Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Wiederaufbau Ostpreußens

lichen Bebauungsplan als Hauptbedingung stellen muß. Man darf sich dieses
Vorurteils freuen, da es aus gesunder, realpolitischer Grundlage ruht und da
es sich bei der Gleichartigkeit der meisten ostpreußischen Städte nach Aufbau
und Lebensbedingungen ohne weiteres verallgemeinern läßt.

Die nächst wichtige Tätigkeit neben den vorbereitenden Aufgaben der Be¬
bauungspläne liegt in der Beratung der Bauenden. Alle Bauanträge müssen
den Bezirksarchitekten vorgelegt werden. Die Zeichnungen sind von einem
Architekten oder Baumeister zu unterschreiben, der dann auch bei der Durch¬
führung des Baues verantwortlich bleibt. Diese Vorschrift ist für gewisse Teile
Ostpreußens insofern einschneidend, als besonders der masurische Bauer häufig
nicht nur den Bau seines Hauses, sondern auch viele Baustoffe selbst herstellt.
Bei diesen Verhältnissen wird dann aber wohl ohne Nachteil von Fall zu Fall
auf Ausnahmen von dieser Vorschrift erkannt werden können.

Neben der technischen Prüfung hat der Bezirksarchitekt auch die auf¬
gestellten Kostenanschläge stichprobenweise auf ihre berechtigte Preisstellung,
ferner die Verträge zwischen Architekten und Bauherren auf die Angemessen"
heit der Honorarforderungen zu prüfen, um Übervorteilungen und ungerecht¬
fertigte Preistreibereien zu vermeiden; also eine sozialwohlfahrtliche Kleinarbeit
von nicht geringer Bedeutung, die geeignet ist, den unsolider Elementen den
Boden abzugraben.

Eine besonders wichtige Rolle spielt hierbei auch die Entschädigungsfrage,
deren Behandlung ebenso Sache des Bezirksarchitekten ist. Die Art, wie es
hier von den ausführenden Organen der Staatsregierung verstanden worden
ist, die Entschädigungsfrage gleichsam zum Angelpunkt aller jener neuzeitlich-
kulturellen Bestrebungen zu machen, verdient besondere Beachtung. Die Ver¬
ordnung der beteiligten Ressortminister vom 20. August 1915, die diese Frage
regelt, darf als ein Meisterstück der Verwaltungskunst angesehen werden.

Nach der Allerhöchsten Verordnung vom 13. Januar 1915, die Ab¬
weisung über die vorläufige Ermittlung von Kriegsschäden und die Gewährung
einer staatlichen Vorentschädigung in den durch den Krieg unmittelbar be¬
rührten Landesteilen betreffend, ist bestimmt, daß die Schätzung der Brand-
und Trümmerschäden an Gebäuden nach dem Zeitwerte vom Juli 1914 --
also kurz vor Ausbruch des Krieges -- unter Abzug eines dem Alter und der
Abnutzung des Gebäudes entsprechenden Betrages erfolgen muß.

Ob die Versicherungssumme diesen Wert erreicht, oder ob überhaupt ver¬
sichert war, ist gleichgültig. Um nun aber den Wiederaufbau nach neuzeit¬
lichen Grundsätzen in bezug auf technische und hygienische Verbesserungen
sicherzustellen, ist durch die oben angeführte Verordnung vom 20. August 1915
gewährleistet:

1. Ein Zuschlag zu der Schätzung, welcher der Lohnerhöhung und der
seither durch den Krieg bedingten Preissteigerung gegenüber den Kosten eines
Neubaues im Juli 1914 entspricht.


Der Wiederaufbau Ostpreußens

lichen Bebauungsplan als Hauptbedingung stellen muß. Man darf sich dieses
Vorurteils freuen, da es aus gesunder, realpolitischer Grundlage ruht und da
es sich bei der Gleichartigkeit der meisten ostpreußischen Städte nach Aufbau
und Lebensbedingungen ohne weiteres verallgemeinern läßt.

Die nächst wichtige Tätigkeit neben den vorbereitenden Aufgaben der Be¬
bauungspläne liegt in der Beratung der Bauenden. Alle Bauanträge müssen
den Bezirksarchitekten vorgelegt werden. Die Zeichnungen sind von einem
Architekten oder Baumeister zu unterschreiben, der dann auch bei der Durch¬
führung des Baues verantwortlich bleibt. Diese Vorschrift ist für gewisse Teile
Ostpreußens insofern einschneidend, als besonders der masurische Bauer häufig
nicht nur den Bau seines Hauses, sondern auch viele Baustoffe selbst herstellt.
Bei diesen Verhältnissen wird dann aber wohl ohne Nachteil von Fall zu Fall
auf Ausnahmen von dieser Vorschrift erkannt werden können.

Neben der technischen Prüfung hat der Bezirksarchitekt auch die auf¬
gestellten Kostenanschläge stichprobenweise auf ihre berechtigte Preisstellung,
ferner die Verträge zwischen Architekten und Bauherren auf die Angemessen»
heit der Honorarforderungen zu prüfen, um Übervorteilungen und ungerecht¬
fertigte Preistreibereien zu vermeiden; also eine sozialwohlfahrtliche Kleinarbeit
von nicht geringer Bedeutung, die geeignet ist, den unsolider Elementen den
Boden abzugraben.

Eine besonders wichtige Rolle spielt hierbei auch die Entschädigungsfrage,
deren Behandlung ebenso Sache des Bezirksarchitekten ist. Die Art, wie es
hier von den ausführenden Organen der Staatsregierung verstanden worden
ist, die Entschädigungsfrage gleichsam zum Angelpunkt aller jener neuzeitlich-
kulturellen Bestrebungen zu machen, verdient besondere Beachtung. Die Ver¬
ordnung der beteiligten Ressortminister vom 20. August 1915, die diese Frage
regelt, darf als ein Meisterstück der Verwaltungskunst angesehen werden.

Nach der Allerhöchsten Verordnung vom 13. Januar 1915, die Ab¬
weisung über die vorläufige Ermittlung von Kriegsschäden und die Gewährung
einer staatlichen Vorentschädigung in den durch den Krieg unmittelbar be¬
rührten Landesteilen betreffend, ist bestimmt, daß die Schätzung der Brand-
und Trümmerschäden an Gebäuden nach dem Zeitwerte vom Juli 1914 —
also kurz vor Ausbruch des Krieges — unter Abzug eines dem Alter und der
Abnutzung des Gebäudes entsprechenden Betrages erfolgen muß.

Ob die Versicherungssumme diesen Wert erreicht, oder ob überhaupt ver¬
sichert war, ist gleichgültig. Um nun aber den Wiederaufbau nach neuzeit¬
lichen Grundsätzen in bezug auf technische und hygienische Verbesserungen
sicherzustellen, ist durch die oben angeführte Verordnung vom 20. August 1915
gewährleistet:

1. Ein Zuschlag zu der Schätzung, welcher der Lohnerhöhung und der
seither durch den Krieg bedingten Preissteigerung gegenüber den Kosten eines
Neubaues im Juli 1914 entspricht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0408" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330076"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Wiederaufbau Ostpreußens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1385" prev="#ID_1384"> lichen Bebauungsplan als Hauptbedingung stellen muß. Man darf sich dieses<lb/>
Vorurteils freuen, da es aus gesunder, realpolitischer Grundlage ruht und da<lb/>
es sich bei der Gleichartigkeit der meisten ostpreußischen Städte nach Aufbau<lb/>
und Lebensbedingungen ohne weiteres verallgemeinern läßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1386"> Die nächst wichtige Tätigkeit neben den vorbereitenden Aufgaben der Be¬<lb/>
bauungspläne liegt in der Beratung der Bauenden. Alle Bauanträge müssen<lb/>
den Bezirksarchitekten vorgelegt werden. Die Zeichnungen sind von einem<lb/>
Architekten oder Baumeister zu unterschreiben, der dann auch bei der Durch¬<lb/>
führung des Baues verantwortlich bleibt. Diese Vorschrift ist für gewisse Teile<lb/>
Ostpreußens insofern einschneidend, als besonders der masurische Bauer häufig<lb/>
nicht nur den Bau seines Hauses, sondern auch viele Baustoffe selbst herstellt.<lb/>
Bei diesen Verhältnissen wird dann aber wohl ohne Nachteil von Fall zu Fall<lb/>
auf Ausnahmen von dieser Vorschrift erkannt werden können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1387"> Neben der technischen Prüfung hat der Bezirksarchitekt auch die auf¬<lb/>
gestellten Kostenanschläge stichprobenweise auf ihre berechtigte Preisstellung,<lb/>
ferner die Verträge zwischen Architekten und Bauherren auf die Angemessen»<lb/>
heit der Honorarforderungen zu prüfen, um Übervorteilungen und ungerecht¬<lb/>
fertigte Preistreibereien zu vermeiden; also eine sozialwohlfahrtliche Kleinarbeit<lb/>
von nicht geringer Bedeutung, die geeignet ist, den unsolider Elementen den<lb/>
Boden abzugraben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1388"> Eine besonders wichtige Rolle spielt hierbei auch die Entschädigungsfrage,<lb/>
deren Behandlung ebenso Sache des Bezirksarchitekten ist. Die Art, wie es<lb/>
hier von den ausführenden Organen der Staatsregierung verstanden worden<lb/>
ist, die Entschädigungsfrage gleichsam zum Angelpunkt aller jener neuzeitlich-<lb/>
kulturellen Bestrebungen zu machen, verdient besondere Beachtung. Die Ver¬<lb/>
ordnung der beteiligten Ressortminister vom 20. August 1915, die diese Frage<lb/>
regelt, darf als ein Meisterstück der Verwaltungskunst angesehen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1389"> Nach der Allerhöchsten Verordnung vom 13. Januar 1915, die Ab¬<lb/>
weisung über die vorläufige Ermittlung von Kriegsschäden und die Gewährung<lb/>
einer staatlichen Vorentschädigung in den durch den Krieg unmittelbar be¬<lb/>
rührten Landesteilen betreffend, ist bestimmt, daß die Schätzung der Brand-<lb/>
und Trümmerschäden an Gebäuden nach dem Zeitwerte vom Juli 1914 &#x2014;<lb/>
also kurz vor Ausbruch des Krieges &#x2014; unter Abzug eines dem Alter und der<lb/>
Abnutzung des Gebäudes entsprechenden Betrages erfolgen muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1390"> Ob die Versicherungssumme diesen Wert erreicht, oder ob überhaupt ver¬<lb/>
sichert war, ist gleichgültig. Um nun aber den Wiederaufbau nach neuzeit¬<lb/>
lichen Grundsätzen in bezug auf technische und hygienische Verbesserungen<lb/>
sicherzustellen, ist durch die oben angeführte Verordnung vom 20. August 1915<lb/>
gewährleistet:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1391"> 1. Ein Zuschlag zu der Schätzung, welcher der Lohnerhöhung und der<lb/>
seither durch den Krieg bedingten Preissteigerung gegenüber den Kosten eines<lb/>
Neubaues im Juli 1914 entspricht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0408] Der Wiederaufbau Ostpreußens lichen Bebauungsplan als Hauptbedingung stellen muß. Man darf sich dieses Vorurteils freuen, da es aus gesunder, realpolitischer Grundlage ruht und da es sich bei der Gleichartigkeit der meisten ostpreußischen Städte nach Aufbau und Lebensbedingungen ohne weiteres verallgemeinern läßt. Die nächst wichtige Tätigkeit neben den vorbereitenden Aufgaben der Be¬ bauungspläne liegt in der Beratung der Bauenden. Alle Bauanträge müssen den Bezirksarchitekten vorgelegt werden. Die Zeichnungen sind von einem Architekten oder Baumeister zu unterschreiben, der dann auch bei der Durch¬ führung des Baues verantwortlich bleibt. Diese Vorschrift ist für gewisse Teile Ostpreußens insofern einschneidend, als besonders der masurische Bauer häufig nicht nur den Bau seines Hauses, sondern auch viele Baustoffe selbst herstellt. Bei diesen Verhältnissen wird dann aber wohl ohne Nachteil von Fall zu Fall auf Ausnahmen von dieser Vorschrift erkannt werden können. Neben der technischen Prüfung hat der Bezirksarchitekt auch die auf¬ gestellten Kostenanschläge stichprobenweise auf ihre berechtigte Preisstellung, ferner die Verträge zwischen Architekten und Bauherren auf die Angemessen» heit der Honorarforderungen zu prüfen, um Übervorteilungen und ungerecht¬ fertigte Preistreibereien zu vermeiden; also eine sozialwohlfahrtliche Kleinarbeit von nicht geringer Bedeutung, die geeignet ist, den unsolider Elementen den Boden abzugraben. Eine besonders wichtige Rolle spielt hierbei auch die Entschädigungsfrage, deren Behandlung ebenso Sache des Bezirksarchitekten ist. Die Art, wie es hier von den ausführenden Organen der Staatsregierung verstanden worden ist, die Entschädigungsfrage gleichsam zum Angelpunkt aller jener neuzeitlich- kulturellen Bestrebungen zu machen, verdient besondere Beachtung. Die Ver¬ ordnung der beteiligten Ressortminister vom 20. August 1915, die diese Frage regelt, darf als ein Meisterstück der Verwaltungskunst angesehen werden. Nach der Allerhöchsten Verordnung vom 13. Januar 1915, die Ab¬ weisung über die vorläufige Ermittlung von Kriegsschäden und die Gewährung einer staatlichen Vorentschädigung in den durch den Krieg unmittelbar be¬ rührten Landesteilen betreffend, ist bestimmt, daß die Schätzung der Brand- und Trümmerschäden an Gebäuden nach dem Zeitwerte vom Juli 1914 — also kurz vor Ausbruch des Krieges — unter Abzug eines dem Alter und der Abnutzung des Gebäudes entsprechenden Betrages erfolgen muß. Ob die Versicherungssumme diesen Wert erreicht, oder ob überhaupt ver¬ sichert war, ist gleichgültig. Um nun aber den Wiederaufbau nach neuzeit¬ lichen Grundsätzen in bezug auf technische und hygienische Verbesserungen sicherzustellen, ist durch die oben angeführte Verordnung vom 20. August 1915 gewährleistet: 1. Ein Zuschlag zu der Schätzung, welcher der Lohnerhöhung und der seither durch den Krieg bedingten Preissteigerung gegenüber den Kosten eines Neubaues im Juli 1914 entspricht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/408
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/408>, abgerufen am 15.01.2025.