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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Türkische ZukunftsaufgabiM

jedem Fremdling mit einem langen, sehnsuchtsvollen Preisliede auf die ferne
Hauptstadt aufwarten.

In einem reinen Agmrstaate, n?le es die Türkei ist, können die Steuer¬
ertrüge nur durch rastlose Ausdehnung und Förderung des Ackerbaues gesteigert
werden. Wenn das in der rechten Weise geschieht, wird man schließlich auch
den unwürdigen Zustand überwinden, immer wieder zu äußeren Anleihen
greifen zu müssen, die nur durch Verpfändung wichtiger Einnahmequellen zu-
staudegebracht werden können. So Gott will, wird die Zeit, in der die Mittel¬
mächte und die Osmanen gemeinsame wirtschaftliche Ziele verfolgen, nach einer
recht großen Einheit gemessen werden können. Wollten unter solchen Ver¬
hältnissen unsere Industriellen die türkische Regierung zu allerlei kostspieligen,
aber nicht unbedingt nötigen Einrichtungen veranlassen, so glichen sie Menschen,
die eine kostbare Milchkuh schlachteten, weil sie augenblicklich nach einem
Stücke Fleisch gelüstete. Solange noch in der Türkei Millionen und aber
Millionen sür werbende Anstalten, Eisenbahnen, Talsperren, Bewässerungs¬
anlagen usw. gebraucht werden, sollte man alles das, was als kostspieliger
Zierart bezeichnet werden muß, unbedingt zurückstellen.

Unserer Meinung nach genügen schon diese kurzen Ausführungen, um den
deutschen Landsleuten zu zeigen, daß eine gesunde Erneuerung des osmanischen
Reiches vollauf im Bereiche der Möglichkeit liegt, und sie gleichzeitig davon
zu überzeugen, daß diese Aufgabe nur durch die treue Arbeit von Jahrzehnten
gelöst werden kann, und zwar durch eine Arbeit, die sich nicht im Lichte der
Öffentlichkeit, bei Empfängen und Paraden abspielt, sondern vor allem auf dem
Sturzäcker und in der Schulstube geleistet werden muß.




Türkische ZukunftsaufgabiM

jedem Fremdling mit einem langen, sehnsuchtsvollen Preisliede auf die ferne
Hauptstadt aufwarten.

In einem reinen Agmrstaate, n?le es die Türkei ist, können die Steuer¬
ertrüge nur durch rastlose Ausdehnung und Förderung des Ackerbaues gesteigert
werden. Wenn das in der rechten Weise geschieht, wird man schließlich auch
den unwürdigen Zustand überwinden, immer wieder zu äußeren Anleihen
greifen zu müssen, die nur durch Verpfändung wichtiger Einnahmequellen zu-
staudegebracht werden können. So Gott will, wird die Zeit, in der die Mittel¬
mächte und die Osmanen gemeinsame wirtschaftliche Ziele verfolgen, nach einer
recht großen Einheit gemessen werden können. Wollten unter solchen Ver¬
hältnissen unsere Industriellen die türkische Regierung zu allerlei kostspieligen,
aber nicht unbedingt nötigen Einrichtungen veranlassen, so glichen sie Menschen,
die eine kostbare Milchkuh schlachteten, weil sie augenblicklich nach einem
Stücke Fleisch gelüstete. Solange noch in der Türkei Millionen und aber
Millionen sür werbende Anstalten, Eisenbahnen, Talsperren, Bewässerungs¬
anlagen usw. gebraucht werden, sollte man alles das, was als kostspieliger
Zierart bezeichnet werden muß, unbedingt zurückstellen.

Unserer Meinung nach genügen schon diese kurzen Ausführungen, um den
deutschen Landsleuten zu zeigen, daß eine gesunde Erneuerung des osmanischen
Reiches vollauf im Bereiche der Möglichkeit liegt, und sie gleichzeitig davon
zu überzeugen, daß diese Aufgabe nur durch die treue Arbeit von Jahrzehnten
gelöst werden kann, und zwar durch eine Arbeit, die sich nicht im Lichte der
Öffentlichkeit, bei Empfängen und Paraden abspielt, sondern vor allem auf dem
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[0145] Türkische ZukunftsaufgabiM jedem Fremdling mit einem langen, sehnsuchtsvollen Preisliede auf die ferne Hauptstadt aufwarten. In einem reinen Agmrstaate, n?le es die Türkei ist, können die Steuer¬ ertrüge nur durch rastlose Ausdehnung und Förderung des Ackerbaues gesteigert werden. Wenn das in der rechten Weise geschieht, wird man schließlich auch den unwürdigen Zustand überwinden, immer wieder zu äußeren Anleihen greifen zu müssen, die nur durch Verpfändung wichtiger Einnahmequellen zu- staudegebracht werden können. So Gott will, wird die Zeit, in der die Mittel¬ mächte und die Osmanen gemeinsame wirtschaftliche Ziele verfolgen, nach einer recht großen Einheit gemessen werden können. Wollten unter solchen Ver¬ hältnissen unsere Industriellen die türkische Regierung zu allerlei kostspieligen, aber nicht unbedingt nötigen Einrichtungen veranlassen, so glichen sie Menschen, die eine kostbare Milchkuh schlachteten, weil sie augenblicklich nach einem Stücke Fleisch gelüstete. Solange noch in der Türkei Millionen und aber Millionen sür werbende Anstalten, Eisenbahnen, Talsperren, Bewässerungs¬ anlagen usw. gebraucht werden, sollte man alles das, was als kostspieliger Zierart bezeichnet werden muß, unbedingt zurückstellen. Unserer Meinung nach genügen schon diese kurzen Ausführungen, um den deutschen Landsleuten zu zeigen, daß eine gesunde Erneuerung des osmanischen Reiches vollauf im Bereiche der Möglichkeit liegt, und sie gleichzeitig davon zu überzeugen, daß diese Aufgabe nur durch die treue Arbeit von Jahrzehnten gelöst werden kann, und zwar durch eine Arbeit, die sich nicht im Lichte der Öffentlichkeit, bei Empfängen und Paraden abspielt, sondern vor allem auf dem Sturzäcker und in der Schulstube geleistet werden muß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/145>, abgerufen am 01.09.2024.