Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Deutsche Rnltur im englischen Spiegel als leichtes Erbe zugefallen sei. (I) Die Grundlage der deutschen ' L'Äpolitik, Der Begriff "Weltpolitik" wird sodann an List und Treitschke einerseits, Deutsche Rnltur im englischen Spiegel als leichtes Erbe zugefallen sei. (I) Die Grundlage der deutschen ' L'Äpolitik, Der Begriff „Weltpolitik" wird sodann an List und Treitschke einerseits, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329886"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Rnltur im englischen Spiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_689" prev="#ID_688"> als leichtes Erbe zugefallen sei. (I) Die Grundlage der deutschen ' L'Äpolitik,<lb/> wie sie von List und Treitschke gelegt worden sei, sei dabei nicht -»> mindesten<lb/> materialistischer Natur. Wenn die Grundlage des Krieges das deutsche Welt¬<lb/> machtideal war, so sei England Deutschland in der Formulierung von Welt¬<lb/> machtidealen vorangegangen. Der Krieg sei in: Grunde ein Krieg zweier Welt¬<lb/> anschauungen und es müsse zugegeben werden, daß für ein Deutschland, das<lb/> nicht innerlich im Niedergange gewesen sei, der Krieg unvermeidlich war. Der<lb/> Verfasser bedauert, daß der Grundsatz der Arbeitsteilung zwischen den Nationen,<lb/> den schon List gepredigt habe, in der britischen Welt so wenig Anklang gefunden<lb/> hat. Diese Arbeitsteilung wird vom Verfasser allerdings dahin verstanden, daß<lb/> England Kolonisation und Verwaltungstätigkeit, Deutschland Kunst, wissen¬<lb/> schaftliche Forschung, soziale Gesetzgebung und Städtebau (!) vorbehalten bleibt.<lb/> Zugegeben wird, daß die Welt als Ganzes ärmer wäre, wenn man aus ihr die<lb/> deutschen Weltherrschaftsideale hinwegdenken müßte; immerhin sei „tre Iionour<lb/> ok colonisation" nicht mehr zu gewinnen, da sie England schon gewonnen<lb/> habe, übrig bleibe für den Nachkommenden lediglich „tre priiis ot Lolonisation".<lb/> Der Osten Asiens sei bereits angelsächsisch, ebenso die Vereinigten Staaten von<lb/> Amerika. Deutschland habe also allen Grund gegen diese „poxverkul tenclencies"<lb/> anzugehen und dabei keine Zeit mehr zu verlieren. Der Verfasser stellt Pro¬<lb/> fessor Crambs bekanntes Buch: „Qerrnuny unc! LnZIanä" ohne weiteres den<lb/> chauvinistischen Werken Treitschkes gleich und führt aus, jede dieser Theorien<lb/> müsse zum Kriege führen. Die letzten großen Fragen in „Politik und Wirt¬<lb/> schaft" seien tatsächlich nur durch die Religion zu lösen.</p><lb/> <p xml:id="ID_690" next="#ID_691"> Der Begriff „Weltpolitik" wird sodann an List und Treitschke einerseits,<lb/> an Seelen andererseits analysiert und vor allem des letzteren Bemerkung:<lb/> „Daß in den letzten 150 Jahren der Menschheitsgeschichte nichts so über¬<lb/> raschenden Erfolg gehabt habe als die Borussifizierung Deutschlands" hervor¬<lb/> gehoben. Demgegenüber müsse England nicht nur den Anspruch erheben, in<lb/> der ersten Reihe der Staaten, sondern über den Staaten des Kontinents zu<lb/> rangieren, wenn es seinen Handel nicht neuen und ernsten Gefahren aussetzen<lb/> wolle. Die Deutschland zugeschriebenen Ausdehnungs- und Kolonisationsideen<lb/> werden unter Anführung von Zitaten englischer Schriftsteller im übrigen als<lb/> durchaus berechtigt dargestellt, so z. B. Seite 327 als „an integral element.<lb/> ok vuae Seele^ ealls tre .siZnikieanLö' or iirst rutenesZ ok u mociern<lb/> State". Man traut wirklich seinen Augen kaum, wenn man da liest: „ein<lb/> großes Volk könne der Kolonien oder der kolonisatorischen Tätigkeit ebenso<lb/> wenig entbehren wie eine Kirche der Missionstätigkeit" und daß Deutschland<lb/> zwar die „lui88ionar^ iäeu" hatte, aber „xvitnout any uclasquate eolonial<lb/> outlet". Die wahren Feinde Deutschlands seien eben Geschichte und Geographie,<lb/> die an seinem Zuspätkommen die Schuld trügen. Der englische Verfasser gibt<lb/> auch den enormen und ganz ungebührlichen Verlust zu, der für Deutschland<lb/> durch die Auswanderung seiner Bürger in fremde Länder „vitnout obtaininZ</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
Deutsche Rnltur im englischen Spiegel
als leichtes Erbe zugefallen sei. (I) Die Grundlage der deutschen ' L'Äpolitik,
wie sie von List und Treitschke gelegt worden sei, sei dabei nicht -»> mindesten
materialistischer Natur. Wenn die Grundlage des Krieges das deutsche Welt¬
machtideal war, so sei England Deutschland in der Formulierung von Welt¬
machtidealen vorangegangen. Der Krieg sei in: Grunde ein Krieg zweier Welt¬
anschauungen und es müsse zugegeben werden, daß für ein Deutschland, das
nicht innerlich im Niedergange gewesen sei, der Krieg unvermeidlich war. Der
Verfasser bedauert, daß der Grundsatz der Arbeitsteilung zwischen den Nationen,
den schon List gepredigt habe, in der britischen Welt so wenig Anklang gefunden
hat. Diese Arbeitsteilung wird vom Verfasser allerdings dahin verstanden, daß
England Kolonisation und Verwaltungstätigkeit, Deutschland Kunst, wissen¬
schaftliche Forschung, soziale Gesetzgebung und Städtebau (!) vorbehalten bleibt.
Zugegeben wird, daß die Welt als Ganzes ärmer wäre, wenn man aus ihr die
deutschen Weltherrschaftsideale hinwegdenken müßte; immerhin sei „tre Iionour
ok colonisation" nicht mehr zu gewinnen, da sie England schon gewonnen
habe, übrig bleibe für den Nachkommenden lediglich „tre priiis ot Lolonisation".
Der Osten Asiens sei bereits angelsächsisch, ebenso die Vereinigten Staaten von
Amerika. Deutschland habe also allen Grund gegen diese „poxverkul tenclencies"
anzugehen und dabei keine Zeit mehr zu verlieren. Der Verfasser stellt Pro¬
fessor Crambs bekanntes Buch: „Qerrnuny unc! LnZIanä" ohne weiteres den
chauvinistischen Werken Treitschkes gleich und führt aus, jede dieser Theorien
müsse zum Kriege führen. Die letzten großen Fragen in „Politik und Wirt¬
schaft" seien tatsächlich nur durch die Religion zu lösen.
Der Begriff „Weltpolitik" wird sodann an List und Treitschke einerseits,
an Seelen andererseits analysiert und vor allem des letzteren Bemerkung:
„Daß in den letzten 150 Jahren der Menschheitsgeschichte nichts so über¬
raschenden Erfolg gehabt habe als die Borussifizierung Deutschlands" hervor¬
gehoben. Demgegenüber müsse England nicht nur den Anspruch erheben, in
der ersten Reihe der Staaten, sondern über den Staaten des Kontinents zu
rangieren, wenn es seinen Handel nicht neuen und ernsten Gefahren aussetzen
wolle. Die Deutschland zugeschriebenen Ausdehnungs- und Kolonisationsideen
werden unter Anführung von Zitaten englischer Schriftsteller im übrigen als
durchaus berechtigt dargestellt, so z. B. Seite 327 als „an integral element.
ok vuae Seele^ ealls tre .siZnikieanLö' or iirst rutenesZ ok u mociern
State". Man traut wirklich seinen Augen kaum, wenn man da liest: „ein
großes Volk könne der Kolonien oder der kolonisatorischen Tätigkeit ebenso
wenig entbehren wie eine Kirche der Missionstätigkeit" und daß Deutschland
zwar die „lui88ionar^ iäeu" hatte, aber „xvitnout any uclasquate eolonial
outlet". Die wahren Feinde Deutschlands seien eben Geschichte und Geographie,
die an seinem Zuspätkommen die Schuld trügen. Der englische Verfasser gibt
auch den enormen und ganz ungebührlichen Verlust zu, der für Deutschland
durch die Auswanderung seiner Bürger in fremde Länder „vitnout obtaininZ
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