Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.Künftige Welt-Blockpolitik hat, wird er also aufs Wirtschaftliche übertragen und damit ganz von selbst Da sind vor allem die Nachbarn. Noch am wenigsten zu fürchten ist der Seine Hauptindustrien im Westen aber verliert es jetzt, und aus dem Gefährlicher ist der westliche Nachbarblock. Niemand ist größeren Hasses Der Britenblock möchte sich also künftig den deutschen Handelserzeugnissen Ähnlich wird sich unser Verhältnis zu dem jungen nordamerikanischen Riesen Künftige Welt-Blockpolitik hat, wird er also aufs Wirtschaftliche übertragen und damit ganz von selbst Da sind vor allem die Nachbarn. Noch am wenigsten zu fürchten ist der Seine Hauptindustrien im Westen aber verliert es jetzt, und aus dem Gefährlicher ist der westliche Nachbarblock. Niemand ist größeren Hasses Der Britenblock möchte sich also künftig den deutschen Handelserzeugnissen Ähnlich wird sich unser Verhältnis zu dem jungen nordamerikanischen Riesen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330338"/> <fw type="header" place="top"> Künftige Welt-Blockpolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_791" prev="#ID_790"> hat, wird er also aufs Wirtschaftliche übertragen und damit ganz von selbst<lb/> ein Übergewicht über die Konkurrenzmächte gewinnen. Denn das versteht sich:<lb/> der wirtschaftliche Wettstreit wird, entsprechend der Größe der beteiligten<lb/> Gruppen, wahrhaft titanische Formen annehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_792"> Da sind vor allem die Nachbarn. Noch am wenigsten zu fürchten ist der<lb/> östliche. Rußland, das für feine Landwirtschaft die Ausfuhr braucht, wenn sie<lb/> nicht im eigenen Fett ersticken soll, kann auf die bequeme Abnehmerschaft der<lb/> Grenznachbarn nicht verzichten: je kürzer der Weg, um so billiger die Fracht,<lb/> um so höher der Gewinn.</p><lb/> <p xml:id="ID_793"> Seine Hauptindustrien im Westen aber verliert es jetzt, und aus dem<lb/> Boden stampfen sich neue Industrien nicht. So wird das industriell höher<lb/> entwickelte Ausland einspringen müssen, um das Zerstörte langsam zu ersetzen<lb/> und neuzubauen. Ob dies vorzugsweise England sein wird, wie es möchte,<lb/> oder Deutschland oder Amerika, ist die Frage. Die russischen Sympathien<lb/> werden wohl der anderen Gruppe zuneigen. Die harte wirtschaftliche Not¬<lb/> wendigkeit aber wird dafür sorgen, daß im unerschlossenen Neuland des Ostens<lb/> die leistungsfähigste der europäischen Industrieen nicht leer ausgeht. Und das<lb/> ist schon heute — nicht mehr England.</p><lb/> <p xml:id="ID_794"> Gefährlicher ist der westliche Nachbarblock. Niemand ist größeren Hasses<lb/> fähig als ein entthronter König. Und um die Vernichtung des britischen Welt-<lb/> Handelsmonopols geht es ja in diesem Kriege. Schon jetzt ist in der Briten¬<lb/> presse die wirtschaftliche Kampfansage bis aufs Messer erfolgt. Ja, mehr noch:<lb/> dieser Kampf kann durch die engere Zusammenschweißung Englands mit seinen<lb/> Kolonien den allerschärfsten Nachdruck erhalten. Der altbritische Imperialismus,<lb/> vordem kaum lebensfähig, wird durch diesen Krieg erst richtig zur Reife kommen.<lb/> „Wir hoffen," sagte jüngst Bonar Law zum australischen Premierminister, „nach<lb/> dem Kriege ein Reich zu schaffen, das für alle Zeiten einheitlich aufgebaut wird."</p><lb/> <p xml:id="ID_795"> Der Britenblock möchte sich also künftig den deutschen Handelserzeugnissen<lb/> grundsätzlich verschließen; Einfuhrverbote und Schutzzölle werden kommen, ja<lb/> selbst deutsche Angestellte und Geschäftsinhaber will man nicht dulden. Und<lb/> wenn auch hier nicht alles so heiß gegessen wie gekocht wird, so ist doch, je<lb/> länger der Krieg dauert, je weniger er Englands Hoffnungen entspricht, um so<lb/> mehr Aussicht, daß diese Pläne — wenigstens teilweise — verwirklicht werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_796" next="#ID_797"> Ähnlich wird sich unser Verhältnis zu dem jungen nordamerikanischen Riesen<lb/> gestalten. Dieser Staatenblock, der augenblicklich, auch wo er scheinbar für<lb/> England optiert, im Grunde lediglich seiner Geschäftskonjunktur nachgeht und<lb/> sich dadurch für kommende Kriege die furchtbarste Goldrüstung schafft, welche<lb/> die Erde sah, — dieser gewaltige Kontinentalblock wird auch nach dem Kriege,<lb/> frei von jeglicher Gefühlsduselei, als politischer Sonderstern seine eigene, nur<lb/> eine eigene Bahn laufen. Seine künftige Stellung zu uns wird demnach<lb/> ausschließlich von Nützlichkeitsfaktoren bestimmt werden, mit anderen Worten:<lb/> sie wird schwerlich freundschaftlich sein. Ahnt die geschäftskluge Union doch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0238]
Künftige Welt-Blockpolitik
hat, wird er also aufs Wirtschaftliche übertragen und damit ganz von selbst
ein Übergewicht über die Konkurrenzmächte gewinnen. Denn das versteht sich:
der wirtschaftliche Wettstreit wird, entsprechend der Größe der beteiligten
Gruppen, wahrhaft titanische Formen annehmen.
Da sind vor allem die Nachbarn. Noch am wenigsten zu fürchten ist der
östliche. Rußland, das für feine Landwirtschaft die Ausfuhr braucht, wenn sie
nicht im eigenen Fett ersticken soll, kann auf die bequeme Abnehmerschaft der
Grenznachbarn nicht verzichten: je kürzer der Weg, um so billiger die Fracht,
um so höher der Gewinn.
Seine Hauptindustrien im Westen aber verliert es jetzt, und aus dem
Boden stampfen sich neue Industrien nicht. So wird das industriell höher
entwickelte Ausland einspringen müssen, um das Zerstörte langsam zu ersetzen
und neuzubauen. Ob dies vorzugsweise England sein wird, wie es möchte,
oder Deutschland oder Amerika, ist die Frage. Die russischen Sympathien
werden wohl der anderen Gruppe zuneigen. Die harte wirtschaftliche Not¬
wendigkeit aber wird dafür sorgen, daß im unerschlossenen Neuland des Ostens
die leistungsfähigste der europäischen Industrieen nicht leer ausgeht. Und das
ist schon heute — nicht mehr England.
Gefährlicher ist der westliche Nachbarblock. Niemand ist größeren Hasses
fähig als ein entthronter König. Und um die Vernichtung des britischen Welt-
Handelsmonopols geht es ja in diesem Kriege. Schon jetzt ist in der Briten¬
presse die wirtschaftliche Kampfansage bis aufs Messer erfolgt. Ja, mehr noch:
dieser Kampf kann durch die engere Zusammenschweißung Englands mit seinen
Kolonien den allerschärfsten Nachdruck erhalten. Der altbritische Imperialismus,
vordem kaum lebensfähig, wird durch diesen Krieg erst richtig zur Reife kommen.
„Wir hoffen," sagte jüngst Bonar Law zum australischen Premierminister, „nach
dem Kriege ein Reich zu schaffen, das für alle Zeiten einheitlich aufgebaut wird."
Der Britenblock möchte sich also künftig den deutschen Handelserzeugnissen
grundsätzlich verschließen; Einfuhrverbote und Schutzzölle werden kommen, ja
selbst deutsche Angestellte und Geschäftsinhaber will man nicht dulden. Und
wenn auch hier nicht alles so heiß gegessen wie gekocht wird, so ist doch, je
länger der Krieg dauert, je weniger er Englands Hoffnungen entspricht, um so
mehr Aussicht, daß diese Pläne — wenigstens teilweise — verwirklicht werden.
Ähnlich wird sich unser Verhältnis zu dem jungen nordamerikanischen Riesen
gestalten. Dieser Staatenblock, der augenblicklich, auch wo er scheinbar für
England optiert, im Grunde lediglich seiner Geschäftskonjunktur nachgeht und
sich dadurch für kommende Kriege die furchtbarste Goldrüstung schafft, welche
die Erde sah, — dieser gewaltige Kontinentalblock wird auch nach dem Kriege,
frei von jeglicher Gefühlsduselei, als politischer Sonderstern seine eigene, nur
eine eigene Bahn laufen. Seine künftige Stellung zu uns wird demnach
ausschließlich von Nützlichkeitsfaktoren bestimmt werden, mit anderen Worten:
sie wird schwerlich freundschaftlich sein. Ahnt die geschäftskluge Union doch
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