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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Johann Adam Lramb als Imperialist

der britischen Edelrasse. Bekannt ist die moralische Vernichtung des imperialisti¬
schen Räubers Warren Hastings durch einen der wahrhaft großen Engländer
der älteren Zeit, durch Edmund Burke. Wir sind heute nicht nur geneigt,
sondern auch berechtigt, in Hastings die Charakterzüge von Cecil Rhodes und
Horatio Kitchener vorgebildet zu finden. Bei Cramb ist aber natürlich nicht
der Staatsverbrecher Hastings, sondern vielmehr gerade sein moralischer Gegner
Burke der Prototyp des in eine ideale Sphäre hinausgehobenen modernen
englischen Imperialisten. Denn schon Burke sei für eine Weltmacht nicht der
Gewalt, fondern der Gerechtigkeit und der Freiheit eingetreten; er habe als
einer der ersten ein Ideal gepredigt, das im englischen Weltreiche seit den
letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, also während der unmittelbaren
Gegenwart und in der Epoche des Burenkrieges, der Verwirklichung entgegen¬
gehe. Seit Carlnle hat. wie man sieht, die englische Geschichtsklitterung beträcht¬
liche Fortschritte gemacht. Wie viel richtiger war es doch, wenn Carlyle seinen
Liebling Cromwell seinen Landsleuten als imperialistisches Muster vorhielt.
Eramb aber weiß es besser und vermag in Cromwell nicht einen Funken bewußt
imperialistischen Geistes zu entdecken. Anders beim jüngeren Pitt -- wenn er
den Sklavenhandel bekämpft -- oder bei Wilberforce und sogar bei Bentham
und den Chartisten.

Cramb idealisiert den englischen Imperialismus derart, daß er ihn sogar
über den alten römischen turmhoch erhebt. Denn die Römer hätten wohl
gesagt: Imperium et .lustitia, aber noch nicht: Imperium se l.ibertas,
Disrasli irre, wenn er das annehme. Und zwar ist England nach Crambs
Ansicht die erste Weltmacht, die sich mit ihrem Freiheitsgeiste und mit seiner
praktischen Verwirklichung über die alte römische erhoben und damit auch all
die späteren, die mittelalterlichen und neuzeitlichen Weltmächte, unter denen aber
die niederländische vorsichtigerweise nicht unausgeführt wird, hinter sich gelassen
hat. Auch sich selbst hat England hinter sich gelassen. Denn wäre es im
spanischen Erbfolgekriege untergegangen, so hätte es auf keinen anderen Namen
als Karthago oder Venedig Anspruch gehabt. Vnd sue were to perisn
now, it woulä be in pursuanes ot' a äesiZn wen'all nah no example in
tre reeoräeä annal8 of man. --

Es ist der Grundfehler dieses englischen Historikers und Imperialisten und
nicht nur dieses, daß er die innere und äußere Verwandtschaft des englischen
Weltreiches mit seinen Vorläufern nicht sieht oder nicht sehen will, daß er dem
englischen Weltreiche und besonders seinem inneren Geiste eine unvergleichliche
Sonderstellung zuweist, - die es nur in der hochmütigen Phantasie des Jnsel-
volkes zu behaupten vermag. Wieviel treffender hat hier der kenntnisreiche
und geistvolle schwedische Sozialist Gustaf F. Steffen in seinem höchst anregenden
Buche über Weltkrieg und Imperialismus die weltgeschichtlichen Zusammenhänge
des englischen Weltreiches aufgedeckt, freilich nicht zum Vorteile der englischen
Eroberer und Herrenmenschen.


Johann Adam Lramb als Imperialist

der britischen Edelrasse. Bekannt ist die moralische Vernichtung des imperialisti¬
schen Räubers Warren Hastings durch einen der wahrhaft großen Engländer
der älteren Zeit, durch Edmund Burke. Wir sind heute nicht nur geneigt,
sondern auch berechtigt, in Hastings die Charakterzüge von Cecil Rhodes und
Horatio Kitchener vorgebildet zu finden. Bei Cramb ist aber natürlich nicht
der Staatsverbrecher Hastings, sondern vielmehr gerade sein moralischer Gegner
Burke der Prototyp des in eine ideale Sphäre hinausgehobenen modernen
englischen Imperialisten. Denn schon Burke sei für eine Weltmacht nicht der
Gewalt, fondern der Gerechtigkeit und der Freiheit eingetreten; er habe als
einer der ersten ein Ideal gepredigt, das im englischen Weltreiche seit den
letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, also während der unmittelbaren
Gegenwart und in der Epoche des Burenkrieges, der Verwirklichung entgegen¬
gehe. Seit Carlnle hat. wie man sieht, die englische Geschichtsklitterung beträcht¬
liche Fortschritte gemacht. Wie viel richtiger war es doch, wenn Carlyle seinen
Liebling Cromwell seinen Landsleuten als imperialistisches Muster vorhielt.
Eramb aber weiß es besser und vermag in Cromwell nicht einen Funken bewußt
imperialistischen Geistes zu entdecken. Anders beim jüngeren Pitt — wenn er
den Sklavenhandel bekämpft — oder bei Wilberforce und sogar bei Bentham
und den Chartisten.

Cramb idealisiert den englischen Imperialismus derart, daß er ihn sogar
über den alten römischen turmhoch erhebt. Denn die Römer hätten wohl
gesagt: Imperium et .lustitia, aber noch nicht: Imperium se l.ibertas,
Disrasli irre, wenn er das annehme. Und zwar ist England nach Crambs
Ansicht die erste Weltmacht, die sich mit ihrem Freiheitsgeiste und mit seiner
praktischen Verwirklichung über die alte römische erhoben und damit auch all
die späteren, die mittelalterlichen und neuzeitlichen Weltmächte, unter denen aber
die niederländische vorsichtigerweise nicht unausgeführt wird, hinter sich gelassen
hat. Auch sich selbst hat England hinter sich gelassen. Denn wäre es im
spanischen Erbfolgekriege untergegangen, so hätte es auf keinen anderen Namen
als Karthago oder Venedig Anspruch gehabt. Vnd sue were to perisn
now, it woulä be in pursuanes ot' a äesiZn wen'all nah no example in
tre reeoräeä annal8 of man. —

Es ist der Grundfehler dieses englischen Historikers und Imperialisten und
nicht nur dieses, daß er die innere und äußere Verwandtschaft des englischen
Weltreiches mit seinen Vorläufern nicht sieht oder nicht sehen will, daß er dem
englischen Weltreiche und besonders seinem inneren Geiste eine unvergleichliche
Sonderstellung zuweist, - die es nur in der hochmütigen Phantasie des Jnsel-
volkes zu behaupten vermag. Wieviel treffender hat hier der kenntnisreiche
und geistvolle schwedische Sozialist Gustaf F. Steffen in seinem höchst anregenden
Buche über Weltkrieg und Imperialismus die weltgeschichtlichen Zusammenhänge
des englischen Weltreiches aufgedeckt, freilich nicht zum Vorteile der englischen
Eroberer und Herrenmenschen.


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[0197] Johann Adam Lramb als Imperialist der britischen Edelrasse. Bekannt ist die moralische Vernichtung des imperialisti¬ schen Räubers Warren Hastings durch einen der wahrhaft großen Engländer der älteren Zeit, durch Edmund Burke. Wir sind heute nicht nur geneigt, sondern auch berechtigt, in Hastings die Charakterzüge von Cecil Rhodes und Horatio Kitchener vorgebildet zu finden. Bei Cramb ist aber natürlich nicht der Staatsverbrecher Hastings, sondern vielmehr gerade sein moralischer Gegner Burke der Prototyp des in eine ideale Sphäre hinausgehobenen modernen englischen Imperialisten. Denn schon Burke sei für eine Weltmacht nicht der Gewalt, fondern der Gerechtigkeit und der Freiheit eingetreten; er habe als einer der ersten ein Ideal gepredigt, das im englischen Weltreiche seit den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, also während der unmittelbaren Gegenwart und in der Epoche des Burenkrieges, der Verwirklichung entgegen¬ gehe. Seit Carlnle hat. wie man sieht, die englische Geschichtsklitterung beträcht¬ liche Fortschritte gemacht. Wie viel richtiger war es doch, wenn Carlyle seinen Liebling Cromwell seinen Landsleuten als imperialistisches Muster vorhielt. Eramb aber weiß es besser und vermag in Cromwell nicht einen Funken bewußt imperialistischen Geistes zu entdecken. Anders beim jüngeren Pitt — wenn er den Sklavenhandel bekämpft — oder bei Wilberforce und sogar bei Bentham und den Chartisten. Cramb idealisiert den englischen Imperialismus derart, daß er ihn sogar über den alten römischen turmhoch erhebt. Denn die Römer hätten wohl gesagt: Imperium et .lustitia, aber noch nicht: Imperium se l.ibertas, Disrasli irre, wenn er das annehme. Und zwar ist England nach Crambs Ansicht die erste Weltmacht, die sich mit ihrem Freiheitsgeiste und mit seiner praktischen Verwirklichung über die alte römische erhoben und damit auch all die späteren, die mittelalterlichen und neuzeitlichen Weltmächte, unter denen aber die niederländische vorsichtigerweise nicht unausgeführt wird, hinter sich gelassen hat. Auch sich selbst hat England hinter sich gelassen. Denn wäre es im spanischen Erbfolgekriege untergegangen, so hätte es auf keinen anderen Namen als Karthago oder Venedig Anspruch gehabt. Vnd sue were to perisn now, it woulä be in pursuanes ot' a äesiZn wen'all nah no example in tre reeoräeä annal8 of man. — Es ist der Grundfehler dieses englischen Historikers und Imperialisten und nicht nur dieses, daß er die innere und äußere Verwandtschaft des englischen Weltreiches mit seinen Vorläufern nicht sieht oder nicht sehen will, daß er dem englischen Weltreiche und besonders seinem inneren Geiste eine unvergleichliche Sonderstellung zuweist, - die es nur in der hochmütigen Phantasie des Jnsel- volkes zu behaupten vermag. Wieviel treffender hat hier der kenntnisreiche und geistvolle schwedische Sozialist Gustaf F. Steffen in seinem höchst anregenden Buche über Weltkrieg und Imperialismus die weltgeschichtlichen Zusammenhänge des englischen Weltreiches aufgedeckt, freilich nicht zum Vorteile der englischen Eroberer und Herrenmenschen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/197>, abgerufen am 27.07.2024.