Manjkow wegen ähnlicher Ideen aus der Dumafraktion ausgeschlossen worden ist. daß aber doch Tendenzen in ihr vorhanden sind, die sich Plechanows Leid. sähen nähern. Die Haltung der paar Fraktionsmitglieder hat aber lange nicht die Bedeutung wie bei uns. Es kommt in Rußland auf die Haltung der Arbeiter, der Gruppen und Organisationen, in denen sie zusammengefaßt sind, felbst an. Dabei ist Folgendes zu bemerken.
Das Organisationskomitee der russischen Sozialdemokratie (O. K. S. D. R.P.), die Vertretung des Menschewiki -- auch Okisten genannt --, die immer einen liquidatorischen opportunistischen Standpunkt verfolgt haben, ist mit einer eigenen Proklamation aufgetreten, sie ist in der vom auswärtigen Sekretariat heraus¬ gegebenen Zeitschrift "Die Internationale und der Krieg" abgedruckt und be¬ ginnt mit den Worten:
"Genossen! Im Feuer des Weltkrieges, das unser Land ergriffen hat, sind alle widerlichen Eiterbeulen unseres astatischen Regimes offen zu Tage getreten .... Das alte Regime, das mit seiner Bedrückung ganz Rußland verseucht hat, bringt Zersetzung und Tod mit sich . . . . Ist es nicht ein verräterischer Stoß in den Rücken, wenn im Moment der Kriegsgefahr die Regierung die Armee und die dunklen Massen auf ganze Nationalitäten hetzt und einen Teil der Armee gegen den anderen mobil macht? Wie soll man es anders nennen, wenn im Augenblick, wo die Geschicke des Landes entschieden werden, wo die Anspannung aller Energie nötig ist. die Regierung das Land an Händen und Füßen fesselt? Der ärgste Feind Rußlands könnte nichts schlimmeres für das Land erfinden als die Goremykinsche Negierung."
Sodann folgt ein Abriß der Tätigkeit der Regierung gegen die Juden, eine Beschreibung der Ereignisse von Kostroma und Jwano Wosnessensk. der Urteile der Feldgerichte und der bürgerlichen Gerichte gegen die Arbeiterklasse. Es wird auch hier der Absicht der reaktionären Klassen gedacht, einen Separat¬ frieden zu schließen. Dann heißt es weiter:
"Das Land ist am Rande des Abgrunds! Seine Errettung fordert vor allem den Sturz der gegenwärtigen Regierung. In der sich vorbe¬ reitenden Revolution soll das Proletariat den Platz der Avantgarde der Demokratie einnehmen. Der Sturz der zarischen Regierung, des alten Feindes des russischen Volkes muß sich in dem schwierigen Augenblick des Eindringens der fremden Heere vollziehen, wo auf den Schlachtfeldern das Blut der Völker fließt und die Geschicke des Landes und ganz Europas sich entscheiden."
Dazu gehört, so wird weiter ausgeführt, ein klares revolutionäres Be¬ wußtsein. Die Bemühungen der Reaktion, das Volk gegen die Armee auszu¬ spielen, müßten hintertrieben werden. Kleine revolutionäre Putsche und Aus¬ brüche des Unwillens, die gegenwärtig unvermeidlich seien, dürften doch nie¬ mals die große Idee der gesamten revolutionären Erhebung "zerstäuben" lassen.
Revolutionäre Strömungen in Rußland
Manjkow wegen ähnlicher Ideen aus der Dumafraktion ausgeschlossen worden ist. daß aber doch Tendenzen in ihr vorhanden sind, die sich Plechanows Leid. sähen nähern. Die Haltung der paar Fraktionsmitglieder hat aber lange nicht die Bedeutung wie bei uns. Es kommt in Rußland auf die Haltung der Arbeiter, der Gruppen und Organisationen, in denen sie zusammengefaßt sind, felbst an. Dabei ist Folgendes zu bemerken.
Das Organisationskomitee der russischen Sozialdemokratie (O. K. S. D. R.P.), die Vertretung des Menschewiki — auch Okisten genannt —, die immer einen liquidatorischen opportunistischen Standpunkt verfolgt haben, ist mit einer eigenen Proklamation aufgetreten, sie ist in der vom auswärtigen Sekretariat heraus¬ gegebenen Zeitschrift „Die Internationale und der Krieg" abgedruckt und be¬ ginnt mit den Worten:
„Genossen! Im Feuer des Weltkrieges, das unser Land ergriffen hat, sind alle widerlichen Eiterbeulen unseres astatischen Regimes offen zu Tage getreten .... Das alte Regime, das mit seiner Bedrückung ganz Rußland verseucht hat, bringt Zersetzung und Tod mit sich . . . . Ist es nicht ein verräterischer Stoß in den Rücken, wenn im Moment der Kriegsgefahr die Regierung die Armee und die dunklen Massen auf ganze Nationalitäten hetzt und einen Teil der Armee gegen den anderen mobil macht? Wie soll man es anders nennen, wenn im Augenblick, wo die Geschicke des Landes entschieden werden, wo die Anspannung aller Energie nötig ist. die Regierung das Land an Händen und Füßen fesselt? Der ärgste Feind Rußlands könnte nichts schlimmeres für das Land erfinden als die Goremykinsche Negierung."
Sodann folgt ein Abriß der Tätigkeit der Regierung gegen die Juden, eine Beschreibung der Ereignisse von Kostroma und Jwano Wosnessensk. der Urteile der Feldgerichte und der bürgerlichen Gerichte gegen die Arbeiterklasse. Es wird auch hier der Absicht der reaktionären Klassen gedacht, einen Separat¬ frieden zu schließen. Dann heißt es weiter:
„Das Land ist am Rande des Abgrunds! Seine Errettung fordert vor allem den Sturz der gegenwärtigen Regierung. In der sich vorbe¬ reitenden Revolution soll das Proletariat den Platz der Avantgarde der Demokratie einnehmen. Der Sturz der zarischen Regierung, des alten Feindes des russischen Volkes muß sich in dem schwierigen Augenblick des Eindringens der fremden Heere vollziehen, wo auf den Schlachtfeldern das Blut der Völker fließt und die Geschicke des Landes und ganz Europas sich entscheiden."
Dazu gehört, so wird weiter ausgeführt, ein klares revolutionäres Be¬ wußtsein. Die Bemühungen der Reaktion, das Volk gegen die Armee auszu¬ spielen, müßten hintertrieben werden. Kleine revolutionäre Putsche und Aus¬ brüche des Unwillens, die gegenwärtig unvermeidlich seien, dürften doch nie¬ mals die große Idee der gesamten revolutionären Erhebung „zerstäuben" lassen.
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Revolutionäre Strömungen in Rußland
Manjkow wegen ähnlicher Ideen aus der Dumafraktion ausgeschlossen worden
ist. daß aber doch Tendenzen in ihr vorhanden sind, die sich Plechanows Leid.
sähen nähern. Die Haltung der paar Fraktionsmitglieder hat aber lange nicht
die Bedeutung wie bei uns. Es kommt in Rußland auf die Haltung der
Arbeiter, der Gruppen und Organisationen, in denen sie zusammengefaßt sind,
felbst an. Dabei ist Folgendes zu bemerken.
Das Organisationskomitee der russischen Sozialdemokratie (O. K. S. D. R.P.),
die Vertretung des Menschewiki — auch Okisten genannt —, die immer einen
liquidatorischen opportunistischen Standpunkt verfolgt haben, ist mit einer eigenen
Proklamation aufgetreten, sie ist in der vom auswärtigen Sekretariat heraus¬
gegebenen Zeitschrift „Die Internationale und der Krieg" abgedruckt und be¬
ginnt mit den Worten:
„Genossen! Im Feuer des Weltkrieges, das unser Land ergriffen
hat, sind alle widerlichen Eiterbeulen unseres astatischen Regimes offen
zu Tage getreten .... Das alte Regime, das mit seiner Bedrückung
ganz Rußland verseucht hat, bringt Zersetzung und Tod mit sich . . . .
Ist es nicht ein verräterischer Stoß in den Rücken, wenn im Moment
der Kriegsgefahr die Regierung die Armee und die dunklen Massen auf
ganze Nationalitäten hetzt und einen Teil der Armee gegen den anderen
mobil macht? Wie soll man es anders nennen, wenn im Augenblick,
wo die Geschicke des Landes entschieden werden, wo die Anspannung
aller Energie nötig ist. die Regierung das Land an Händen und Füßen
fesselt? Der ärgste Feind Rußlands könnte nichts schlimmeres für das
Land erfinden als die Goremykinsche Negierung."
Sodann folgt ein Abriß der Tätigkeit der Regierung gegen die Juden,
eine Beschreibung der Ereignisse von Kostroma und Jwano Wosnessensk. der
Urteile der Feldgerichte und der bürgerlichen Gerichte gegen die Arbeiterklasse.
Es wird auch hier der Absicht der reaktionären Klassen gedacht, einen Separat¬
frieden zu schließen. Dann heißt es weiter:
„Das Land ist am Rande des Abgrunds! Seine Errettung fordert
vor allem den Sturz der gegenwärtigen Regierung. In der sich vorbe¬
reitenden Revolution soll das Proletariat den Platz der Avantgarde der
Demokratie einnehmen. Der Sturz der zarischen Regierung, des alten
Feindes des russischen Volkes muß sich in dem schwierigen Augenblick des
Eindringens der fremden Heere vollziehen, wo auf den Schlachtfeldern
das Blut der Völker fließt und die Geschicke des Landes und ganz
Europas sich entscheiden."
Dazu gehört, so wird weiter ausgeführt, ein klares revolutionäres Be¬
wußtsein. Die Bemühungen der Reaktion, das Volk gegen die Armee auszu¬
spielen, müßten hintertrieben werden. Kleine revolutionäre Putsche und Aus¬
brüche des Unwillens, die gegenwärtig unvermeidlich seien, dürften doch nie¬
mals die große Idee der gesamten revolutionären Erhebung „zerstäuben" lassen.
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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/21>, abgerufen am 23.01.2025.
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