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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Die Grientpolitik Friedrichs des Großen

stützen. Er betonte den moralischen Eindruck des Bündnisses auf die Nachbaren,
die in der Folge desto peinlicher die bestehenden Verträge beobachten würden.

Aber das Spiel von früher wiederholte sich genau. Der Sultan wünschte
das Bündnis, sein Vezier, ein Nachfolger Raghibs, machte Schwierigkeiten. Die
fremden Gesandten intrigierten, und die Sache verschleppte sich.

Achmet, der keine Vollmacht erhalten hatte, mußte am 2. Mai 1764 Berlin
unverrichteter Dinge verlassen. Der König sandte zwar noch einmal seinen
Hauptmann Zegelin nach Konstantinopel, um aber endlich einzusehen, "daß es
der Pforte kein rechter Ernst sei, mit mir den vorseienden Defensivallianztraktat
zu schließen, und daß ohne eine abschlägliche Antwort zu geben, deren Minister
nur suchen, durch Trainieren von einer Zeit zur anderen die Hauptsache abzu¬
lehnen".

Allerdings Friedrich war an dem Scheitern seiner Pläne selbst mit Schuld.
Er hatte das erste wie das zweite Mal versucht, Dinge zu vereinen, die im
innersten Widerspruch zueinander standen. Er hatte 1764 im April sein
Bündnis mit Rußland geschlossen und hatte von da an die russische Polenpoliti!
die Wahl des Piaster Poniatowsky, den der türkische Sultan erbittert haßte,
eifrig unterstützt. Ein Bündnis mit der Türkei und Rußland zugleich aber war
in jener Zeit bei dem Interessengegensatz dieser zwei Staaten gefährlich und
gewagt, der Plan selbst aber geeignet, das berechtigte Mißtrauen der Pforte
gegen eine solche Politik hervorzurufen.

Noch einige Male 1768. 1771, 1772, 1779, 1782 und 1784 suchte die
Pforte Friedrich für sich zu gewinnen. Friedrich lehnte aber im Hinblick auf
seine Allianz mit Rußland das Anerbieten damals ab, nur für den Vorschlag
einer russisch-türkisch-preußischen Tripelallianz, den die Pforte merkwürdigerweise
selber 1779 machte, wäre er zu gewinnen gewesen, aber der Plan scheiterte
endgültig an dem Widerstand Katharinas der Zweiten.

Wir sehen, zu einem positiven Ergebnis haben die orientalischen Pläne
Friedrichs nicht geführt. Wertlos sind aber diese Verhandlungen trotzdem nicht
gewesen. Der Türkei hat des Königs schlichte Heldengestalt zum erstenmal eine
Vorstellung von deutscher Art und deutscher Größe gegeben, zum erstenmal hat
man damals am Goldenen Horn begonnen, aufmerksam und gespannt nach
der jungen preußischen Großmacht zu schauen und ihre Weiterentwicklung eifrig
zu verfolgen. Friedrich aber hat durch feinen Handelsvertrag mit der Türkei
zum erstenmal jene Beziehungen Preußens zu dem Osten angebahnt, die seither
nie mehr gelöst worden sind. Er hat als erster deutscher Fürst den Grundsatz
aufgestellt, daß die Türkei ein notwendiges und wichtiges Glied im europäischen
Staatenkörper bilde, und daß ihr Untergang mit allen Kräften verhütet werden
müsse. Er hat als einer der wenigen europäischen Fürsten versucht, das
osmanischs Reich aus seiner Lethargie zu wecken, es "aus dem Zustand der
Ohnmacht und Schwäche herauszubekommen," indem er es an seine uner¬
schöpflichen Hilfsmittel erinnerte. Er hat als einer der ersten gewünscht, daß


Die Grientpolitik Friedrichs des Großen

stützen. Er betonte den moralischen Eindruck des Bündnisses auf die Nachbaren,
die in der Folge desto peinlicher die bestehenden Verträge beobachten würden.

Aber das Spiel von früher wiederholte sich genau. Der Sultan wünschte
das Bündnis, sein Vezier, ein Nachfolger Raghibs, machte Schwierigkeiten. Die
fremden Gesandten intrigierten, und die Sache verschleppte sich.

Achmet, der keine Vollmacht erhalten hatte, mußte am 2. Mai 1764 Berlin
unverrichteter Dinge verlassen. Der König sandte zwar noch einmal seinen
Hauptmann Zegelin nach Konstantinopel, um aber endlich einzusehen, „daß es
der Pforte kein rechter Ernst sei, mit mir den vorseienden Defensivallianztraktat
zu schließen, und daß ohne eine abschlägliche Antwort zu geben, deren Minister
nur suchen, durch Trainieren von einer Zeit zur anderen die Hauptsache abzu¬
lehnen".

Allerdings Friedrich war an dem Scheitern seiner Pläne selbst mit Schuld.
Er hatte das erste wie das zweite Mal versucht, Dinge zu vereinen, die im
innersten Widerspruch zueinander standen. Er hatte 1764 im April sein
Bündnis mit Rußland geschlossen und hatte von da an die russische Polenpoliti!
die Wahl des Piaster Poniatowsky, den der türkische Sultan erbittert haßte,
eifrig unterstützt. Ein Bündnis mit der Türkei und Rußland zugleich aber war
in jener Zeit bei dem Interessengegensatz dieser zwei Staaten gefährlich und
gewagt, der Plan selbst aber geeignet, das berechtigte Mißtrauen der Pforte
gegen eine solche Politik hervorzurufen.

Noch einige Male 1768. 1771, 1772, 1779, 1782 und 1784 suchte die
Pforte Friedrich für sich zu gewinnen. Friedrich lehnte aber im Hinblick auf
seine Allianz mit Rußland das Anerbieten damals ab, nur für den Vorschlag
einer russisch-türkisch-preußischen Tripelallianz, den die Pforte merkwürdigerweise
selber 1779 machte, wäre er zu gewinnen gewesen, aber der Plan scheiterte
endgültig an dem Widerstand Katharinas der Zweiten.

Wir sehen, zu einem positiven Ergebnis haben die orientalischen Pläne
Friedrichs nicht geführt. Wertlos sind aber diese Verhandlungen trotzdem nicht
gewesen. Der Türkei hat des Königs schlichte Heldengestalt zum erstenmal eine
Vorstellung von deutscher Art und deutscher Größe gegeben, zum erstenmal hat
man damals am Goldenen Horn begonnen, aufmerksam und gespannt nach
der jungen preußischen Großmacht zu schauen und ihre Weiterentwicklung eifrig
zu verfolgen. Friedrich aber hat durch feinen Handelsvertrag mit der Türkei
zum erstenmal jene Beziehungen Preußens zu dem Osten angebahnt, die seither
nie mehr gelöst worden sind. Er hat als erster deutscher Fürst den Grundsatz
aufgestellt, daß die Türkei ein notwendiges und wichtiges Glied im europäischen
Staatenkörper bilde, und daß ihr Untergang mit allen Kräften verhütet werden
müsse. Er hat als einer der wenigen europäischen Fürsten versucht, das
osmanischs Reich aus seiner Lethargie zu wecken, es „aus dem Zustand der
Ohnmacht und Schwäche herauszubekommen," indem er es an seine uner¬
schöpflichen Hilfsmittel erinnerte. Er hat als einer der ersten gewünscht, daß


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[0382] Die Grientpolitik Friedrichs des Großen stützen. Er betonte den moralischen Eindruck des Bündnisses auf die Nachbaren, die in der Folge desto peinlicher die bestehenden Verträge beobachten würden. Aber das Spiel von früher wiederholte sich genau. Der Sultan wünschte das Bündnis, sein Vezier, ein Nachfolger Raghibs, machte Schwierigkeiten. Die fremden Gesandten intrigierten, und die Sache verschleppte sich. Achmet, der keine Vollmacht erhalten hatte, mußte am 2. Mai 1764 Berlin unverrichteter Dinge verlassen. Der König sandte zwar noch einmal seinen Hauptmann Zegelin nach Konstantinopel, um aber endlich einzusehen, „daß es der Pforte kein rechter Ernst sei, mit mir den vorseienden Defensivallianztraktat zu schließen, und daß ohne eine abschlägliche Antwort zu geben, deren Minister nur suchen, durch Trainieren von einer Zeit zur anderen die Hauptsache abzu¬ lehnen". Allerdings Friedrich war an dem Scheitern seiner Pläne selbst mit Schuld. Er hatte das erste wie das zweite Mal versucht, Dinge zu vereinen, die im innersten Widerspruch zueinander standen. Er hatte 1764 im April sein Bündnis mit Rußland geschlossen und hatte von da an die russische Polenpoliti! die Wahl des Piaster Poniatowsky, den der türkische Sultan erbittert haßte, eifrig unterstützt. Ein Bündnis mit der Türkei und Rußland zugleich aber war in jener Zeit bei dem Interessengegensatz dieser zwei Staaten gefährlich und gewagt, der Plan selbst aber geeignet, das berechtigte Mißtrauen der Pforte gegen eine solche Politik hervorzurufen. Noch einige Male 1768. 1771, 1772, 1779, 1782 und 1784 suchte die Pforte Friedrich für sich zu gewinnen. Friedrich lehnte aber im Hinblick auf seine Allianz mit Rußland das Anerbieten damals ab, nur für den Vorschlag einer russisch-türkisch-preußischen Tripelallianz, den die Pforte merkwürdigerweise selber 1779 machte, wäre er zu gewinnen gewesen, aber der Plan scheiterte endgültig an dem Widerstand Katharinas der Zweiten. Wir sehen, zu einem positiven Ergebnis haben die orientalischen Pläne Friedrichs nicht geführt. Wertlos sind aber diese Verhandlungen trotzdem nicht gewesen. Der Türkei hat des Königs schlichte Heldengestalt zum erstenmal eine Vorstellung von deutscher Art und deutscher Größe gegeben, zum erstenmal hat man damals am Goldenen Horn begonnen, aufmerksam und gespannt nach der jungen preußischen Großmacht zu schauen und ihre Weiterentwicklung eifrig zu verfolgen. Friedrich aber hat durch feinen Handelsvertrag mit der Türkei zum erstenmal jene Beziehungen Preußens zu dem Osten angebahnt, die seither nie mehr gelöst worden sind. Er hat als erster deutscher Fürst den Grundsatz aufgestellt, daß die Türkei ein notwendiges und wichtiges Glied im europäischen Staatenkörper bilde, und daß ihr Untergang mit allen Kräften verhütet werden müsse. Er hat als einer der wenigen europäischen Fürsten versucht, das osmanischs Reich aus seiner Lethargie zu wecken, es „aus dem Zustand der Ohnmacht und Schwäche herauszubekommen," indem er es an seine uner¬ schöpflichen Hilfsmittel erinnerte. Er hat als einer der ersten gewünscht, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/382>, abgerufen am 15.01.2025.