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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Friedensziele der Elektrotechnik

als Bannware wurde die Zufuhr dieses für die Textilindustrie wichtigen Roh¬
stoffes unterbunden und dieser Industriezweig empfindlich geschädigt. Soweit
Vorräte an Baumwolle im Inlande vorhanden waren oder herangeschafft werden
konnten, wurden sie größtenteils zu Militärtuchen verarbeitet. Zu ihrer Er¬
zeugung waren die vorhandenen Arbeitsmaschinen und Betriebskräfte aus¬
reichend. Die Jute- und Seiden-Industrie hat in Ermangelung der Rohstoffe,
letztere auch durch die Abnahme des Luxusbedürfnisses weiter Schichten der Be¬
völkerung, einen empfindlichen Verlust erlitten. Durch den Rückgang der Bau¬
tätigkeit hat die Produktion der keramischen Industrie stark abgenommen. Durch
das Unterbinden der Zufuhr von Rohgummi wurde die Gummiindustrie ins
Mark getroffen. Unsere Werften feiern, soweit sie nicht mit dem Bau von
Kriegsschiffen, Unterseebooten, Torpedos, Seculum und sonstigem Kriegsmaterial
beschäftigt sind. Da für alle diese Industriezweige die Elektrizität vielfach das
Betriebsmittel bildet, sind die Aufgaben reichhaltig, die auch der elektrotechnischen
Industrie nach dem Kriege bei der Beseitigung der genannten wirtschaftlichen
Schäden erwachsen werden. Auch die großzügigen Pläne der Elektrifizierung
der Vollbahnen, der Ausbau von städtischen und interkommunalen elektrischen
Kleinbahnen, Untergrundbahnen, deren Ausführung durch den Krieg ins Stocken
geraten ist, werden wieder aufgegriffen und der Verwirklichung entgegengeführt
werden. Mit der Wiederbelebung und Entfaltung der Volkswirtschaft wird der
bereits vor dem Kriege beschlossene Ausbau von Überlandkraftwerken, deren
Stromlieferung in manchen Gegenden erheblich abgenommen hat, Hand in Hand
gehen.

Am vielseitigsten und mannigfaltigsten sind aber die Aufgaben, die der
Elektrotechnik bei der Schaffung neuer volkswirtschaftlicher Werte erwachsen
werden. Die von ihr wie von einem Nervenzentrum ausgehende Kulturarbeit
wird die bis jetzt nur zum Teil oder garnicht ausgenützten Bodenschätze heben
und zum Wohle der Menschheit verwerten. Primitive und unvollkommene
Arbeitsmethoden werden verschwinden und durch die vollkommensten, auf der
Verwendung der Elektrizität als Betriebsmittel fußende Methoden ersetzt werden.
An großzügigen Plänen war schon vor dem Kriegsausbruch kein Mangel,
andere wiederum sind während des Krieges entstanden und durch ihn wirksam
befördert worden.

Unter diesen sind in erster Linie die Projekte zu nennen, die die weitcst-
gehende Ausnutzung der Wasserkräfte und Braunkohlenlager zur Erzeugung
elektrischer Energie bezwecken. Staat und Gemeindeverbände wetteifern mit¬
einander in der Errichtung großer Überlandkraftwerke, die weite Gebiete mit
billigem elektrischen Strom versorgen und dadurch die Kleinindustrie und die
Landwirtschaft unterstützen und heben werden. Je größer die Kraftwerke, um
so geringer sind die auf die Einheit der erzeugten Energie bezogenen Betriebs¬
kosten und, da die Kraftwerke dort errichtet werden sollen, wo hydraulische oder
kalorische Energie unmittelbar vorhanden, also infolge Wegfalles der Transport-


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Friedensziele der Elektrotechnik

als Bannware wurde die Zufuhr dieses für die Textilindustrie wichtigen Roh¬
stoffes unterbunden und dieser Industriezweig empfindlich geschädigt. Soweit
Vorräte an Baumwolle im Inlande vorhanden waren oder herangeschafft werden
konnten, wurden sie größtenteils zu Militärtuchen verarbeitet. Zu ihrer Er¬
zeugung waren die vorhandenen Arbeitsmaschinen und Betriebskräfte aus¬
reichend. Die Jute- und Seiden-Industrie hat in Ermangelung der Rohstoffe,
letztere auch durch die Abnahme des Luxusbedürfnisses weiter Schichten der Be¬
völkerung, einen empfindlichen Verlust erlitten. Durch den Rückgang der Bau¬
tätigkeit hat die Produktion der keramischen Industrie stark abgenommen. Durch
das Unterbinden der Zufuhr von Rohgummi wurde die Gummiindustrie ins
Mark getroffen. Unsere Werften feiern, soweit sie nicht mit dem Bau von
Kriegsschiffen, Unterseebooten, Torpedos, Seculum und sonstigem Kriegsmaterial
beschäftigt sind. Da für alle diese Industriezweige die Elektrizität vielfach das
Betriebsmittel bildet, sind die Aufgaben reichhaltig, die auch der elektrotechnischen
Industrie nach dem Kriege bei der Beseitigung der genannten wirtschaftlichen
Schäden erwachsen werden. Auch die großzügigen Pläne der Elektrifizierung
der Vollbahnen, der Ausbau von städtischen und interkommunalen elektrischen
Kleinbahnen, Untergrundbahnen, deren Ausführung durch den Krieg ins Stocken
geraten ist, werden wieder aufgegriffen und der Verwirklichung entgegengeführt
werden. Mit der Wiederbelebung und Entfaltung der Volkswirtschaft wird der
bereits vor dem Kriege beschlossene Ausbau von Überlandkraftwerken, deren
Stromlieferung in manchen Gegenden erheblich abgenommen hat, Hand in Hand
gehen.

Am vielseitigsten und mannigfaltigsten sind aber die Aufgaben, die der
Elektrotechnik bei der Schaffung neuer volkswirtschaftlicher Werte erwachsen
werden. Die von ihr wie von einem Nervenzentrum ausgehende Kulturarbeit
wird die bis jetzt nur zum Teil oder garnicht ausgenützten Bodenschätze heben
und zum Wohle der Menschheit verwerten. Primitive und unvollkommene
Arbeitsmethoden werden verschwinden und durch die vollkommensten, auf der
Verwendung der Elektrizität als Betriebsmittel fußende Methoden ersetzt werden.
An großzügigen Plänen war schon vor dem Kriegsausbruch kein Mangel,
andere wiederum sind während des Krieges entstanden und durch ihn wirksam
befördert worden.

Unter diesen sind in erster Linie die Projekte zu nennen, die die weitcst-
gehende Ausnutzung der Wasserkräfte und Braunkohlenlager zur Erzeugung
elektrischer Energie bezwecken. Staat und Gemeindeverbände wetteifern mit¬
einander in der Errichtung großer Überlandkraftwerke, die weite Gebiete mit
billigem elektrischen Strom versorgen und dadurch die Kleinindustrie und die
Landwirtschaft unterstützen und heben werden. Je größer die Kraftwerke, um
so geringer sind die auf die Einheit der erzeugten Energie bezogenen Betriebs¬
kosten und, da die Kraftwerke dort errichtet werden sollen, wo hydraulische oder
kalorische Energie unmittelbar vorhanden, also infolge Wegfalles der Transport-


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[0063] Friedensziele der Elektrotechnik als Bannware wurde die Zufuhr dieses für die Textilindustrie wichtigen Roh¬ stoffes unterbunden und dieser Industriezweig empfindlich geschädigt. Soweit Vorräte an Baumwolle im Inlande vorhanden waren oder herangeschafft werden konnten, wurden sie größtenteils zu Militärtuchen verarbeitet. Zu ihrer Er¬ zeugung waren die vorhandenen Arbeitsmaschinen und Betriebskräfte aus¬ reichend. Die Jute- und Seiden-Industrie hat in Ermangelung der Rohstoffe, letztere auch durch die Abnahme des Luxusbedürfnisses weiter Schichten der Be¬ völkerung, einen empfindlichen Verlust erlitten. Durch den Rückgang der Bau¬ tätigkeit hat die Produktion der keramischen Industrie stark abgenommen. Durch das Unterbinden der Zufuhr von Rohgummi wurde die Gummiindustrie ins Mark getroffen. Unsere Werften feiern, soweit sie nicht mit dem Bau von Kriegsschiffen, Unterseebooten, Torpedos, Seculum und sonstigem Kriegsmaterial beschäftigt sind. Da für alle diese Industriezweige die Elektrizität vielfach das Betriebsmittel bildet, sind die Aufgaben reichhaltig, die auch der elektrotechnischen Industrie nach dem Kriege bei der Beseitigung der genannten wirtschaftlichen Schäden erwachsen werden. Auch die großzügigen Pläne der Elektrifizierung der Vollbahnen, der Ausbau von städtischen und interkommunalen elektrischen Kleinbahnen, Untergrundbahnen, deren Ausführung durch den Krieg ins Stocken geraten ist, werden wieder aufgegriffen und der Verwirklichung entgegengeführt werden. Mit der Wiederbelebung und Entfaltung der Volkswirtschaft wird der bereits vor dem Kriege beschlossene Ausbau von Überlandkraftwerken, deren Stromlieferung in manchen Gegenden erheblich abgenommen hat, Hand in Hand gehen. Am vielseitigsten und mannigfaltigsten sind aber die Aufgaben, die der Elektrotechnik bei der Schaffung neuer volkswirtschaftlicher Werte erwachsen werden. Die von ihr wie von einem Nervenzentrum ausgehende Kulturarbeit wird die bis jetzt nur zum Teil oder garnicht ausgenützten Bodenschätze heben und zum Wohle der Menschheit verwerten. Primitive und unvollkommene Arbeitsmethoden werden verschwinden und durch die vollkommensten, auf der Verwendung der Elektrizität als Betriebsmittel fußende Methoden ersetzt werden. An großzügigen Plänen war schon vor dem Kriegsausbruch kein Mangel, andere wiederum sind während des Krieges entstanden und durch ihn wirksam befördert worden. Unter diesen sind in erster Linie die Projekte zu nennen, die die weitcst- gehende Ausnutzung der Wasserkräfte und Braunkohlenlager zur Erzeugung elektrischer Energie bezwecken. Staat und Gemeindeverbände wetteifern mit¬ einander in der Errichtung großer Überlandkraftwerke, die weite Gebiete mit billigem elektrischen Strom versorgen und dadurch die Kleinindustrie und die Landwirtschaft unterstützen und heben werden. Je größer die Kraftwerke, um so geringer sind die auf die Einheit der erzeugten Energie bezogenen Betriebs¬ kosten und, da die Kraftwerke dort errichtet werden sollen, wo hydraulische oder kalorische Energie unmittelbar vorhanden, also infolge Wegfalles der Transport- 4*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/63>, abgerufen am 28.01.2025.