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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Holland und der englische Wirtschaftskrieg

im Dezember 1915 von Graphit, Glycerin und Türkisch Rotöl,

im Januar 1916 von Hanf, Baumwoll- und Leinenlumpen, Stearin.

Fast alle diese Ausfuhrverbote sind, wie bemerkt, in ihrer Wirkung nur
gegen Deutschland gerichtet. Die meisten betreffen Waren, die England sich
jederzeit, Deutschland aber augenblicklich nur mit großen Schwierigkeiten ver¬
schaffen kann.

England hat sich aber nicht damit begnügt, Holland diese Ausfuhrverbote
aufzuzwingen, sondern es überwacht auch deren Durchführung mit stets zu¬
nehmender Schärfe.

So wurde am 25. September 1914 die ganze Nord-Ostgrenze Hollands
von: Rhein bis zum Meer in Belagerungszustand erklärt. Diese Maßnahme
hatte keine militärischen Gründe, sondern lediglich den Zweck, die Durchfuhr
nach Deutschland zu erschweren. Kurz, ehe das Verbot erging, war der da¬
malige Handelsminister, jetzige Finanzminister Treub, in London gewesen.

Ende Oktober folgte dann eine Verfügung der holländischen Regierung,
worin die Bedingungen der Durchfuhr, die, wie erwähnt, vertragsmäßig frei¬
zulassen war, derart verklausuliert wurden, daß von einer freien Durchfuhr,
die ohnehin schon so gut wie aufgehört hatte, nur noch dem Namen nach die
Rede sein konnte.

Der Hauptschlag Englands gegen den deutschen Handel erfolgte dann im
November 1914 mittels der Gründung der Nederlandschen Ooerzee Trust Maat-
schappv (N. O. T.), die am 24. November 1914 im Haag errichtet wurde und
ihre Tätigkeit im Januar 1915 aufnahm. An der Spitze der Gesellschaft steht
Herr van Aalst, der Präsident der Nederlandschen Handels Maatschappy. Er
sowohl wie seine Mitgründer sind Niederländer und arbeiten, wie sie sagen
und -- wie wir gerne annehmen wollen -- auch glauben, lediglich im hol¬
ländischen Interesse. In Wirklichkeit wurde der N. O. T. sehr bald ein Werk¬
zeug Englands, das ihn als Mittel zur Durchführung des englischen Aus¬
hungerungsplanes zu benutzen gedachte. An sich schien die Gründung ganz
harmlos, wie es ja England -- Meister in Heuchelei jeder Art -- überhaupt
versteht, weitgreifende Absichten mit einer unauffälligen und unscheinbaren Form
zu umkleiden. England erklärte lediglich, es sei gerne bereit, Waren, die wirklich
für Holland bestimmt seien und dort verkauft werden sollten, durchzulassen.
Nur sei es zu umständlich, von jedem der vielen Besteller einzeln die Papiere
nachzuprüfen. Es sei daher erwünscht, eine Zwischeninstanz zu schaffen, die diese
Kontrolle übernehme und der englischen Regierung eine Gewähr dafür biete,
daß die Ware wirklich im Lande verbleibe. Die an diese Zwischeninstanz kon-
signierteu Güter werde England dann ohne weiteres durchlassen. Anfangs
wollte die Niederländische Regierung selbst sich dazu verstehen, in gewissen
Fällen diese Vermittlerrolle zu spielen und überseeische Waren für Private in
Empfang zu nehmen. Sie wäre aber dadurch früher oder später in eine
schwierige Lage gegenüber der englischen Regierung gekommen und begrüßte


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Holland und der englische Wirtschaftskrieg

im Dezember 1915 von Graphit, Glycerin und Türkisch Rotöl,

im Januar 1916 von Hanf, Baumwoll- und Leinenlumpen, Stearin.

Fast alle diese Ausfuhrverbote sind, wie bemerkt, in ihrer Wirkung nur
gegen Deutschland gerichtet. Die meisten betreffen Waren, die England sich
jederzeit, Deutschland aber augenblicklich nur mit großen Schwierigkeiten ver¬
schaffen kann.

England hat sich aber nicht damit begnügt, Holland diese Ausfuhrverbote
aufzuzwingen, sondern es überwacht auch deren Durchführung mit stets zu¬
nehmender Schärfe.

So wurde am 25. September 1914 die ganze Nord-Ostgrenze Hollands
von: Rhein bis zum Meer in Belagerungszustand erklärt. Diese Maßnahme
hatte keine militärischen Gründe, sondern lediglich den Zweck, die Durchfuhr
nach Deutschland zu erschweren. Kurz, ehe das Verbot erging, war der da¬
malige Handelsminister, jetzige Finanzminister Treub, in London gewesen.

Ende Oktober folgte dann eine Verfügung der holländischen Regierung,
worin die Bedingungen der Durchfuhr, die, wie erwähnt, vertragsmäßig frei¬
zulassen war, derart verklausuliert wurden, daß von einer freien Durchfuhr,
die ohnehin schon so gut wie aufgehört hatte, nur noch dem Namen nach die
Rede sein konnte.

Der Hauptschlag Englands gegen den deutschen Handel erfolgte dann im
November 1914 mittels der Gründung der Nederlandschen Ooerzee Trust Maat-
schappv (N. O. T.), die am 24. November 1914 im Haag errichtet wurde und
ihre Tätigkeit im Januar 1915 aufnahm. An der Spitze der Gesellschaft steht
Herr van Aalst, der Präsident der Nederlandschen Handels Maatschappy. Er
sowohl wie seine Mitgründer sind Niederländer und arbeiten, wie sie sagen
und — wie wir gerne annehmen wollen — auch glauben, lediglich im hol¬
ländischen Interesse. In Wirklichkeit wurde der N. O. T. sehr bald ein Werk¬
zeug Englands, das ihn als Mittel zur Durchführung des englischen Aus¬
hungerungsplanes zu benutzen gedachte. An sich schien die Gründung ganz
harmlos, wie es ja England — Meister in Heuchelei jeder Art — überhaupt
versteht, weitgreifende Absichten mit einer unauffälligen und unscheinbaren Form
zu umkleiden. England erklärte lediglich, es sei gerne bereit, Waren, die wirklich
für Holland bestimmt seien und dort verkauft werden sollten, durchzulassen.
Nur sei es zu umständlich, von jedem der vielen Besteller einzeln die Papiere
nachzuprüfen. Es sei daher erwünscht, eine Zwischeninstanz zu schaffen, die diese
Kontrolle übernehme und der englischen Regierung eine Gewähr dafür biete,
daß die Ware wirklich im Lande verbleibe. Die an diese Zwischeninstanz kon-
signierteu Güter werde England dann ohne weiteres durchlassen. Anfangs
wollte die Niederländische Regierung selbst sich dazu verstehen, in gewissen
Fällen diese Vermittlerrolle zu spielen und überseeische Waren für Private in
Empfang zu nehmen. Sie wäre aber dadurch früher oder später in eine
schwierige Lage gegenüber der englischen Regierung gekommen und begrüßte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/175>, abgerufen am 15.01.2025.