Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Der neue Sohn des Himmels Heimat zu sammeln. Der Volksmund sagte damals, er führe das Leben eines In den Jahren bis zu seiner Verbannung habe ich Juan mehrfach in Die Zeit ging unterdessen ihren Lauf. In den Jahren 1909, 1910 und 10*
Der neue Sohn des Himmels Heimat zu sammeln. Der Volksmund sagte damals, er führe das Leben eines In den Jahren bis zu seiner Verbannung habe ich Juan mehrfach in Die Zeit ging unterdessen ihren Lauf. In den Jahren 1909, 1910 und 10*
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Der neue Sohn des Himmels
Heimat zu sammeln. Der Volksmund sagte damals, er führe das Leben eines
einfachen Landmannes, der Cincinatti Chinas. Doch Juan war nicht still.
Auch in dieser Zeit liefen die politischen Fäden in seiner Hand zusammen.
Ständig gingen die Boten hin und her. In Peking hielt unterdessen sein
ältester Sohn, Juankoting, die Wacht für ihn.
In den Jahren bis zu seiner Verbannung habe ich Juan mehrfach in
Peking gesehen. Er war hagerer im Gesicht geworden. Die Haare fingen an,
leicht zu ergrauen, die Stirn hatte Falten bekommen, nur die bezwingender
Augen brannten im alten Feuer. In seiner Kleidung war er oft merkwürdig
vernachlässigt. Als er Peking verlassen hatte, fügte es sich, daß ich mit seinem
Lieblingssohne Uuankoting sehr oft in Berührung kam. Ich bin in dieser Zeit
viel in dem dem alten Unan gehörenden Hause nahe dem östlichen Blumentor
der kaiserlichen Stadt gewesen. Es ist einer jener großen aber doch nicht sehr
weitläufigen Namen, der in seinem Innern zahlreiche, durch Galerien verbundene
Häuser, Felsengärten und kleinere Höfe aufweist, wo Duanschikai und seine
Familie, wenn sie in Peking weilten, wohnten. Der älteste Sohn des jetzigen
Kaisers ist ein sehr intelligenter, wenn auch nervöser Mensch. Er besitzt eine
außerordentliche Lernbegier und hat sich zu diesem Zwecke eine sehr umfangreiche
und gediegene Bibliothek europäischer Schriftsteller zugelegt. Unter diesen
Werken fand ich viele unserer großen Militärschriftsteller. Clausewitz und
Moltke, sogar Friedrich der Große waren vertreten. Einem Chinesen fehlt aber
leider jegliche Grundlage zum Studium der Gedanken dieser großen Geister.
Militärisch-strategische Ausführungen sind dem Chinesen genau so fremd, wie uns
die Irrwege und merkwürdigen Mittel orientalischer Politik. In meinen Unter.
Haltungen mit dem jungen Unan, die wir neben unseren Sprachstudien oft führten,
fand ich daher bald heraus, daß ihm die Auffassung, die wir von Vaterlands¬
liebe und Hingabe unseres Besten für das Vaterland haben, fremd blieb.
Dieser Lieblingssohn Duanschikais hatte später das Unglück, sich bei einem Sturz
mit dem Pferde einen schweren Schädelbruch zuzuziehen, der sehr schlecht aus¬
geheilt wurde. Im Winter 1913/1914 versuchte er — zu spät allerdings —
hier in Deutschland Heilung, eventuell durch chirurgischen Eingriff. Der drohende
Weltkrieg zog ihn vorzeitig nach seiner Heimat zurück. In der Zeit meines
Verkehrs mit ihm habe ich oft in seinem Hause die Männer gesehen, die jetzt
wieder um Uucmschikai sitzen und seine treuesten Stützen sind.
Die Zeit ging unterdessen ihren Lauf. In den Jahren 1909, 1910 und
1911 wirtschaftete der schwache Prinzregent vollkommen auf Abbruch. Die
Zustände bei Hofe kann man wohl ruhig als schamlose bezeichnen. Weiber,
besonders aber die Pest Chinas, die Eunuchen, eine unglaubliche Zahl ruchloses
Gesindel von Hofbediensteten, habgierige Prinzen und Beamte, und nicht zum
wenigsten europäische Charlatane aller Nationen, spielten eine gewisse Rolle,
was in China gleichbedeutend ist mit schnellem Geldverdienen. Niesenkonzessionen
wurden an Unwürdige verschleudert, das Geld lag wirklich in Peking manchmal
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