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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Die Vrientpolitik Friedrichs des Großen

und ohne Wahl in seinem Umgang, dabei nicht imstande, ein anvertrautes
Geheimnis wahren zu können. ,Mon vis äa8e". meinen Eselskopf, hat ihn
Friedrich ärgerlich einmal genannt, als er sah, daß er der feinen Diplomatie
Naghibs gegenüber immer den Kürzeren zog.

Dennoch wären wohl alle diese Gründe nicht stark genug gewesen, das
Bündnisprojekt scheitern zu lassen, wären in Konstantinopel nicht andere Geister
am Werke gewesen, die auch ein schlauerer Kopf als Rexin nicht hätte be¬
schwören können. Wie schon früher erwähnt, hatten die übrigen Mächte seit
Jahrhunderten Übung im diplomatischen Verkehr mit der Pforte, während
Preußen sich ihr zum ersten Male genähert hatte. Frankreich vor allem besaß
einen maßgebenden Einfluß in der Türkei und wandte, um seinen Levante-
Handel besorgt, alles auf. Friedrichs Pläne zu durchkreuzen. Während Öster¬
reich durch Bestechungsgelder, mehr noch durch das lockende Versprechen einer
Abtretung des Banats die türkische Negierung zu ködern suchte, bot Frankreich
seine Garantie an, "für die Erfüllung aller zwischen Österreich und der Türkei
abgeschlossenen Verträge".

Freilich Friedrich besaß einen Bundesgenossen, der sich der gleichen
Autorität in Stambul erfreute, wie seine Feinde -- England.

Aber mit diesem Verbündeten war er übel daran. Aus Angst um seine
kommerziellen Interessen im Orient arbeitete England Preußen hier geradezu
offen entgegen. Als 1759 Raghib von Friedrich verlangt hatte, daß England
den türkisch-preußischen Vertrag garantiere, wies die britische Regierung des
Königs Forderung protzig zurück.

Lord Holdernesse, der leitende englische Minister, erklärte geradezu "aus
internationalem Anstand," und "weil seine britische Majestät ohne Verletzung
ihres Zartgefühls sich offiziell an Schritten gegen Nußland nicht beteiligen
dürfe." jede Unterstützung ihres preußischen Bundesgenossen in seineu türkischen
Plänen energisch ablehnen zu müssen.

Kein Wunder also, daß so vielen Machenschaften und Intrigen gegenüber
der arme preußische Botschafter unterlag. "Ich habe", so klagte dieser in einem
Briefe, "ehrlich gegen die Minister gearbeitet und was mir mein von Gott
verliehener Verstand suggerieret, angewandt, mich auch Tag und Nacht pferde¬
mäßig fatigieret. Pest. Feuer. Wasser, Vergiftung und Meuchelmörder exponiert,
meine Gesundheit völlig zugesetzt, und bin für Gram und Kummer alt und
grau geworden, und obwohlen das Ministeriale niemals mein Metier gewesen,
so kann ich mich doch nicht entsinnen, in etwas gefehlt oder etwas negligieret
Zu haben."

Ein merkwürdiges und interessantes Nachspiel erlebten Friedrichs Bündnis-
Pläne kurze Zeit später in Berlin. Es ging ihm mit der Türkei, wie dem
Liebhaber mit seinem widerspenstigen Mädchen. Ward er um sie mit Geduld
und Ausdauer, dann konnte er sicher sein, daß sie sich launisch ihm versagte.
Wandte er sich darauf verstimmt von ihr ab. dann bettelte sie sicher voll Zart-


Die Vrientpolitik Friedrichs des Großen

und ohne Wahl in seinem Umgang, dabei nicht imstande, ein anvertrautes
Geheimnis wahren zu können. ,Mon vis äa8e". meinen Eselskopf, hat ihn
Friedrich ärgerlich einmal genannt, als er sah, daß er der feinen Diplomatie
Naghibs gegenüber immer den Kürzeren zog.

Dennoch wären wohl alle diese Gründe nicht stark genug gewesen, das
Bündnisprojekt scheitern zu lassen, wären in Konstantinopel nicht andere Geister
am Werke gewesen, die auch ein schlauerer Kopf als Rexin nicht hätte be¬
schwören können. Wie schon früher erwähnt, hatten die übrigen Mächte seit
Jahrhunderten Übung im diplomatischen Verkehr mit der Pforte, während
Preußen sich ihr zum ersten Male genähert hatte. Frankreich vor allem besaß
einen maßgebenden Einfluß in der Türkei und wandte, um seinen Levante-
Handel besorgt, alles auf. Friedrichs Pläne zu durchkreuzen. Während Öster¬
reich durch Bestechungsgelder, mehr noch durch das lockende Versprechen einer
Abtretung des Banats die türkische Negierung zu ködern suchte, bot Frankreich
seine Garantie an, „für die Erfüllung aller zwischen Österreich und der Türkei
abgeschlossenen Verträge".

Freilich Friedrich besaß einen Bundesgenossen, der sich der gleichen
Autorität in Stambul erfreute, wie seine Feinde — England.

Aber mit diesem Verbündeten war er übel daran. Aus Angst um seine
kommerziellen Interessen im Orient arbeitete England Preußen hier geradezu
offen entgegen. Als 1759 Raghib von Friedrich verlangt hatte, daß England
den türkisch-preußischen Vertrag garantiere, wies die britische Regierung des
Königs Forderung protzig zurück.

Lord Holdernesse, der leitende englische Minister, erklärte geradezu „aus
internationalem Anstand," und „weil seine britische Majestät ohne Verletzung
ihres Zartgefühls sich offiziell an Schritten gegen Nußland nicht beteiligen
dürfe." jede Unterstützung ihres preußischen Bundesgenossen in seineu türkischen
Plänen energisch ablehnen zu müssen.

Kein Wunder also, daß so vielen Machenschaften und Intrigen gegenüber
der arme preußische Botschafter unterlag. „Ich habe", so klagte dieser in einem
Briefe, „ehrlich gegen die Minister gearbeitet und was mir mein von Gott
verliehener Verstand suggerieret, angewandt, mich auch Tag und Nacht pferde¬
mäßig fatigieret. Pest. Feuer. Wasser, Vergiftung und Meuchelmörder exponiert,
meine Gesundheit völlig zugesetzt, und bin für Gram und Kummer alt und
grau geworden, und obwohlen das Ministeriale niemals mein Metier gewesen,
so kann ich mich doch nicht entsinnen, in etwas gefehlt oder etwas negligieret
Zu haben."

Ein merkwürdiges und interessantes Nachspiel erlebten Friedrichs Bündnis-
Pläne kurze Zeit später in Berlin. Es ging ihm mit der Türkei, wie dem
Liebhaber mit seinem widerspenstigen Mädchen. Ward er um sie mit Geduld
und Ausdauer, dann konnte er sicher sein, daß sie sich launisch ihm versagte.
Wandte er sich darauf verstimmt von ihr ab. dann bettelte sie sicher voll Zart-


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[0379] Die Vrientpolitik Friedrichs des Großen und ohne Wahl in seinem Umgang, dabei nicht imstande, ein anvertrautes Geheimnis wahren zu können. ,Mon vis äa8e". meinen Eselskopf, hat ihn Friedrich ärgerlich einmal genannt, als er sah, daß er der feinen Diplomatie Naghibs gegenüber immer den Kürzeren zog. Dennoch wären wohl alle diese Gründe nicht stark genug gewesen, das Bündnisprojekt scheitern zu lassen, wären in Konstantinopel nicht andere Geister am Werke gewesen, die auch ein schlauerer Kopf als Rexin nicht hätte be¬ schwören können. Wie schon früher erwähnt, hatten die übrigen Mächte seit Jahrhunderten Übung im diplomatischen Verkehr mit der Pforte, während Preußen sich ihr zum ersten Male genähert hatte. Frankreich vor allem besaß einen maßgebenden Einfluß in der Türkei und wandte, um seinen Levante- Handel besorgt, alles auf. Friedrichs Pläne zu durchkreuzen. Während Öster¬ reich durch Bestechungsgelder, mehr noch durch das lockende Versprechen einer Abtretung des Banats die türkische Negierung zu ködern suchte, bot Frankreich seine Garantie an, „für die Erfüllung aller zwischen Österreich und der Türkei abgeschlossenen Verträge". Freilich Friedrich besaß einen Bundesgenossen, der sich der gleichen Autorität in Stambul erfreute, wie seine Feinde — England. Aber mit diesem Verbündeten war er übel daran. Aus Angst um seine kommerziellen Interessen im Orient arbeitete England Preußen hier geradezu offen entgegen. Als 1759 Raghib von Friedrich verlangt hatte, daß England den türkisch-preußischen Vertrag garantiere, wies die britische Regierung des Königs Forderung protzig zurück. Lord Holdernesse, der leitende englische Minister, erklärte geradezu „aus internationalem Anstand," und „weil seine britische Majestät ohne Verletzung ihres Zartgefühls sich offiziell an Schritten gegen Nußland nicht beteiligen dürfe." jede Unterstützung ihres preußischen Bundesgenossen in seineu türkischen Plänen energisch ablehnen zu müssen. Kein Wunder also, daß so vielen Machenschaften und Intrigen gegenüber der arme preußische Botschafter unterlag. „Ich habe", so klagte dieser in einem Briefe, „ehrlich gegen die Minister gearbeitet und was mir mein von Gott verliehener Verstand suggerieret, angewandt, mich auch Tag und Nacht pferde¬ mäßig fatigieret. Pest. Feuer. Wasser, Vergiftung und Meuchelmörder exponiert, meine Gesundheit völlig zugesetzt, und bin für Gram und Kummer alt und grau geworden, und obwohlen das Ministeriale niemals mein Metier gewesen, so kann ich mich doch nicht entsinnen, in etwas gefehlt oder etwas negligieret Zu haben." Ein merkwürdiges und interessantes Nachspiel erlebten Friedrichs Bündnis- Pläne kurze Zeit später in Berlin. Es ging ihm mit der Türkei, wie dem Liebhaber mit seinem widerspenstigen Mädchen. Ward er um sie mit Geduld und Ausdauer, dann konnte er sicher sein, daß sie sich launisch ihm versagte. Wandte er sich darauf verstimmt von ihr ab. dann bettelte sie sicher voll Zart-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/379>, abgerufen am 15.01.2025.