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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Naumann oder Bartsch?

für den norddeutschen Wirtschaftsmenschen Naumannscher Prägung ein seelen-
verändernder Entschluß. Man kann wohl in Pferdekräften denken lernen, aber
um Melodien zu empfinden, muß man Musik in sich tragen. Wer vom Süd¬
deutschen und Österreicher die Annahme der neudeutschen Arbeitsmethoden ver¬
langt, der möge nicht vergessen, die Werte zu schonen, die unfaßbar für die
Statistik des Volksvermögens, zart und zerstörbar im Menschen ruhen. Das
Problem der Denkmalpflege, wie man der Notwendigkeit der Gegenwart Rech¬
nung trägt, ohne die Forderung der Schönheit zu schädigen, fordert auch hier
eine Lösung.

Naumanns Wirtschaftsprinzip wird nun also, wenn auch nicht so un¬
aufhaltsam wie er wünscht, vorwärtsdringen. Die Gefahr des Reichtums, des
einzigen Feindes, der unserem Volke todbringend werden könnte, lauert dahinter.
Nachdenklich mag man heute wieder die Worte lesen, die ein echter Süd¬
deutscher unter dem Eindruck des materiellen Aufschwungs nach dem siebziger
Krieg und des damit verbundenen sittlichen Verfalls geschrieben hat: "Nehmen
wir's auch nicht zu schwer; eine anständige Minorität wird bleiben, eine Nation
kann so was überdauern; es bedarf dann eines großen Unglücks, und das
wird kommen in einem neuen Krieg, dann werden wir uns aufraffen müssen,
die letzte Faser daran setzen, und dann wird's wieder besser und recht werden."
Daß das Geld nicht die Seelen untertänig macht, dafür mögen die rückständige"
Romantiker in Süddeutschland und an der Donau sorgen.




Naumann oder Bartsch?

für den norddeutschen Wirtschaftsmenschen Naumannscher Prägung ein seelen-
verändernder Entschluß. Man kann wohl in Pferdekräften denken lernen, aber
um Melodien zu empfinden, muß man Musik in sich tragen. Wer vom Süd¬
deutschen und Österreicher die Annahme der neudeutschen Arbeitsmethoden ver¬
langt, der möge nicht vergessen, die Werte zu schonen, die unfaßbar für die
Statistik des Volksvermögens, zart und zerstörbar im Menschen ruhen. Das
Problem der Denkmalpflege, wie man der Notwendigkeit der Gegenwart Rech¬
nung trägt, ohne die Forderung der Schönheit zu schädigen, fordert auch hier
eine Lösung.

Naumanns Wirtschaftsprinzip wird nun also, wenn auch nicht so un¬
aufhaltsam wie er wünscht, vorwärtsdringen. Die Gefahr des Reichtums, des
einzigen Feindes, der unserem Volke todbringend werden könnte, lauert dahinter.
Nachdenklich mag man heute wieder die Worte lesen, die ein echter Süd¬
deutscher unter dem Eindruck des materiellen Aufschwungs nach dem siebziger
Krieg und des damit verbundenen sittlichen Verfalls geschrieben hat: „Nehmen
wir's auch nicht zu schwer; eine anständige Minorität wird bleiben, eine Nation
kann so was überdauern; es bedarf dann eines großen Unglücks, und das
wird kommen in einem neuen Krieg, dann werden wir uns aufraffen müssen,
die letzte Faser daran setzen, und dann wird's wieder besser und recht werden."
Daß das Geld nicht die Seelen untertänig macht, dafür mögen die rückständige»
Romantiker in Süddeutschland und an der Donau sorgen.




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[0371] Naumann oder Bartsch? für den norddeutschen Wirtschaftsmenschen Naumannscher Prägung ein seelen- verändernder Entschluß. Man kann wohl in Pferdekräften denken lernen, aber um Melodien zu empfinden, muß man Musik in sich tragen. Wer vom Süd¬ deutschen und Österreicher die Annahme der neudeutschen Arbeitsmethoden ver¬ langt, der möge nicht vergessen, die Werte zu schonen, die unfaßbar für die Statistik des Volksvermögens, zart und zerstörbar im Menschen ruhen. Das Problem der Denkmalpflege, wie man der Notwendigkeit der Gegenwart Rech¬ nung trägt, ohne die Forderung der Schönheit zu schädigen, fordert auch hier eine Lösung. Naumanns Wirtschaftsprinzip wird nun also, wenn auch nicht so un¬ aufhaltsam wie er wünscht, vorwärtsdringen. Die Gefahr des Reichtums, des einzigen Feindes, der unserem Volke todbringend werden könnte, lauert dahinter. Nachdenklich mag man heute wieder die Worte lesen, die ein echter Süd¬ deutscher unter dem Eindruck des materiellen Aufschwungs nach dem siebziger Krieg und des damit verbundenen sittlichen Verfalls geschrieben hat: „Nehmen wir's auch nicht zu schwer; eine anständige Minorität wird bleiben, eine Nation kann so was überdauern; es bedarf dann eines großen Unglücks, und das wird kommen in einem neuen Krieg, dann werden wir uns aufraffen müssen, die letzte Faser daran setzen, und dann wird's wieder besser und recht werden." Daß das Geld nicht die Seelen untertänig macht, dafür mögen die rückständige» Romantiker in Süddeutschland und an der Donau sorgen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/371>, abgerufen am 15.01.2025.