Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Besuch auf dem Lande

Rückstände bei der Kartoffelverbrennung gewinnt, mindestens ebenso groß ist?
Wer wird etwas anderes für die Kühe, für die Pferde, die Schweine beschaffen,
wenn wir für jedes andere Futter die fünf-, ja die zehnfachen Preise bezahlen
müssen? Fragt einmal Eure Pferdehalter in der Stadt, die Spediteure, die
Droschkenkutscher, fragt die Heeresverwaltung, was sie verfüttert hat, immer
wieder Kartoffeln, Kartoffelflocken, Kartoffelpräparate. Hätten wir keine Höchst¬
preise gehabt, so hätten wir jetzt auch Kartoffeln in Hülle und Fülle. Denn
wir Landwirte sind genau ebenso Kaufleute wie Ihr in den Städten. Wohin
würden wir kommen, wenn wir nicht den Rechenstift stets zur Hand nehmen
würden?

Jetzt haben wir Angst, daß Ihr uns noch unsere oft zum doppelten Preise
angekauften Saatkartoffeln wegbeschlagnahmen, wegorganisieren werdet. Deshalb
geht die Bestellung -- Ihr könnt uns dankbar dafür sein -- rüstig vorwärts.
Denn Ihr glaubt nicht, wozu ein Regierungsassessor, den der liebe Gott in
seinem Zorn erschaffen hat, fähig ist. Neulich haben alle Ortsschulzen bei uns
den Mas bekommen, hinter allen Bauern, die Kartoffeln stecken, hinterher zu
laufen und aufzupassen, daß sie nicht mehr als 8 Zentner auf den Morgen
setzen. Wie stellt sich der Mann die praktische Ausführung dieser Sache vor?
Da lachen ja die Hühner. Der Bauer, der geizig ist, wird schon gewiß nicht
mehr Kartoffeln verschwenden als nötig ist, und der Schulze hat besseres zu
tun als auf den Feldern den Ksrtoffelriecher zu machen. Nimmt es uns
Scheidemann übel, wenn wir da mehr Zutrauen zu unserer Land Wirtschafts-
kammer haben? Auch er wird wahrscheinlich einem Gewerkschaftskomitee den
Vorzug vor dem klügsten Regierungsassefsor geben. -- Aber da komme ich in
Harnisch. Lassen wir die Kartoffeln und kommen Sie mit auf das Feld.
Sehen Sie sich meinen Weiberstaat an.

Da geht die Kartoffellochmaschine, ein brillante Erfindung. I", wenn wir
die Maschinen nicht hätten I Ein Hurrah der deutschen Maschinenindustrie.
Früher fuhren wir mit den Markören auf dem Acker herum, markierter kreuz¬
weis und dann mußten die Frauen unter beständigem Bücken lochen und die
Kartoffeln setzen. Jetzt ist die Maschine Markör und Locher, die Frauen gehen
hinterher und treffen mit der größten Geschicklichkeit in die Löcher hinein, treten
das Loch fest und die Schaufelmaschine geht hinterher. Das federt prächtig.
Aber sehen Sie meine stramme Garde -- kein Mann. Die Amazonen machen
alles selbst, schleppen sogar die Kartoffeln vom Kasten bis zu den Setzerinnen
hin. Das ist noch gute Rasse. Eure Stadtweiblein würden es nicht machen. --

Wir kommen näher an die arbeitenden Frauen heran. Ein Scherzwort
des Herrn läßt sie munter lachen und alle freuen sich, als der alte gemütliche
Mann vorübergeht. -- So erhalte ich sie mir frisch. Solch ein Wort ist
mehr wert als die schönsten Ermahnungen. Sie alle weilen mit ihren Gedanken
da draußen -- wie Sie und ich.

Doch hier wird gedrillt. Wir müssen erst am Raps vorüber. Er steht


Ein Besuch auf dem Lande

Rückstände bei der Kartoffelverbrennung gewinnt, mindestens ebenso groß ist?
Wer wird etwas anderes für die Kühe, für die Pferde, die Schweine beschaffen,
wenn wir für jedes andere Futter die fünf-, ja die zehnfachen Preise bezahlen
müssen? Fragt einmal Eure Pferdehalter in der Stadt, die Spediteure, die
Droschkenkutscher, fragt die Heeresverwaltung, was sie verfüttert hat, immer
wieder Kartoffeln, Kartoffelflocken, Kartoffelpräparate. Hätten wir keine Höchst¬
preise gehabt, so hätten wir jetzt auch Kartoffeln in Hülle und Fülle. Denn
wir Landwirte sind genau ebenso Kaufleute wie Ihr in den Städten. Wohin
würden wir kommen, wenn wir nicht den Rechenstift stets zur Hand nehmen
würden?

Jetzt haben wir Angst, daß Ihr uns noch unsere oft zum doppelten Preise
angekauften Saatkartoffeln wegbeschlagnahmen, wegorganisieren werdet. Deshalb
geht die Bestellung — Ihr könnt uns dankbar dafür sein — rüstig vorwärts.
Denn Ihr glaubt nicht, wozu ein Regierungsassessor, den der liebe Gott in
seinem Zorn erschaffen hat, fähig ist. Neulich haben alle Ortsschulzen bei uns
den Mas bekommen, hinter allen Bauern, die Kartoffeln stecken, hinterher zu
laufen und aufzupassen, daß sie nicht mehr als 8 Zentner auf den Morgen
setzen. Wie stellt sich der Mann die praktische Ausführung dieser Sache vor?
Da lachen ja die Hühner. Der Bauer, der geizig ist, wird schon gewiß nicht
mehr Kartoffeln verschwenden als nötig ist, und der Schulze hat besseres zu
tun als auf den Feldern den Ksrtoffelriecher zu machen. Nimmt es uns
Scheidemann übel, wenn wir da mehr Zutrauen zu unserer Land Wirtschafts-
kammer haben? Auch er wird wahrscheinlich einem Gewerkschaftskomitee den
Vorzug vor dem klügsten Regierungsassefsor geben. — Aber da komme ich in
Harnisch. Lassen wir die Kartoffeln und kommen Sie mit auf das Feld.
Sehen Sie sich meinen Weiberstaat an.

Da geht die Kartoffellochmaschine, ein brillante Erfindung. I«, wenn wir
die Maschinen nicht hätten I Ein Hurrah der deutschen Maschinenindustrie.
Früher fuhren wir mit den Markören auf dem Acker herum, markierter kreuz¬
weis und dann mußten die Frauen unter beständigem Bücken lochen und die
Kartoffeln setzen. Jetzt ist die Maschine Markör und Locher, die Frauen gehen
hinterher und treffen mit der größten Geschicklichkeit in die Löcher hinein, treten
das Loch fest und die Schaufelmaschine geht hinterher. Das federt prächtig.
Aber sehen Sie meine stramme Garde — kein Mann. Die Amazonen machen
alles selbst, schleppen sogar die Kartoffeln vom Kasten bis zu den Setzerinnen
hin. Das ist noch gute Rasse. Eure Stadtweiblein würden es nicht machen. —

Wir kommen näher an die arbeitenden Frauen heran. Ein Scherzwort
des Herrn läßt sie munter lachen und alle freuen sich, als der alte gemütliche
Mann vorübergeht. — So erhalte ich sie mir frisch. Solch ein Wort ist
mehr wert als die schönsten Ermahnungen. Sie alle weilen mit ihren Gedanken
da draußen — wie Sie und ich.

Doch hier wird gedrillt. Wir müssen erst am Raps vorüber. Er steht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330234"/>
          <fw type="header" place="top"> Ein Besuch auf dem Lande</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_457" prev="#ID_456"> Rückstände bei der Kartoffelverbrennung gewinnt, mindestens ebenso groß ist?<lb/>
Wer wird etwas anderes für die Kühe, für die Pferde, die Schweine beschaffen,<lb/>
wenn wir für jedes andere Futter die fünf-, ja die zehnfachen Preise bezahlen<lb/>
müssen? Fragt einmal Eure Pferdehalter in der Stadt, die Spediteure, die<lb/>
Droschkenkutscher, fragt die Heeresverwaltung, was sie verfüttert hat, immer<lb/>
wieder Kartoffeln, Kartoffelflocken, Kartoffelpräparate. Hätten wir keine Höchst¬<lb/>
preise gehabt, so hätten wir jetzt auch Kartoffeln in Hülle und Fülle. Denn<lb/>
wir Landwirte sind genau ebenso Kaufleute wie Ihr in den Städten. Wohin<lb/>
würden wir kommen, wenn wir nicht den Rechenstift stets zur Hand nehmen<lb/>
würden?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_458"> Jetzt haben wir Angst, daß Ihr uns noch unsere oft zum doppelten Preise<lb/>
angekauften Saatkartoffeln wegbeschlagnahmen, wegorganisieren werdet. Deshalb<lb/>
geht die Bestellung &#x2014; Ihr könnt uns dankbar dafür sein &#x2014; rüstig vorwärts.<lb/>
Denn Ihr glaubt nicht, wozu ein Regierungsassessor, den der liebe Gott in<lb/>
seinem Zorn erschaffen hat, fähig ist. Neulich haben alle Ortsschulzen bei uns<lb/>
den Mas bekommen, hinter allen Bauern, die Kartoffeln stecken, hinterher zu<lb/>
laufen und aufzupassen, daß sie nicht mehr als 8 Zentner auf den Morgen<lb/>
setzen. Wie stellt sich der Mann die praktische Ausführung dieser Sache vor?<lb/>
Da lachen ja die Hühner. Der Bauer, der geizig ist, wird schon gewiß nicht<lb/>
mehr Kartoffeln verschwenden als nötig ist, und der Schulze hat besseres zu<lb/>
tun als auf den Feldern den Ksrtoffelriecher zu machen. Nimmt es uns<lb/>
Scheidemann übel, wenn wir da mehr Zutrauen zu unserer Land Wirtschafts-<lb/>
kammer haben? Auch er wird wahrscheinlich einem Gewerkschaftskomitee den<lb/>
Vorzug vor dem klügsten Regierungsassefsor geben. &#x2014; Aber da komme ich in<lb/>
Harnisch. Lassen wir die Kartoffeln und kommen Sie mit auf das Feld.<lb/>
Sehen Sie sich meinen Weiberstaat an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_459"> Da geht die Kartoffellochmaschine, ein brillante Erfindung. I«, wenn wir<lb/>
die Maschinen nicht hätten I Ein Hurrah der deutschen Maschinenindustrie.<lb/>
Früher fuhren wir mit den Markören auf dem Acker herum, markierter kreuz¬<lb/>
weis und dann mußten die Frauen unter beständigem Bücken lochen und die<lb/>
Kartoffeln setzen. Jetzt ist die Maschine Markör und Locher, die Frauen gehen<lb/>
hinterher und treffen mit der größten Geschicklichkeit in die Löcher hinein, treten<lb/>
das Loch fest und die Schaufelmaschine geht hinterher. Das federt prächtig.<lb/>
Aber sehen Sie meine stramme Garde &#x2014; kein Mann. Die Amazonen machen<lb/>
alles selbst, schleppen sogar die Kartoffeln vom Kasten bis zu den Setzerinnen<lb/>
hin. Das ist noch gute Rasse. Eure Stadtweiblein würden es nicht machen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_460"> Wir kommen näher an die arbeitenden Frauen heran. Ein Scherzwort<lb/>
des Herrn läßt sie munter lachen und alle freuen sich, als der alte gemütliche<lb/>
Mann vorübergeht. &#x2014; So erhalte ich sie mir frisch. Solch ein Wort ist<lb/>
mehr wert als die schönsten Ermahnungen. Sie alle weilen mit ihren Gedanken<lb/>
da draußen &#x2014; wie Sie und ich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_461" next="#ID_462"> Doch hier wird gedrillt. Wir müssen erst am Raps vorüber. Er steht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0134] Ein Besuch auf dem Lande Rückstände bei der Kartoffelverbrennung gewinnt, mindestens ebenso groß ist? Wer wird etwas anderes für die Kühe, für die Pferde, die Schweine beschaffen, wenn wir für jedes andere Futter die fünf-, ja die zehnfachen Preise bezahlen müssen? Fragt einmal Eure Pferdehalter in der Stadt, die Spediteure, die Droschkenkutscher, fragt die Heeresverwaltung, was sie verfüttert hat, immer wieder Kartoffeln, Kartoffelflocken, Kartoffelpräparate. Hätten wir keine Höchst¬ preise gehabt, so hätten wir jetzt auch Kartoffeln in Hülle und Fülle. Denn wir Landwirte sind genau ebenso Kaufleute wie Ihr in den Städten. Wohin würden wir kommen, wenn wir nicht den Rechenstift stets zur Hand nehmen würden? Jetzt haben wir Angst, daß Ihr uns noch unsere oft zum doppelten Preise angekauften Saatkartoffeln wegbeschlagnahmen, wegorganisieren werdet. Deshalb geht die Bestellung — Ihr könnt uns dankbar dafür sein — rüstig vorwärts. Denn Ihr glaubt nicht, wozu ein Regierungsassessor, den der liebe Gott in seinem Zorn erschaffen hat, fähig ist. Neulich haben alle Ortsschulzen bei uns den Mas bekommen, hinter allen Bauern, die Kartoffeln stecken, hinterher zu laufen und aufzupassen, daß sie nicht mehr als 8 Zentner auf den Morgen setzen. Wie stellt sich der Mann die praktische Ausführung dieser Sache vor? Da lachen ja die Hühner. Der Bauer, der geizig ist, wird schon gewiß nicht mehr Kartoffeln verschwenden als nötig ist, und der Schulze hat besseres zu tun als auf den Feldern den Ksrtoffelriecher zu machen. Nimmt es uns Scheidemann übel, wenn wir da mehr Zutrauen zu unserer Land Wirtschafts- kammer haben? Auch er wird wahrscheinlich einem Gewerkschaftskomitee den Vorzug vor dem klügsten Regierungsassefsor geben. — Aber da komme ich in Harnisch. Lassen wir die Kartoffeln und kommen Sie mit auf das Feld. Sehen Sie sich meinen Weiberstaat an. Da geht die Kartoffellochmaschine, ein brillante Erfindung. I«, wenn wir die Maschinen nicht hätten I Ein Hurrah der deutschen Maschinenindustrie. Früher fuhren wir mit den Markören auf dem Acker herum, markierter kreuz¬ weis und dann mußten die Frauen unter beständigem Bücken lochen und die Kartoffeln setzen. Jetzt ist die Maschine Markör und Locher, die Frauen gehen hinterher und treffen mit der größten Geschicklichkeit in die Löcher hinein, treten das Loch fest und die Schaufelmaschine geht hinterher. Das federt prächtig. Aber sehen Sie meine stramme Garde — kein Mann. Die Amazonen machen alles selbst, schleppen sogar die Kartoffeln vom Kasten bis zu den Setzerinnen hin. Das ist noch gute Rasse. Eure Stadtweiblein würden es nicht machen. — Wir kommen näher an die arbeitenden Frauen heran. Ein Scherzwort des Herrn läßt sie munter lachen und alle freuen sich, als der alte gemütliche Mann vorübergeht. — So erhalte ich sie mir frisch. Solch ein Wort ist mehr wert als die schönsten Ermahnungen. Sie alle weilen mit ihren Gedanken da draußen — wie Sie und ich. Doch hier wird gedrillt. Wir müssen erst am Raps vorüber. Er steht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/134
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/134>, abgerufen am 01.09.2024.