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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Der Weltkrieg und die Streitbewegung in Europa

1916 begann, der Streik der 4000 dänischen Eisenarbeiter, der ebenfalls
im Februar 1916 einsetzte, der Streik der 6000 Ban- und Möbeltischler in
Dänemark vom Anfang April u. v. a. in. Von Interesse ist ein Streik von
250 Reservebremsern in Schweden. Dieser Arbeitskampf ist der erste im Be¬
reiche der schwedischen Staatsbahnen. Geringere Bedeutung hatte die Streit¬
bewegung in Holland während der Kriegszeit. Arbeitsniederlegungen fanden
hier nur in der Schiffahrt und den verwandten Hafenbetrieben statt. In der
Regel handelte es sich hier und zwar speziell bei den Seeleuten um Kriegsheuern
und Sonderbezahlung wegen der Kriegsgefahr. In der Schweiz wurde bei
Kriegsbeginn der allgemeine Burgfrieden proklamiert und die bestehenden Kampf¬
bewegungen -- bis auf eine in der Tabakindustrie zu Vevey -- abgebrochen.
Von den wenigen Streikbewegungen, die hier während der Kriegszeit zu be¬
obachten waren, sind die nennenswertesten der Streik der Bäckergehilfen zu Genf,
der partielle Streik der Tischler zu Zürich und neuerdings der Streik der Metall¬
arbeiter zu Winterthur, an welchem 1200 Personen beteiligt waren, und wodurch
die Wiedereinstellung zweier entlassener Vertrauensleute der Arbeiterorganisation
erzwungen werden sollte. Lebhafter war die Streitbewegung in Spanien. Hier
wurde im Juni 1915 ein größerer Aufstand der Bergarbeiter, der sich über
die ganze Provinz Asturien erstreckte, mit Erfolg der Streitenden beendet.
Weniger Erfolg hatten im November 1915 die Mechaniker und Heizer der
Eiseubahngesellschaft Südspaniens. Der Zugverkehr wurde hier von den
Ingenieuren der Gesellschaft aufrecht erhalten. Eine Bewegung von größerer
Bedeutung war ferner der Generalausstand der Metallarbeiter von Barcelona
vom Januar 1916, der nach Mitteilungen von "Temps" aus Madrid nach
ein paar Tagen infolge deS Entgegenkommens der Unternehmer beigelegt werden
konnte. Wie überall bei den Arbeitsstreitigkeiten in den südlichen Ländern, so
kam es auch in Spanien verschiedentlich zu blutigen Zusammenstößen zwischen
den Streitenden und den Wächtern der öffentlichen Sicherheit. So nahm
nach Madrider Meldungen vom Anfang März 1916 der Streik in La Union
bei Cartagena eine recht tragische Wendung. Eine Gießerei wurde von den
Streitenden gestürmt und es kam zu einem regelrechten Kampfe der Ausständigen
mit den Gendarmen und Wachtsoldaten. Hierbei wurden auf beiden Seiten
51 Personen getötet und 73 mehr oder weniger schwer verwundet.




Der Weltkrieg und die Streitbewegung in Europa

1916 begann, der Streik der 4000 dänischen Eisenarbeiter, der ebenfalls
im Februar 1916 einsetzte, der Streik der 6000 Ban- und Möbeltischler in
Dänemark vom Anfang April u. v. a. in. Von Interesse ist ein Streik von
250 Reservebremsern in Schweden. Dieser Arbeitskampf ist der erste im Be¬
reiche der schwedischen Staatsbahnen. Geringere Bedeutung hatte die Streit¬
bewegung in Holland während der Kriegszeit. Arbeitsniederlegungen fanden
hier nur in der Schiffahrt und den verwandten Hafenbetrieben statt. In der
Regel handelte es sich hier und zwar speziell bei den Seeleuten um Kriegsheuern
und Sonderbezahlung wegen der Kriegsgefahr. In der Schweiz wurde bei
Kriegsbeginn der allgemeine Burgfrieden proklamiert und die bestehenden Kampf¬
bewegungen — bis auf eine in der Tabakindustrie zu Vevey — abgebrochen.
Von den wenigen Streikbewegungen, die hier während der Kriegszeit zu be¬
obachten waren, sind die nennenswertesten der Streik der Bäckergehilfen zu Genf,
der partielle Streik der Tischler zu Zürich und neuerdings der Streik der Metall¬
arbeiter zu Winterthur, an welchem 1200 Personen beteiligt waren, und wodurch
die Wiedereinstellung zweier entlassener Vertrauensleute der Arbeiterorganisation
erzwungen werden sollte. Lebhafter war die Streitbewegung in Spanien. Hier
wurde im Juni 1915 ein größerer Aufstand der Bergarbeiter, der sich über
die ganze Provinz Asturien erstreckte, mit Erfolg der Streitenden beendet.
Weniger Erfolg hatten im November 1915 die Mechaniker und Heizer der
Eiseubahngesellschaft Südspaniens. Der Zugverkehr wurde hier von den
Ingenieuren der Gesellschaft aufrecht erhalten. Eine Bewegung von größerer
Bedeutung war ferner der Generalausstand der Metallarbeiter von Barcelona
vom Januar 1916, der nach Mitteilungen von „Temps" aus Madrid nach
ein paar Tagen infolge deS Entgegenkommens der Unternehmer beigelegt werden
konnte. Wie überall bei den Arbeitsstreitigkeiten in den südlichen Ländern, so
kam es auch in Spanien verschiedentlich zu blutigen Zusammenstößen zwischen
den Streitenden und den Wächtern der öffentlichen Sicherheit. So nahm
nach Madrider Meldungen vom Anfang März 1916 der Streik in La Union
bei Cartagena eine recht tragische Wendung. Eine Gießerei wurde von den
Streitenden gestürmt und es kam zu einem regelrechten Kampfe der Ausständigen
mit den Gendarmen und Wachtsoldaten. Hierbei wurden auf beiden Seiten
51 Personen getötet und 73 mehr oder weniger schwer verwundet.




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[0295] Der Weltkrieg und die Streitbewegung in Europa 1916 begann, der Streik der 4000 dänischen Eisenarbeiter, der ebenfalls im Februar 1916 einsetzte, der Streik der 6000 Ban- und Möbeltischler in Dänemark vom Anfang April u. v. a. in. Von Interesse ist ein Streik von 250 Reservebremsern in Schweden. Dieser Arbeitskampf ist der erste im Be¬ reiche der schwedischen Staatsbahnen. Geringere Bedeutung hatte die Streit¬ bewegung in Holland während der Kriegszeit. Arbeitsniederlegungen fanden hier nur in der Schiffahrt und den verwandten Hafenbetrieben statt. In der Regel handelte es sich hier und zwar speziell bei den Seeleuten um Kriegsheuern und Sonderbezahlung wegen der Kriegsgefahr. In der Schweiz wurde bei Kriegsbeginn der allgemeine Burgfrieden proklamiert und die bestehenden Kampf¬ bewegungen — bis auf eine in der Tabakindustrie zu Vevey — abgebrochen. Von den wenigen Streikbewegungen, die hier während der Kriegszeit zu be¬ obachten waren, sind die nennenswertesten der Streik der Bäckergehilfen zu Genf, der partielle Streik der Tischler zu Zürich und neuerdings der Streik der Metall¬ arbeiter zu Winterthur, an welchem 1200 Personen beteiligt waren, und wodurch die Wiedereinstellung zweier entlassener Vertrauensleute der Arbeiterorganisation erzwungen werden sollte. Lebhafter war die Streitbewegung in Spanien. Hier wurde im Juni 1915 ein größerer Aufstand der Bergarbeiter, der sich über die ganze Provinz Asturien erstreckte, mit Erfolg der Streitenden beendet. Weniger Erfolg hatten im November 1915 die Mechaniker und Heizer der Eiseubahngesellschaft Südspaniens. Der Zugverkehr wurde hier von den Ingenieuren der Gesellschaft aufrecht erhalten. Eine Bewegung von größerer Bedeutung war ferner der Generalausstand der Metallarbeiter von Barcelona vom Januar 1916, der nach Mitteilungen von „Temps" aus Madrid nach ein paar Tagen infolge deS Entgegenkommens der Unternehmer beigelegt werden konnte. Wie überall bei den Arbeitsstreitigkeiten in den südlichen Ländern, so kam es auch in Spanien verschiedentlich zu blutigen Zusammenstößen zwischen den Streitenden und den Wächtern der öffentlichen Sicherheit. So nahm nach Madrider Meldungen vom Anfang März 1916 der Streik in La Union bei Cartagena eine recht tragische Wendung. Eine Gießerei wurde von den Streitenden gestürmt und es kam zu einem regelrechten Kampfe der Ausständigen mit den Gendarmen und Wachtsoldaten. Hierbei wurden auf beiden Seiten 51 Personen getötet und 73 mehr oder weniger schwer verwundet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/295>, abgerufen am 28.07.2024.