Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.vom Kulturwert des Architekturstudiums ordentlich erleichtert, sie können nicht selten als das auf den knappsten Ausdruck Dabei ergibt sich allerdings eine Schwierigkeit: die verhältnismäßige Spär¬ Diese Mühe des Einlesens zu erleichtern, ist, soweit der Laie in Frage In diesem Sinne ist das unlängst erschienene Buch von Paul Frank!, vom Kulturwert des Architekturstudiums ordentlich erleichtert, sie können nicht selten als das auf den knappsten Ausdruck Dabei ergibt sich allerdings eine Schwierigkeit: die verhältnismäßige Spär¬ Diese Mühe des Einlesens zu erleichtern, ist, soweit der Laie in Frage In diesem Sinne ist das unlängst erschienene Buch von Paul Frank!, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330090"/> <fw type="header" place="top"> vom Kulturwert des Architekturstudiums</fw><lb/> <p xml:id="ID_1443" prev="#ID_1442"> ordentlich erleichtert, sie können nicht selten als das auf den knappsten Ausdruck<lb/> gebrachte Symbol der Bevölkerung gelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1444"> Dabei ergibt sich allerdings eine Schwierigkeit: die verhältnismäßige Spär¬<lb/> lichkeit guter neuerer Bauten. Der überwiegende Teil unserer bedeutenden<lb/> Architekturwerke stammt aus Zeiten, die eine andere Formensprache hatten als<lb/> die unsrige. Und wie man sich in die Sprache der Minnesänger oder Luthers<lb/> erst einlesen muß, so muß man auch die Sprache der Gothik oder Renaissance<lb/> erst verstehen lernen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1445"> Diese Mühe des Einlesens zu erleichtern, ist, soweit der Laie in Frage<lb/> kommt, die eigentliche Aufgabe der Architekturgeschichte. Sie macht die Zeichen<lb/> der Stilsprachen in ihrer Bedeutung klar, ermöglicht schnelleres und zugleich<lb/> durchdenkendes Lesen und Behalten, sie bereitet auf das Allgemeine vor und<lb/> läßt dadurch das Individuelle zu präziserem Ausdruck gelangen. Sie macht<lb/> den aufnehmenden Sinn empfänglich und schärft ihn, indem sie ihm das<lb/> Verschiedene ins Bewußtsein rückt, zur Aufnahme des gegenwärtig Angeschauten.<lb/> Allerdings ist in den meisten populären Handbüchern mit den üblichen Daten¬<lb/> reihen und Stiletikettea von einer Erfassung dieser Aufgaben noch wenig zu<lb/> merken, umso nachdrücklicher wird man deshalb auf Werke hinweisen müssen,<lb/> die ihnen gerecht werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1446" next="#ID_1447"> In diesem Sinne ist das unlängst erschienene Buch von Paul Frank!,<lb/> „Die Entwicklungsphasen der neueren Baukunst" (Verlag von B. G. Teubner<lb/> in Leipzig und Berlin 1914), nachdrücklich zu empfehlen. Es behandelt<lb/> in der Hauptsache den schon in Wölfflins erstem Hauptwerk betrachteten<lb/> Übergang von der Renaissance zum Barock und kommt auf Grund einer aus¬<lb/> gebreiteten Denkmälerkenntnis und guter Analyse zu sehr schönen Ergebnissen,<lb/> die vieles bisher im Dunkeln Liegende klären. Nach den Elementen der Bau¬<lb/> kunst: Raumform, Körperform, Erscheinungsform und Zweckgestnnung teilt<lb/> Fränkl seine Betrachtung ein (daß er nicht mit der letzteren begann, um sich<lb/> durch eine der üblichen kulturhistorischen Einleitungen, deren Problematisches er<lb/> vortrefflich darlegt, die Sache zu erleichtern, sei ihm hoch angerechnet) und<lb/> stellt folgendes fest: die Renaissance addiere in sich klare Räume, das Barock<lb/> teilt den Raum in Bruchstücke; die Renaissance bildet einen zentripetalen, in<lb/> sich geschlossenen Körper aus. das Barock gibt ein von irrationaler Bewegung<lb/> durchstürmtes Element; die Renaissance gibt klare, leicht faßbare Übersicht:<lb/> „Einsilbigkeit", das Barock „Vielbildigkeit", d. h. die Ansichten verändern sich<lb/> wesentlich unter verschiedenen Gesichtspunkten; die Renaissance endlich geht auf<lb/> Ausbildung einer Gesamtharmonie aus, das Barock hebt einzelne Töne hervor.<lb/> Das Rokoko aber bildet in allem eine Steigerung des Barock: der Raum<lb/> wird durch Benutzung infinitesimaler Raumformen kompliziert, die Bewegung<lb/> wirbelt durcheinander, die Überraschungen werden aufs höchste gesteigert, selbst<lb/> der Sakralbau bekommt das kapriziöse Weltmannstum, das im Profanbau<lb/> üblich wird. Einige besonders deutliche Beispiele mögen diese Skizze ergänzen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0422]
vom Kulturwert des Architekturstudiums
ordentlich erleichtert, sie können nicht selten als das auf den knappsten Ausdruck
gebrachte Symbol der Bevölkerung gelten.
Dabei ergibt sich allerdings eine Schwierigkeit: die verhältnismäßige Spär¬
lichkeit guter neuerer Bauten. Der überwiegende Teil unserer bedeutenden
Architekturwerke stammt aus Zeiten, die eine andere Formensprache hatten als
die unsrige. Und wie man sich in die Sprache der Minnesänger oder Luthers
erst einlesen muß, so muß man auch die Sprache der Gothik oder Renaissance
erst verstehen lernen.
Diese Mühe des Einlesens zu erleichtern, ist, soweit der Laie in Frage
kommt, die eigentliche Aufgabe der Architekturgeschichte. Sie macht die Zeichen
der Stilsprachen in ihrer Bedeutung klar, ermöglicht schnelleres und zugleich
durchdenkendes Lesen und Behalten, sie bereitet auf das Allgemeine vor und
läßt dadurch das Individuelle zu präziserem Ausdruck gelangen. Sie macht
den aufnehmenden Sinn empfänglich und schärft ihn, indem sie ihm das
Verschiedene ins Bewußtsein rückt, zur Aufnahme des gegenwärtig Angeschauten.
Allerdings ist in den meisten populären Handbüchern mit den üblichen Daten¬
reihen und Stiletikettea von einer Erfassung dieser Aufgaben noch wenig zu
merken, umso nachdrücklicher wird man deshalb auf Werke hinweisen müssen,
die ihnen gerecht werden.
In diesem Sinne ist das unlängst erschienene Buch von Paul Frank!,
„Die Entwicklungsphasen der neueren Baukunst" (Verlag von B. G. Teubner
in Leipzig und Berlin 1914), nachdrücklich zu empfehlen. Es behandelt
in der Hauptsache den schon in Wölfflins erstem Hauptwerk betrachteten
Übergang von der Renaissance zum Barock und kommt auf Grund einer aus¬
gebreiteten Denkmälerkenntnis und guter Analyse zu sehr schönen Ergebnissen,
die vieles bisher im Dunkeln Liegende klären. Nach den Elementen der Bau¬
kunst: Raumform, Körperform, Erscheinungsform und Zweckgestnnung teilt
Fränkl seine Betrachtung ein (daß er nicht mit der letzteren begann, um sich
durch eine der üblichen kulturhistorischen Einleitungen, deren Problematisches er
vortrefflich darlegt, die Sache zu erleichtern, sei ihm hoch angerechnet) und
stellt folgendes fest: die Renaissance addiere in sich klare Räume, das Barock
teilt den Raum in Bruchstücke; die Renaissance bildet einen zentripetalen, in
sich geschlossenen Körper aus. das Barock gibt ein von irrationaler Bewegung
durchstürmtes Element; die Renaissance gibt klare, leicht faßbare Übersicht:
„Einsilbigkeit", das Barock „Vielbildigkeit", d. h. die Ansichten verändern sich
wesentlich unter verschiedenen Gesichtspunkten; die Renaissance endlich geht auf
Ausbildung einer Gesamtharmonie aus, das Barock hebt einzelne Töne hervor.
Das Rokoko aber bildet in allem eine Steigerung des Barock: der Raum
wird durch Benutzung infinitesimaler Raumformen kompliziert, die Bewegung
wirbelt durcheinander, die Überraschungen werden aufs höchste gesteigert, selbst
der Sakralbau bekommt das kapriziöse Weltmannstum, das im Profanbau
üblich wird. Einige besonders deutliche Beispiele mögen diese Skizze ergänzen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |