Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Einiges vom Linden weil er nur etwas in Verwahrung genommen habe, dessen Besitz der Verlierer Schließlich will ich noch erwähnen, daß Sachen, deren sich jemand absichtlich Einiges vom Linden weil er nur etwas in Verwahrung genommen habe, dessen Besitz der Verlierer Schließlich will ich noch erwähnen, daß Sachen, deren sich jemand absichtlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330057"/> <fw type="header" place="top"> Einiges vom Linden</fw><lb/> <p xml:id="ID_1315" prev="#ID_1314"> weil er nur etwas in Verwahrung genommen habe, dessen Besitz der Verlierer<lb/> schon auf die angegebene Art auf den Bremischen Staat übertragen habe, so<lb/> daß letzterer schon der Empfangsberechtigte geworden sei, als der junge Mann<lb/> den Brief fand. Demgemäß scheint man diesem auch jeden Finderlohn vor¬<lb/> enthalten zu haben (wenigstens ist in der gedruckten Entscheidung davon nicht<lb/> die Rede; vielleicht war die Klage darauf nicht angerichtet gewesen).</p><lb/> <p xml:id="ID_1316"> Schließlich will ich noch erwähnen, daß Sachen, deren sich jemand absichtlich<lb/> entschlage (preisgegebene und dadurch herrenlos gewordene Sachen), ebenfalls nicht<lb/> nach dem Fundrechte zu beurteilen sind. Zweifelhaft bleibt ja der bei ihnen<lb/> eintretende Rechtszustand, wenn der Finder nicht weiß, daß die Sache weg¬<lb/> geworfen ist; dann wird er sich äußerlich nach den Fundvorschriften zu richten<lb/> haben. Ist ihm aber jenes bekannt, so darf er sich die Sache sofort aneignen,<lb/> womit sie sofort in sein Eigentum übergeht, ohne daß er den Vorfall polizeilich<lb/> anzeigen müßte (§Z 958, 959 B. G. B.). Der abweichenden Ansicht im<lb/> Kommentar der Reichsgerichtsräte (kein Urteil) zu § 978 Anmerkung 2 (2. Aufl.),<lb/> die herrenlose Sachen auch in Eisenbahnwagen usw. nach § 978 (nicht 965)<lb/> „finden" läßt, dürfte nicht beizutreten sein. Herrenlosigkeit liegt z. B. vor bei<lb/> einer Zeitschrift oder einem Roman, die ein Fahrgast absichtlich vor eines andern<lb/> Augen beim Aussteigen im Abteile hinwirft und liegen läßt; diese kann sein Mit¬<lb/> reisender sich zueignen. Der Aufsteigende könnte sie ihm ja auf Bitte auch übergeben.<lb/> Jenes Vorkommnis fällt nicht unter Z 978. Man „entdeckt" ja nicht die Sache. Sie<lb/> ist liegen gelassen in der Absicht der Entäußerung, was der andere wahrgenommen<lb/> hat. Sie braucht also der Eisenbahnstelle nicht abgeliefert zu werden. Mir ist auch<lb/> nicht bekannt, daß Eisenbahnverordnungen etwas vorgeschrieben hätten, was dies<lb/> als unerlaubt erscheinen lassen könnte (vgl. § 958 Abs. 2 B. G. B.). Insbesondere<lb/> enthält die für den Bereich des deutschen Eisenbahn-Verkehrsverbandes erlassene<lb/> Fundordnung, gültig vom 1. Mai 1907, keine derartige Vorschrift. Danach<lb/> erscheint es mir nicht richtig, wenn eine Eisenbahndirektion mir auf eine<lb/> Auskunftsbitte erklärt hat, daß sie eine solche Aneignung derart herrenlos<lb/> gewordener Sachen im Eisenbahnabteil als durch Z 978 verboten im Sinne des<lb/> § 958 Abs. 2 erklären müsse. Das wäre nur zutreffend, wenn man auch hier<lb/> die Sache als „gefunden" erachten könnte. Vom „Verlieren" redet ja (im Gegen¬<lb/> satz zu § 965) Z 978 freilich nicht. Die Auffassung der Eisenbahndirektion<lb/> widerspricht aber den sonstigen Ansichten der Rechtslehrer über den Begriff des<lb/> »Findens".</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
Einiges vom Linden
weil er nur etwas in Verwahrung genommen habe, dessen Besitz der Verlierer
schon auf die angegebene Art auf den Bremischen Staat übertragen habe, so
daß letzterer schon der Empfangsberechtigte geworden sei, als der junge Mann
den Brief fand. Demgemäß scheint man diesem auch jeden Finderlohn vor¬
enthalten zu haben (wenigstens ist in der gedruckten Entscheidung davon nicht
die Rede; vielleicht war die Klage darauf nicht angerichtet gewesen).
Schließlich will ich noch erwähnen, daß Sachen, deren sich jemand absichtlich
entschlage (preisgegebene und dadurch herrenlos gewordene Sachen), ebenfalls nicht
nach dem Fundrechte zu beurteilen sind. Zweifelhaft bleibt ja der bei ihnen
eintretende Rechtszustand, wenn der Finder nicht weiß, daß die Sache weg¬
geworfen ist; dann wird er sich äußerlich nach den Fundvorschriften zu richten
haben. Ist ihm aber jenes bekannt, so darf er sich die Sache sofort aneignen,
womit sie sofort in sein Eigentum übergeht, ohne daß er den Vorfall polizeilich
anzeigen müßte (§Z 958, 959 B. G. B.). Der abweichenden Ansicht im
Kommentar der Reichsgerichtsräte (kein Urteil) zu § 978 Anmerkung 2 (2. Aufl.),
die herrenlose Sachen auch in Eisenbahnwagen usw. nach § 978 (nicht 965)
„finden" läßt, dürfte nicht beizutreten sein. Herrenlosigkeit liegt z. B. vor bei
einer Zeitschrift oder einem Roman, die ein Fahrgast absichtlich vor eines andern
Augen beim Aussteigen im Abteile hinwirft und liegen läßt; diese kann sein Mit¬
reisender sich zueignen. Der Aufsteigende könnte sie ihm ja auf Bitte auch übergeben.
Jenes Vorkommnis fällt nicht unter Z 978. Man „entdeckt" ja nicht die Sache. Sie
ist liegen gelassen in der Absicht der Entäußerung, was der andere wahrgenommen
hat. Sie braucht also der Eisenbahnstelle nicht abgeliefert zu werden. Mir ist auch
nicht bekannt, daß Eisenbahnverordnungen etwas vorgeschrieben hätten, was dies
als unerlaubt erscheinen lassen könnte (vgl. § 958 Abs. 2 B. G. B.). Insbesondere
enthält die für den Bereich des deutschen Eisenbahn-Verkehrsverbandes erlassene
Fundordnung, gültig vom 1. Mai 1907, keine derartige Vorschrift. Danach
erscheint es mir nicht richtig, wenn eine Eisenbahndirektion mir auf eine
Auskunftsbitte erklärt hat, daß sie eine solche Aneignung derart herrenlos
gewordener Sachen im Eisenbahnabteil als durch Z 978 verboten im Sinne des
§ 958 Abs. 2 erklären müsse. Das wäre nur zutreffend, wenn man auch hier
die Sache als „gefunden" erachten könnte. Vom „Verlieren" redet ja (im Gegen¬
satz zu § 965) Z 978 freilich nicht. Die Auffassung der Eisenbahndirektion
widerspricht aber den sonstigen Ansichten der Rechtslehrer über den Begriff des
»Findens".
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