Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Kritisches zur RriegskriminalitAt der Jugendlichen theatern und dergleichen, das sind Momente, die zweifellos einer Verwahrlosung Weit günstiger dagegen liegen die Verhältnisse in den kleinen Städten und Es ist deshalb mit Sicherheit anzunehmen, daß die Verhältnisse auf dem Hinzu kommt, daß uns so gut wie nichts bekannt ist über den Anteil der Vor allem aber ist zu bedenken, daß während der Kriegszeit eine Unmenge Kritisches zur RriegskriminalitAt der Jugendlichen theatern und dergleichen, das sind Momente, die zweifellos einer Verwahrlosung Weit günstiger dagegen liegen die Verhältnisse in den kleinen Städten und Es ist deshalb mit Sicherheit anzunehmen, daß die Verhältnisse auf dem Hinzu kommt, daß uns so gut wie nichts bekannt ist über den Anteil der Vor allem aber ist zu bedenken, daß während der Kriegszeit eine Unmenge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330021"/> <fw type="header" place="top"> Kritisches zur RriegskriminalitAt der Jugendlichen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1166" prev="#ID_1165"> theatern und dergleichen, das sind Momente, die zweifellos einer Verwahrlosung<lb/> der städtischen Jugend besonders günstig sind. Hinzu kommt, daß es den An¬<lb/> schein hat, als seien viele jugendliche Elemente während des Krieges aus der<lb/> Kleinstadt oder vom Lande in die Großstädte abgewandert, in der Hoffnung,<lb/> hier lohnenden Verdienst zu finden. Nicht immer hat sich diese Hoffnung erfüllt<lb/> und die dadurch geschaffene wirtschaftliche Notlage schuf einen geeigneten Boden<lb/> für verbrecherische Betätigung. Aber auch der gute Arbeitslohn, den selbst<lb/> jugendliche Arbeiter unter den gegenwärtigen Verhältnissen in der Regel er¬<lb/> halten, führt viele von den jungen Burschen und Mädchen, die nicht zu wirt¬<lb/> schaften verstehen, zu einem unsolider Lebenswandel und legt dadurch den Keim<lb/> zu einer Verwahrlosung, die leicht eine verbrecherische Form annehmen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1167"> Weit günstiger dagegen liegen die Verhältnisse in den kleinen Städten und<lb/> auf dem flachen Lande, wo die Kinder besser unter Aufsicht sind, nicht den<lb/> großstädtischen Versuchungen ausgesetzt sind und schon frühzeitig zu allerlei Ar¬<lb/> beiten im Haus und auf dem Felde herangezogen werden, namentlich auch in<lb/> der Kriegszeit, wo alle Kräfte gerade für den Landmann von Wert sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1168"> Es ist deshalb mit Sicherheit anzunehmen, daß die Verhältnisse auf dem<lb/> Lande und in den kleineren Städten weit besser sein werden als in den Gro߬<lb/> städten, auf die sich das gegenwärtig zur Verfügung stehende Material aus¬<lb/> schließlich bezieht. Schon dadurch würde das Gesamtbild der jugendlichen<lb/> Kriegskriniinalität weit günstiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1169"> Hinzu kommt, daß uns so gut wie nichts bekannt ist über den Anteil der<lb/> Jugendlichen an den verschiedenen Straftaten während der Kriegszeit. Es leuchtet<lb/> ein, daß es nicht dasselbe ist, ob gerade die Diebstähle sich beträchtlich vermehrt haben<lb/> oder ob die Zunahme der Straftaten aus einer Vermehrung der Genußmittel¬<lb/> entwendungen, sowie der Forst- und Felddiebstähle zu erklären ist, ob Roheits¬<lb/> verbrechen stark zugenommen haben oder ob es sich nur um eine vermehrte Zahl<lb/> von Fällen des groben Unfugs und von Sachbeschädigungen und Körper¬<lb/> verletzungen handelt, die nichts weiter als eine verbrecherische Gestaltung an<lb/> und für sich harmlosen kindlichen Spieles sind, Straftaten, deren auch wir uns<lb/> einst in goldener Jugend in aller Harmlosigkeit schuldig gemacht haben, ohne<lb/> freilich das Unglück gehabt zu haben, deshalb angezeigt und bestraft zu werden.<lb/> Wenn ich die Materialien überblicke, die mir über die Kriegskriminalität der<lb/> Jugendlichen bekannt geworden sind, so möchte ich annehmen, daß gerade der¬<lb/> artige und ähnliche leichtere Straftaten sich besonders vermehrt haben und da¬<lb/> durch die Kriminalität ungünstiger erscheinen lassen, als sie es tatsächlich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1170" next="#ID_1171"> Vor allem aber ist zu bedenken, daß während der Kriegszeit eine Unmenge<lb/> neuer Gesetze und Verordnungen mit Strafandrohungen entstanden sind, durch<lb/> die Handlungen, die vordem erlaubt waren, als strafbar gebrandmarkt werden.<lb/> Es ist eine selbstverständliche Erfahrung, daß die Vermehrung von Strafgesetzen<lb/> auch zu einer Vermehrung von strafbaren Handlungen Anlaß gibt, ohne<lb/> daß man deshalb berechtigt wäre, von einer Stärkung und Steigerung der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0353]
Kritisches zur RriegskriminalitAt der Jugendlichen
theatern und dergleichen, das sind Momente, die zweifellos einer Verwahrlosung
der städtischen Jugend besonders günstig sind. Hinzu kommt, daß es den An¬
schein hat, als seien viele jugendliche Elemente während des Krieges aus der
Kleinstadt oder vom Lande in die Großstädte abgewandert, in der Hoffnung,
hier lohnenden Verdienst zu finden. Nicht immer hat sich diese Hoffnung erfüllt
und die dadurch geschaffene wirtschaftliche Notlage schuf einen geeigneten Boden
für verbrecherische Betätigung. Aber auch der gute Arbeitslohn, den selbst
jugendliche Arbeiter unter den gegenwärtigen Verhältnissen in der Regel er¬
halten, führt viele von den jungen Burschen und Mädchen, die nicht zu wirt¬
schaften verstehen, zu einem unsolider Lebenswandel und legt dadurch den Keim
zu einer Verwahrlosung, die leicht eine verbrecherische Form annehmen kann.
Weit günstiger dagegen liegen die Verhältnisse in den kleinen Städten und
auf dem flachen Lande, wo die Kinder besser unter Aufsicht sind, nicht den
großstädtischen Versuchungen ausgesetzt sind und schon frühzeitig zu allerlei Ar¬
beiten im Haus und auf dem Felde herangezogen werden, namentlich auch in
der Kriegszeit, wo alle Kräfte gerade für den Landmann von Wert sind.
Es ist deshalb mit Sicherheit anzunehmen, daß die Verhältnisse auf dem
Lande und in den kleineren Städten weit besser sein werden als in den Gro߬
städten, auf die sich das gegenwärtig zur Verfügung stehende Material aus¬
schließlich bezieht. Schon dadurch würde das Gesamtbild der jugendlichen
Kriegskriniinalität weit günstiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Hinzu kommt, daß uns so gut wie nichts bekannt ist über den Anteil der
Jugendlichen an den verschiedenen Straftaten während der Kriegszeit. Es leuchtet
ein, daß es nicht dasselbe ist, ob gerade die Diebstähle sich beträchtlich vermehrt haben
oder ob die Zunahme der Straftaten aus einer Vermehrung der Genußmittel¬
entwendungen, sowie der Forst- und Felddiebstähle zu erklären ist, ob Roheits¬
verbrechen stark zugenommen haben oder ob es sich nur um eine vermehrte Zahl
von Fällen des groben Unfugs und von Sachbeschädigungen und Körper¬
verletzungen handelt, die nichts weiter als eine verbrecherische Gestaltung an
und für sich harmlosen kindlichen Spieles sind, Straftaten, deren auch wir uns
einst in goldener Jugend in aller Harmlosigkeit schuldig gemacht haben, ohne
freilich das Unglück gehabt zu haben, deshalb angezeigt und bestraft zu werden.
Wenn ich die Materialien überblicke, die mir über die Kriegskriminalität der
Jugendlichen bekannt geworden sind, so möchte ich annehmen, daß gerade der¬
artige und ähnliche leichtere Straftaten sich besonders vermehrt haben und da¬
durch die Kriminalität ungünstiger erscheinen lassen, als sie es tatsächlich ist.
Vor allem aber ist zu bedenken, daß während der Kriegszeit eine Unmenge
neuer Gesetze und Verordnungen mit Strafandrohungen entstanden sind, durch
die Handlungen, die vordem erlaubt waren, als strafbar gebrandmarkt werden.
Es ist eine selbstverständliche Erfahrung, daß die Vermehrung von Strafgesetzen
auch zu einer Vermehrung von strafbaren Handlungen Anlaß gibt, ohne
daß man deshalb berechtigt wäre, von einer Stärkung und Steigerung der
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