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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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König Nikola von Montenegro und seine Politik

und die Montenegriner erklärten, daß sie ohne die Weideplätze ihr Vieh nicht
ernähren könnten, nahm Nikola sie 1670 gemütlich wieder in Besitz. Das
wollten sich die Türken natürlich nicht gefallen lassen und sie schlugen Lärm.
Und was war das Ende? ... Die Türken zahlten, um den "guten Freund"
in Cetinje nicht zu verschnupfen und seine Stellung gegenüber seinen Unter¬
tanen nicht zu erschüttern, abermals eine Million Piaster und -- ließen die
Weideplätze in montenegrinischen Händen! Dieses seltsame Geschäft fand
natürlich den größten Beifall seitens der braven Montenegriner und seit jener
Zeit galt ihnen ihr Fürst als die Krone aller GeriebenheitI

Ende 1874 wurden 22 waffenlos auf den Markt nach Podgorica kommende
Montenegriner ohne Anlaß von fanatischen Türken ermordet. Dies führte fast
zum Kriegsausbruch. Aber Montenegro war damals noch nicht gerüstet. Es
besaß nur 16 gezogene Gebirgsgeschütze, 10000 russische Krukä-Hinterlader,
einige tausend österreichische Werndl- und Wänzel-Gewehre, sonst nur Vorder¬
lader. Das genügte nicht zur Bewaffnung aller Montenegriner. Deshalb
begann Nikola sich mit Rußland behufs Einfuhr von Waffen zu verständigen,
doch war eine solche ohne Zustimmung Österreichs und der Türkei unmöglich, weil
Montenegro vom Meere abgeschnitten war. Da dachte Nikola an eine Aufstachlung
der Herzegowina, die längst mit dem Türkenjoch unzufrieden waren und von
denen die Rechtgläubigen den Anschluß an Montenogro, die Katholiken jenen
an Osterreich wünschten. Aus letzterem Grunde machte sich Nikola die Reise
des Kaisers Franz Josef nach Dalmatien zunutze, um den Herzegowinern weis¬
zumachen, daß auch Österreich den Aufstand wünsche, und so erhob sich bald
darauf die Herzegowina, indem sie -- österreichische Fahnen aufpflanzte. Ob
der Führer Ljubibratitsch dies im Einverständnis mit Österreich tat, wie Nikola
behauptete, bleibt unklar. Tatsache ist aber, daß der Fürst Sorge trug, daß
Ljubibratitsch beseitigt und an seine Stelle Peko Pavlovitsch zum Führer der
Aufständischen gewählt wurde, der ganz sein Geschöpf war. Allerdings war er
wirklich ein äußerst tüchtiger Führer, der sich an der Spitze der 7000 Herzego¬
wina im Krieg von 1676/78 unsterblichen Ruhm erwarb, aber später von
Nikola ebenso undankbar behandelt wurde, wie so viele andere, die ihm große
Dienste geleistet hatten, so daß er gekränkt nach Bosnien auswanderte und
Österreicher wurde, -- ein Beispiel, dem viele andere Unzufriedene in den
achtziger Jahrer folgten, darunter der reichste Mann Montenegros, der Minister
Mascho Vrbica.

Als der Aufstand im besten Gange war, lud Nikola den Fürsten Milan
ein, mit ihm gemeinsam der Türkei den Krieg zu erklären, um Bosnien und
die Herzegowina zu befreien. Milan ging wohl darauf ein, traute aber dem
geriebenen Fuchs der Schwarzen Berge so wenig, daß er zur Bedingung machte,
erst müßte sich Montenegro im Krieg befinden. Nikola wollte davon nichts
wissen, weil er seinerseits Milan auch nicht traute. Rußland mahnte ab, weil
es mit seinen Rüstungen noch lange nicht fertig sei, aber Nikola erkannte bald,


König Nikola von Montenegro und seine Politik

und die Montenegriner erklärten, daß sie ohne die Weideplätze ihr Vieh nicht
ernähren könnten, nahm Nikola sie 1670 gemütlich wieder in Besitz. Das
wollten sich die Türken natürlich nicht gefallen lassen und sie schlugen Lärm.
Und was war das Ende? ... Die Türken zahlten, um den „guten Freund"
in Cetinje nicht zu verschnupfen und seine Stellung gegenüber seinen Unter¬
tanen nicht zu erschüttern, abermals eine Million Piaster und — ließen die
Weideplätze in montenegrinischen Händen! Dieses seltsame Geschäft fand
natürlich den größten Beifall seitens der braven Montenegriner und seit jener
Zeit galt ihnen ihr Fürst als die Krone aller GeriebenheitI

Ende 1874 wurden 22 waffenlos auf den Markt nach Podgorica kommende
Montenegriner ohne Anlaß von fanatischen Türken ermordet. Dies führte fast
zum Kriegsausbruch. Aber Montenegro war damals noch nicht gerüstet. Es
besaß nur 16 gezogene Gebirgsgeschütze, 10000 russische Krukä-Hinterlader,
einige tausend österreichische Werndl- und Wänzel-Gewehre, sonst nur Vorder¬
lader. Das genügte nicht zur Bewaffnung aller Montenegriner. Deshalb
begann Nikola sich mit Rußland behufs Einfuhr von Waffen zu verständigen,
doch war eine solche ohne Zustimmung Österreichs und der Türkei unmöglich, weil
Montenegro vom Meere abgeschnitten war. Da dachte Nikola an eine Aufstachlung
der Herzegowina, die längst mit dem Türkenjoch unzufrieden waren und von
denen die Rechtgläubigen den Anschluß an Montenogro, die Katholiken jenen
an Osterreich wünschten. Aus letzterem Grunde machte sich Nikola die Reise
des Kaisers Franz Josef nach Dalmatien zunutze, um den Herzegowinern weis¬
zumachen, daß auch Österreich den Aufstand wünsche, und so erhob sich bald
darauf die Herzegowina, indem sie — österreichische Fahnen aufpflanzte. Ob
der Führer Ljubibratitsch dies im Einverständnis mit Österreich tat, wie Nikola
behauptete, bleibt unklar. Tatsache ist aber, daß der Fürst Sorge trug, daß
Ljubibratitsch beseitigt und an seine Stelle Peko Pavlovitsch zum Führer der
Aufständischen gewählt wurde, der ganz sein Geschöpf war. Allerdings war er
wirklich ein äußerst tüchtiger Führer, der sich an der Spitze der 7000 Herzego¬
wina im Krieg von 1676/78 unsterblichen Ruhm erwarb, aber später von
Nikola ebenso undankbar behandelt wurde, wie so viele andere, die ihm große
Dienste geleistet hatten, so daß er gekränkt nach Bosnien auswanderte und
Österreicher wurde, — ein Beispiel, dem viele andere Unzufriedene in den
achtziger Jahrer folgten, darunter der reichste Mann Montenegros, der Minister
Mascho Vrbica.

Als der Aufstand im besten Gange war, lud Nikola den Fürsten Milan
ein, mit ihm gemeinsam der Türkei den Krieg zu erklären, um Bosnien und
die Herzegowina zu befreien. Milan ging wohl darauf ein, traute aber dem
geriebenen Fuchs der Schwarzen Berge so wenig, daß er zur Bedingung machte,
erst müßte sich Montenegro im Krieg befinden. Nikola wollte davon nichts
wissen, weil er seinerseits Milan auch nicht traute. Rußland mahnte ab, weil
es mit seinen Rüstungen noch lange nicht fertig sei, aber Nikola erkannte bald,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/196>, abgerufen am 15.01.2025.