als Verbindungsglied eine kleinere
Einheit in dem schottischen Kriegshafen von Rosyth bleiben, zum Schutze des
dortigen Kanals, der ungestörte Verbindung zwischen den beiden Flotteuteilen
ermöglichte. Wenn dann das abgesperrte Deutschland den, Erliegen nahe sei,
so würde, folgerte man, die deutsche Schlachtflotte zum Schluß gezwungen sein,
gegen eine der beiden Absperrflotten, sei es gegen die bei Scapa-Flow ver¬
sammelte, sei es gegen die englisch-französische bei Dover—Calais, offensiv
vorzugehen. In jedem Falle würde sie nach längerer Fahrt auf eine aus¬
geruhte, überlegene Streitmacht in eigenem, bekannten Gewässer stoßen, und
in jedem Falle würde die andere Hälfte der Flotte noch zeitig genug heran¬
kommen, um nicht nur den Rückzug abzuschneiden, sondern an der Vernichtungs¬
schlacht noch selbst teilzunehmen, die Deutschen in die Zange zu nehmen und
in einem durch Übermacht und günstige Bedingungen verhältnismäßig leichtem
Gefecht ein für allemal auszustreichen aus der Reihe der europäischen
Flottenmächte.

Diese Absicht sehen wir in dem ganzen Verhalten der englischen Flotte
bisher durchgeführt. Das Gros derselben blieb abwartend bei Scapa-Flow,
nicht im Versteck, sondern als Spinne im Netz. Die zweite Hälfte sperrte
Dover—Calais ab. Und so wartete man auf den Verzweiflungsangriff der der
Absperrungsnot erliegenden Deutschen.

Aber Deutschland erlag nicht! Seine Heere konnten zwar die feindliche
Übermacht nicht vernichten, aber sie drängten sie in offensiver Verteidigung
dauernd zurück, nicht auf deutschem, sondern auf französisch-russischem Boden
wurde der Krieg geführt, Dank eingehendster Organisation wurde der Mangel


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[0356] Zur Seeschlacht am Skagerrak die Rolle der englischen Flotte fest für den Vernichtungskampf gegen den Nebenbuhler, Deutschland, zu dessen Durchführung schon damals das Miets¬ verhältnis mit unseren Gegnern durch England abgeschlossen wurde. Damals zuerst drang der „Absperrplan" in die Öffentlichkeit, damals frohlockten die „Times", daß England die Macht habe. „Deutschland zu einem langen, sich hinschleppenden Kriege zu zwingen", und der Ausbau der Scapa-Flow in den Orkneyinseln diente dem Zweck, „mit den überlegenen Massen an Kriegsschiffen jeder Art mit Sicherheit auch die schottisch-norwegische Türe der Nordsee zu verschließen." Das war die Aufgabe der englischen Flotte. Während die anderen Mächte auf dem Festland sich selbst verbluten und Deutschland zum Verbluten bringen sollten— je größer die beiderseitigen Verluste waren, um so mehr wuchs Englands unangegriffene eigene Macht — sollte die Flotte in der Linie Dover—Calais und von Scapa-Flow aus Deutschland jede Zufuhr unter¬ binden und es wirtschaftlich völlig abschließen. Das Gros der englischen Kampfflotte sollte zu diesem Zweck in Scapa-Flow stationiert werden, einer ebenfalls stärkeren Flotte fiel die Aufgabe zu, die Straße von Dover- Calais zu sperren, diese letztere sollte außerdem durch die französische Flotte verstärkt werden können und zwischen beiden sollte als Verbindungsglied eine kleinere Einheit in dem schottischen Kriegshafen von Rosyth bleiben, zum Schutze des dortigen Kanals, der ungestörte Verbindung zwischen den beiden Flotteuteilen ermöglichte. Wenn dann das abgesperrte Deutschland den, Erliegen nahe sei, so würde, folgerte man, die deutsche Schlachtflotte zum Schluß gezwungen sein, gegen eine der beiden Absperrflotten, sei es gegen die bei Scapa-Flow ver¬ sammelte, sei es gegen die englisch-französische bei Dover—Calais, offensiv vorzugehen. In jedem Falle würde sie nach längerer Fahrt auf eine aus¬ geruhte, überlegene Streitmacht in eigenem, bekannten Gewässer stoßen, und in jedem Falle würde die andere Hälfte der Flotte noch zeitig genug heran¬ kommen, um nicht nur den Rückzug abzuschneiden, sondern an der Vernichtungs¬ schlacht noch selbst teilzunehmen, die Deutschen in die Zange zu nehmen und in einem durch Übermacht und günstige Bedingungen verhältnismäßig leichtem Gefecht ein für allemal auszustreichen aus der Reihe der europäischen Flottenmächte. Diese Absicht sehen wir in dem ganzen Verhalten der englischen Flotte bisher durchgeführt. Das Gros derselben blieb abwartend bei Scapa-Flow, nicht im Versteck, sondern als Spinne im Netz. Die zweite Hälfte sperrte Dover—Calais ab. Und so wartete man auf den Verzweiflungsangriff der der Absperrungsnot erliegenden Deutschen. Aber Deutschland erlag nicht! Seine Heere konnten zwar die feindliche Übermacht nicht vernichten, aber sie drängten sie in offensiver Verteidigung dauernd zurück, nicht auf deutschem, sondern auf französisch-russischem Boden wurde der Krieg geführt, Dank eingehendster Organisation wurde der Mangel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/356>, abgerufen am 27.07.2024.