Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gallien!

Es ist doch klar, daß Galliern als französischer Offizier zweifellos im
Gedanken an die Möglichkeit eines späteren Krieges mit Deutschland groß ge¬
worden ist. Er nahm aber offenbar als selbstverständlich an, daß in einem
solchen Krieg die Kolonien im Hinblick auf die gemeinsamen Interessen der
weißen Rasse gegenüber den Eingeborenen aus dem Spiel bleiben müßten. Ein
im Kolonialdienst grau gewordener Offizier wie Galliern kennt zu gut die
Schädlichkeit solcher Kämpfe: er weiß, daß das Schicksal der Kolonien auf den
heimischen Schlachtfeldern entschieden wird und daß es daher sinnlos ist, die
schwer erkauften Kulturerrungenschasten draußen und das Ansehen der weißen
Rasse bei den Eingeborenen aufs Spiel zu setzen.

Bei aller Herzlichkeit selbst eines langjährigen Gedankenaustausches mit
Deutschen brauchen wir uns aber keineswegs einzubilden, daß Galliern etwa
deutschfreundlich im politischen Sinne genannt werden kann. Er denkt in seiner
jetzigen Stellung schwerlich daran, uns irgend etwas zu ersparen, und wird im
Gegenteil alles daran setzen, uns zu schaden und uns niederzuzwingen. Er ist
unser Feind, und ein energischer und geistig hochstehender dazu, und wenn wir,
wie wir zuversichtlich hoffen, der Franzosen endgültig Herr werden, so hat dies
sicherlich nicht an Galliern gelegen. Aber darüber hinaus wird auch eines
Tages die Zeit kommen, da man über den Frieden reden wird, da auf beiden
Seiten Männer gesucht sein werden, die nicht sinnlose Hasser sind, sondern in
verständnisvoller Würdigung des Gegners die Dinge zu wägen verstehen. Da
können wir wohl annehmen, soweit dabei der gegenwärtige französische Kriegs¬
minister in Betracht kommt, daß sich mit einem Manne, der sich so sehr bemüht
hat, in deutsches Wesen einzudringen, daß er Deutsch sogar mit deutschen Buch¬
staben schreibt, eines Tages auch deutsch reden läßt.




Gallien!

Es ist doch klar, daß Galliern als französischer Offizier zweifellos im
Gedanken an die Möglichkeit eines späteren Krieges mit Deutschland groß ge¬
worden ist. Er nahm aber offenbar als selbstverständlich an, daß in einem
solchen Krieg die Kolonien im Hinblick auf die gemeinsamen Interessen der
weißen Rasse gegenüber den Eingeborenen aus dem Spiel bleiben müßten. Ein
im Kolonialdienst grau gewordener Offizier wie Galliern kennt zu gut die
Schädlichkeit solcher Kämpfe: er weiß, daß das Schicksal der Kolonien auf den
heimischen Schlachtfeldern entschieden wird und daß es daher sinnlos ist, die
schwer erkauften Kulturerrungenschasten draußen und das Ansehen der weißen
Rasse bei den Eingeborenen aufs Spiel zu setzen.

Bei aller Herzlichkeit selbst eines langjährigen Gedankenaustausches mit
Deutschen brauchen wir uns aber keineswegs einzubilden, daß Galliern etwa
deutschfreundlich im politischen Sinne genannt werden kann. Er denkt in seiner
jetzigen Stellung schwerlich daran, uns irgend etwas zu ersparen, und wird im
Gegenteil alles daran setzen, uns zu schaden und uns niederzuzwingen. Er ist
unser Feind, und ein energischer und geistig hochstehender dazu, und wenn wir,
wie wir zuversichtlich hoffen, der Franzosen endgültig Herr werden, so hat dies
sicherlich nicht an Galliern gelegen. Aber darüber hinaus wird auch eines
Tages die Zeit kommen, da man über den Frieden reden wird, da auf beiden
Seiten Männer gesucht sein werden, die nicht sinnlose Hasser sind, sondern in
verständnisvoller Würdigung des Gegners die Dinge zu wägen verstehen. Da
können wir wohl annehmen, soweit dabei der gegenwärtige französische Kriegs¬
minister in Betracht kommt, daß sich mit einem Manne, der sich so sehr bemüht
hat, in deutsches Wesen einzudringen, daß er Deutsch sogar mit deutschen Buch¬
staben schreibt, eines Tages auch deutsch reden läßt.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329871"/>
          <fw type="header" place="top"> Gallien!</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_630"> Es ist doch klar, daß Galliern als französischer Offizier zweifellos im<lb/>
Gedanken an die Möglichkeit eines späteren Krieges mit Deutschland groß ge¬<lb/>
worden ist. Er nahm aber offenbar als selbstverständlich an, daß in einem<lb/>
solchen Krieg die Kolonien im Hinblick auf die gemeinsamen Interessen der<lb/>
weißen Rasse gegenüber den Eingeborenen aus dem Spiel bleiben müßten. Ein<lb/>
im Kolonialdienst grau gewordener Offizier wie Galliern kennt zu gut die<lb/>
Schädlichkeit solcher Kämpfe: er weiß, daß das Schicksal der Kolonien auf den<lb/>
heimischen Schlachtfeldern entschieden wird und daß es daher sinnlos ist, die<lb/>
schwer erkauften Kulturerrungenschasten draußen und das Ansehen der weißen<lb/>
Rasse bei den Eingeborenen aufs Spiel zu setzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_631"> Bei aller Herzlichkeit selbst eines langjährigen Gedankenaustausches mit<lb/>
Deutschen brauchen wir uns aber keineswegs einzubilden, daß Galliern etwa<lb/>
deutschfreundlich im politischen Sinne genannt werden kann. Er denkt in seiner<lb/>
jetzigen Stellung schwerlich daran, uns irgend etwas zu ersparen, und wird im<lb/>
Gegenteil alles daran setzen, uns zu schaden und uns niederzuzwingen. Er ist<lb/>
unser Feind, und ein energischer und geistig hochstehender dazu, und wenn wir,<lb/>
wie wir zuversichtlich hoffen, der Franzosen endgültig Herr werden, so hat dies<lb/>
sicherlich nicht an Galliern gelegen. Aber darüber hinaus wird auch eines<lb/>
Tages die Zeit kommen, da man über den Frieden reden wird, da auf beiden<lb/>
Seiten Männer gesucht sein werden, die nicht sinnlose Hasser sind, sondern in<lb/>
verständnisvoller Würdigung des Gegners die Dinge zu wägen verstehen. Da<lb/>
können wir wohl annehmen, soweit dabei der gegenwärtige französische Kriegs¬<lb/>
minister in Betracht kommt, daß sich mit einem Manne, der sich so sehr bemüht<lb/>
hat, in deutsches Wesen einzudringen, daß er Deutsch sogar mit deutschen Buch¬<lb/>
staben schreibt, eines Tages auch deutsch reden läßt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0203] Gallien! Es ist doch klar, daß Galliern als französischer Offizier zweifellos im Gedanken an die Möglichkeit eines späteren Krieges mit Deutschland groß ge¬ worden ist. Er nahm aber offenbar als selbstverständlich an, daß in einem solchen Krieg die Kolonien im Hinblick auf die gemeinsamen Interessen der weißen Rasse gegenüber den Eingeborenen aus dem Spiel bleiben müßten. Ein im Kolonialdienst grau gewordener Offizier wie Galliern kennt zu gut die Schädlichkeit solcher Kämpfe: er weiß, daß das Schicksal der Kolonien auf den heimischen Schlachtfeldern entschieden wird und daß es daher sinnlos ist, die schwer erkauften Kulturerrungenschasten draußen und das Ansehen der weißen Rasse bei den Eingeborenen aufs Spiel zu setzen. Bei aller Herzlichkeit selbst eines langjährigen Gedankenaustausches mit Deutschen brauchen wir uns aber keineswegs einzubilden, daß Galliern etwa deutschfreundlich im politischen Sinne genannt werden kann. Er denkt in seiner jetzigen Stellung schwerlich daran, uns irgend etwas zu ersparen, und wird im Gegenteil alles daran setzen, uns zu schaden und uns niederzuzwingen. Er ist unser Feind, und ein energischer und geistig hochstehender dazu, und wenn wir, wie wir zuversichtlich hoffen, der Franzosen endgültig Herr werden, so hat dies sicherlich nicht an Galliern gelegen. Aber darüber hinaus wird auch eines Tages die Zeit kommen, da man über den Frieden reden wird, da auf beiden Seiten Männer gesucht sein werden, die nicht sinnlose Hasser sind, sondern in verständnisvoller Würdigung des Gegners die Dinge zu wägen verstehen. Da können wir wohl annehmen, soweit dabei der gegenwärtige französische Kriegs¬ minister in Betracht kommt, daß sich mit einem Manne, der sich so sehr bemüht hat, in deutsches Wesen einzudringen, daß er Deutsch sogar mit deutschen Buch¬ staben schreibt, eines Tages auch deutsch reden läßt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/203
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/203>, abgerufen am 15.01.2025.