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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Johann Adam Lramb als Imperialist

läutert. Athen nach der sizilischen Expedition, Rom nach der Niederlage bei
Carnac, England nach den Rosenkriegen des späten Mittelalters sind willkommene
Beispiele, um zu zeigen, wie sich der politische Geist aus dem Abgrund wieder
emporarbeitet. Die Engländer, welche zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts
als friedebringende Schicksalsengel in Indien erscheinen, zehren noch von all den
bitteren Erfahrungen der eigenen Bürgerkriege. Im Hinblick auf sie stellen sie
sich jetzt ganz von selbst in den Dienst des göttlichen Gesetzes. Aus dem Un¬
glück wird aber nicht nur Achtung vor Gesetzlichkeit, Gerechtigkeit und schließlich
Freiheit geboren, sondern auch Seelenstärke und Heroismus, wie sie in England
schon vor der Vernichtung der spanischen Armada mächtig zum Durchbruch ge¬
kommen sind. Es gibt zu denken, was Cramb unter den Äußerungen dieser
Seelenstärke aufzählt: die Entrüstung darüber, daß kein Engländer, sondern ein
Geruche Amerika entdeckt habe, und Seitens Schrift über das ^ore LIausum,
die er noch unter den Stuarts im Jahre 1635 als eine Theorie der englischen
Seeräuberherrschaft dem wahren Völkerrechte im ^lare I^iberum des Hugo
Grotius entgegensetzte.




Je mehr man mit den interessanten Gedankengängen Crambs vertraut
wird, um so häufiger wird man vom Unwillen ergriffen über die Maßlosigkeit
des englischen Dünkels. Das ist die Eigenschaft, die Idealisten vom Schlage
Crambs mit den Krämerseelen Altenglands durchaus gemein haben. Und dieses
Gift eines alles Maß und Ziel überschreitenden Dünkels hat schließlich in Eng¬
land mehr gewirkt als die idealistische Schale, in der es gereicht wird. Dem
Carl hat der Engländer immer willig und gerne gehuldigt und den lieben Gott
hat er immer bemüht, wenn er zu Eroberungen auszieht. Wenn das schon
während des Burenkrieges in den abschreckendsten Formen hervortrat, wie mögen
sich dann heute Carl und Dünkel verbrüdern, um die verhaßten Deutschen auch
auf dem geduldigen Papier unter die Füße zu treten. Wie das zu machen ist,
hat Cramb eindrucksvoll gezeigt. Gerade auf die englische Intelligenz mögen
solche Bücher mehr wirken, als die auch in England wahrhaftig nicht seltenen
Erzeugnisse einer blutrünstigen Greuelliteratur. Aber auch für den Deutschen
sind sie geschrieben. Denn er kann nicht oft genug in der äußerlich vornehmen,
innerlich haßverzerrten Physiognomie seines Todfeindes lesen.




Johann Adam Lramb als Imperialist

läutert. Athen nach der sizilischen Expedition, Rom nach der Niederlage bei
Carnac, England nach den Rosenkriegen des späten Mittelalters sind willkommene
Beispiele, um zu zeigen, wie sich der politische Geist aus dem Abgrund wieder
emporarbeitet. Die Engländer, welche zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts
als friedebringende Schicksalsengel in Indien erscheinen, zehren noch von all den
bitteren Erfahrungen der eigenen Bürgerkriege. Im Hinblick auf sie stellen sie
sich jetzt ganz von selbst in den Dienst des göttlichen Gesetzes. Aus dem Un¬
glück wird aber nicht nur Achtung vor Gesetzlichkeit, Gerechtigkeit und schließlich
Freiheit geboren, sondern auch Seelenstärke und Heroismus, wie sie in England
schon vor der Vernichtung der spanischen Armada mächtig zum Durchbruch ge¬
kommen sind. Es gibt zu denken, was Cramb unter den Äußerungen dieser
Seelenstärke aufzählt: die Entrüstung darüber, daß kein Engländer, sondern ein
Geruche Amerika entdeckt habe, und Seitens Schrift über das ^ore LIausum,
die er noch unter den Stuarts im Jahre 1635 als eine Theorie der englischen
Seeräuberherrschaft dem wahren Völkerrechte im ^lare I^iberum des Hugo
Grotius entgegensetzte.




Je mehr man mit den interessanten Gedankengängen Crambs vertraut
wird, um so häufiger wird man vom Unwillen ergriffen über die Maßlosigkeit
des englischen Dünkels. Das ist die Eigenschaft, die Idealisten vom Schlage
Crambs mit den Krämerseelen Altenglands durchaus gemein haben. Und dieses
Gift eines alles Maß und Ziel überschreitenden Dünkels hat schließlich in Eng¬
land mehr gewirkt als die idealistische Schale, in der es gereicht wird. Dem
Carl hat der Engländer immer willig und gerne gehuldigt und den lieben Gott
hat er immer bemüht, wenn er zu Eroberungen auszieht. Wenn das schon
während des Burenkrieges in den abschreckendsten Formen hervortrat, wie mögen
sich dann heute Carl und Dünkel verbrüdern, um die verhaßten Deutschen auch
auf dem geduldigen Papier unter die Füße zu treten. Wie das zu machen ist,
hat Cramb eindrucksvoll gezeigt. Gerade auf die englische Intelligenz mögen
solche Bücher mehr wirken, als die auch in England wahrhaftig nicht seltenen
Erzeugnisse einer blutrünstigen Greuelliteratur. Aber auch für den Deutschen
sind sie geschrieben. Denn er kann nicht oft genug in der äußerlich vornehmen,
innerlich haßverzerrten Physiognomie seines Todfeindes lesen.




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[0199] Johann Adam Lramb als Imperialist läutert. Athen nach der sizilischen Expedition, Rom nach der Niederlage bei Carnac, England nach den Rosenkriegen des späten Mittelalters sind willkommene Beispiele, um zu zeigen, wie sich der politische Geist aus dem Abgrund wieder emporarbeitet. Die Engländer, welche zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts als friedebringende Schicksalsengel in Indien erscheinen, zehren noch von all den bitteren Erfahrungen der eigenen Bürgerkriege. Im Hinblick auf sie stellen sie sich jetzt ganz von selbst in den Dienst des göttlichen Gesetzes. Aus dem Un¬ glück wird aber nicht nur Achtung vor Gesetzlichkeit, Gerechtigkeit und schließlich Freiheit geboren, sondern auch Seelenstärke und Heroismus, wie sie in England schon vor der Vernichtung der spanischen Armada mächtig zum Durchbruch ge¬ kommen sind. Es gibt zu denken, was Cramb unter den Äußerungen dieser Seelenstärke aufzählt: die Entrüstung darüber, daß kein Engländer, sondern ein Geruche Amerika entdeckt habe, und Seitens Schrift über das ^ore LIausum, die er noch unter den Stuarts im Jahre 1635 als eine Theorie der englischen Seeräuberherrschaft dem wahren Völkerrechte im ^lare I^iberum des Hugo Grotius entgegensetzte. Je mehr man mit den interessanten Gedankengängen Crambs vertraut wird, um so häufiger wird man vom Unwillen ergriffen über die Maßlosigkeit des englischen Dünkels. Das ist die Eigenschaft, die Idealisten vom Schlage Crambs mit den Krämerseelen Altenglands durchaus gemein haben. Und dieses Gift eines alles Maß und Ziel überschreitenden Dünkels hat schließlich in Eng¬ land mehr gewirkt als die idealistische Schale, in der es gereicht wird. Dem Carl hat der Engländer immer willig und gerne gehuldigt und den lieben Gott hat er immer bemüht, wenn er zu Eroberungen auszieht. Wenn das schon während des Burenkrieges in den abschreckendsten Formen hervortrat, wie mögen sich dann heute Carl und Dünkel verbrüdern, um die verhaßten Deutschen auch auf dem geduldigen Papier unter die Füße zu treten. Wie das zu machen ist, hat Cramb eindrucksvoll gezeigt. Gerade auf die englische Intelligenz mögen solche Bücher mehr wirken, als die auch in England wahrhaftig nicht seltenen Erzeugnisse einer blutrünstigen Greuelliteratur. Aber auch für den Deutschen sind sie geschrieben. Denn er kann nicht oft genug in der äußerlich vornehmen, innerlich haßverzerrten Physiognomie seines Todfeindes lesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/199>, abgerufen am 01.09.2024.