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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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vom Mordrecht der Obrigkeit

Also der Germane wehrt solche Grundsätze des Romanen energisch von
sich ab -- ein ganz bezeichnendes Beispiel für die Tatsache, daß der politische
Mord, sowohl theoretisch als praktisch, im Germanentum nicht Fuß zu fassen
vermochte. Schon das an sich unpolitische Luthertum trug den Fanatismus,
der sich als letzten Mittels des Mordes bedient, nicht in seinem Schoß und die
Schwelle deutscher Fürstenhöfe ist nur zu ganz vereinzelten Malen von der
Blutwelle politischen Meuchelmordes befleckt worden. Unter Karl dem Fünften
und seinem Bruder Ferdinand, diesen Fürsten aus spanisch-italienischem Hause,
drohte auch Deutschland die Gefahr einer Einbürgerung der Mordberechtigung --
ich erinnere nur an den Tod des Kardinals Martinuzzi -- doch die rein
deutschen Fürstenhäuser, besonders die Hohenzollern, das betonen wir mit Stolz,
hielten ihren Schild frei von solchen Blut- und Schandflecken.

Von deutschen Städten führt die Chronik einzig Nürnberg an, das 1531
den Juden Salomon zu Altenzedlitz dingte, um Thomas von Absberg zu
ermorden, da sich die Stadt mitsamt ihren Bürgern nicht mehr anders vor
seinen Greueln und Gemalttaten schützen zu können glaubte.

Bei den übrigen Völkern germanischer Rasse tritt der politische Meuchel¬
mord auch nur vereinzelt auf, ausgenommen in England, von dem Fronde
in seiner l-Iistory ok LnZIanÄ meldet: "Es ist seltsam zu beobachten, wie der
offene Zweikampf aus dem Gebrauch gekommen ist und wie Mord die völlig
anerkannte Methode dafür geworden ist, sich eines politischen Gegners zu
entledigen."

Die Notlage der englischen Katholiken veranlaßte schon 1535 Papst Paul
den Dritten, gegen Heinrich den Achten den Bannstrahl zu schleudern, den Plus
der Fünfte 1570 gegen Elisabeth erneuerte. Englands Könige regierten dadurch
nur "ac facto" nicht, "ac jure" und waren den fremden Fürsten ebenso preis¬
gegeben wie jedem Verrat und jeder Verschwörung gegen ihr Leben, die, nach
päpstlichen Ausspruch, "hier zur Tugend wurden." Die mannigfachen Anschlags
gegen Elisabeth, die von der Partei der Maria Stuart ausgingen, sind zur
Genüge bekannt, auch Philipp der Zweite von Spanien sandte Mörder gegen
"die moderne Jesebel" aus und nennt "ihre Ermordung ein heiliges Unter-
nehmen, von dem zu hoffen steht, daß Gott es fördern wird". Die englische
Regierung ihrerseits war nicht weniger müßig im Schmieden und Bezahlen von
Mordplänen, die aber nur vereinzelt gelangen. Sie arbeitete mit Gift und
Dolch in den Niederlanden, in Spanien, am päpstlichen Hof, auch im eigenen
Lande werden unliebsame Minister auf heimtückische Art beiseite geschafft, immer
mit Billigung oder gar auf Anstiften der Regierung. Noch 1609 sprach
Jakob der Erste es in seiner Thronrede ganz brutal aus: "Dieselbe Macht
wie Gott besitzen Könige. Sie schaffen und vernichten ihre Untertanen, ge¬
bieten über ihr Leben und ihren Tod. Sie können mit ihren Untertanen ver¬
fahren wie mit Schachpuppen". Es wirkt heutzutage wie eine Ironie des
Schicksals, nach solch hochfahrenden Worten zu sehen, wie der englische König jetz.


vom Mordrecht der Obrigkeit

Also der Germane wehrt solche Grundsätze des Romanen energisch von
sich ab — ein ganz bezeichnendes Beispiel für die Tatsache, daß der politische
Mord, sowohl theoretisch als praktisch, im Germanentum nicht Fuß zu fassen
vermochte. Schon das an sich unpolitische Luthertum trug den Fanatismus,
der sich als letzten Mittels des Mordes bedient, nicht in seinem Schoß und die
Schwelle deutscher Fürstenhöfe ist nur zu ganz vereinzelten Malen von der
Blutwelle politischen Meuchelmordes befleckt worden. Unter Karl dem Fünften
und seinem Bruder Ferdinand, diesen Fürsten aus spanisch-italienischem Hause,
drohte auch Deutschland die Gefahr einer Einbürgerung der Mordberechtigung —
ich erinnere nur an den Tod des Kardinals Martinuzzi — doch die rein
deutschen Fürstenhäuser, besonders die Hohenzollern, das betonen wir mit Stolz,
hielten ihren Schild frei von solchen Blut- und Schandflecken.

Von deutschen Städten führt die Chronik einzig Nürnberg an, das 1531
den Juden Salomon zu Altenzedlitz dingte, um Thomas von Absberg zu
ermorden, da sich die Stadt mitsamt ihren Bürgern nicht mehr anders vor
seinen Greueln und Gemalttaten schützen zu können glaubte.

Bei den übrigen Völkern germanischer Rasse tritt der politische Meuchel¬
mord auch nur vereinzelt auf, ausgenommen in England, von dem Fronde
in seiner l-Iistory ok LnZIanÄ meldet: „Es ist seltsam zu beobachten, wie der
offene Zweikampf aus dem Gebrauch gekommen ist und wie Mord die völlig
anerkannte Methode dafür geworden ist, sich eines politischen Gegners zu
entledigen."

Die Notlage der englischen Katholiken veranlaßte schon 1535 Papst Paul
den Dritten, gegen Heinrich den Achten den Bannstrahl zu schleudern, den Plus
der Fünfte 1570 gegen Elisabeth erneuerte. Englands Könige regierten dadurch
nur „ac facto" nicht, „ac jure" und waren den fremden Fürsten ebenso preis¬
gegeben wie jedem Verrat und jeder Verschwörung gegen ihr Leben, die, nach
päpstlichen Ausspruch, „hier zur Tugend wurden." Die mannigfachen Anschlags
gegen Elisabeth, die von der Partei der Maria Stuart ausgingen, sind zur
Genüge bekannt, auch Philipp der Zweite von Spanien sandte Mörder gegen
„die moderne Jesebel" aus und nennt „ihre Ermordung ein heiliges Unter-
nehmen, von dem zu hoffen steht, daß Gott es fördern wird". Die englische
Regierung ihrerseits war nicht weniger müßig im Schmieden und Bezahlen von
Mordplänen, die aber nur vereinzelt gelangen. Sie arbeitete mit Gift und
Dolch in den Niederlanden, in Spanien, am päpstlichen Hof, auch im eigenen
Lande werden unliebsame Minister auf heimtückische Art beiseite geschafft, immer
mit Billigung oder gar auf Anstiften der Regierung. Noch 1609 sprach
Jakob der Erste es in seiner Thronrede ganz brutal aus: „Dieselbe Macht
wie Gott besitzen Könige. Sie schaffen und vernichten ihre Untertanen, ge¬
bieten über ihr Leben und ihren Tod. Sie können mit ihren Untertanen ver¬
fahren wie mit Schachpuppen". Es wirkt heutzutage wie eine Ironie des
Schicksals, nach solch hochfahrenden Worten zu sehen, wie der englische König jetz.


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[0419] vom Mordrecht der Obrigkeit Also der Germane wehrt solche Grundsätze des Romanen energisch von sich ab — ein ganz bezeichnendes Beispiel für die Tatsache, daß der politische Mord, sowohl theoretisch als praktisch, im Germanentum nicht Fuß zu fassen vermochte. Schon das an sich unpolitische Luthertum trug den Fanatismus, der sich als letzten Mittels des Mordes bedient, nicht in seinem Schoß und die Schwelle deutscher Fürstenhöfe ist nur zu ganz vereinzelten Malen von der Blutwelle politischen Meuchelmordes befleckt worden. Unter Karl dem Fünften und seinem Bruder Ferdinand, diesen Fürsten aus spanisch-italienischem Hause, drohte auch Deutschland die Gefahr einer Einbürgerung der Mordberechtigung — ich erinnere nur an den Tod des Kardinals Martinuzzi — doch die rein deutschen Fürstenhäuser, besonders die Hohenzollern, das betonen wir mit Stolz, hielten ihren Schild frei von solchen Blut- und Schandflecken. Von deutschen Städten führt die Chronik einzig Nürnberg an, das 1531 den Juden Salomon zu Altenzedlitz dingte, um Thomas von Absberg zu ermorden, da sich die Stadt mitsamt ihren Bürgern nicht mehr anders vor seinen Greueln und Gemalttaten schützen zu können glaubte. Bei den übrigen Völkern germanischer Rasse tritt der politische Meuchel¬ mord auch nur vereinzelt auf, ausgenommen in England, von dem Fronde in seiner l-Iistory ok LnZIanÄ meldet: „Es ist seltsam zu beobachten, wie der offene Zweikampf aus dem Gebrauch gekommen ist und wie Mord die völlig anerkannte Methode dafür geworden ist, sich eines politischen Gegners zu entledigen." Die Notlage der englischen Katholiken veranlaßte schon 1535 Papst Paul den Dritten, gegen Heinrich den Achten den Bannstrahl zu schleudern, den Plus der Fünfte 1570 gegen Elisabeth erneuerte. Englands Könige regierten dadurch nur „ac facto" nicht, „ac jure" und waren den fremden Fürsten ebenso preis¬ gegeben wie jedem Verrat und jeder Verschwörung gegen ihr Leben, die, nach päpstlichen Ausspruch, „hier zur Tugend wurden." Die mannigfachen Anschlags gegen Elisabeth, die von der Partei der Maria Stuart ausgingen, sind zur Genüge bekannt, auch Philipp der Zweite von Spanien sandte Mörder gegen „die moderne Jesebel" aus und nennt „ihre Ermordung ein heiliges Unter- nehmen, von dem zu hoffen steht, daß Gott es fördern wird". Die englische Regierung ihrerseits war nicht weniger müßig im Schmieden und Bezahlen von Mordplänen, die aber nur vereinzelt gelangen. Sie arbeitete mit Gift und Dolch in den Niederlanden, in Spanien, am päpstlichen Hof, auch im eigenen Lande werden unliebsame Minister auf heimtückische Art beiseite geschafft, immer mit Billigung oder gar auf Anstiften der Regierung. Noch 1609 sprach Jakob der Erste es in seiner Thronrede ganz brutal aus: „Dieselbe Macht wie Gott besitzen Könige. Sie schaffen und vernichten ihre Untertanen, ge¬ bieten über ihr Leben und ihren Tod. Sie können mit ihren Untertanen ver¬ fahren wie mit Schachpuppen". Es wirkt heutzutage wie eine Ironie des Schicksals, nach solch hochfahrenden Worten zu sehen, wie der englische König jetz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/419>, abgerufen am 15.01.2025.