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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Die Hohenzollern und die akademische Jugend

Brüder wie Prinz Eitel Friedrich und August Wilhelm. Nicht als Prinzen des
Königshauses weilten sie in der Musenstadt, sondern als lernende Kommilitonen
unter Kommilitonen, und August Wilhelm, der 1908 in Straßburg seine
Studien mit der regelrecht bestandenen Doktorprüfung abschloß, hielt sogar streng
einen umfangreichen Stundenplan inne, der für viele Musensöhne vorbildlich sein
könnte. Auch am studentischen Leben nahmen die Hohenzollernprinzen Anteil,
und zwar ward dem Korps Borussia in Bonn die Ehre zuteil, zu ihnen in
enge Beziehungen zu treten. Prinz Friedrich Karl gehörte der Verbindung
offiziell als Konkneipant an; der spätere Kaiser Friedrich verkehrte oft und
gern in ihrem Kreise; Kaiser Wilhelm war vier Semester als Konkneipant und
dann als Inhaber der Korpsschleife aktiv, und der jetzige Kronprinz wurde
regelrecht aufgenommen, und zwar unterschied sich die Feier in keiner Weise
von der sonstigen Aufnahme eines Fuchses. Und diese Berührung war nicht nur
oberflächlicher Natur. Kaiser Wilhelm schied aus dem Kreise seiner Korpsbrüder
mit "tiefstem, innigstem Schmerz" und rühmte von sich: "Ich habe den in den
Bonner Korps herrschenden Geist kennen gelernt, sowohl auf der Kneipe wie
auf der Mensur. Es ist ein guter, deutscher, braver Geist, dem auch ich treu
bleiben werde bis an mein Ende." Und bei einem Korpskommers in Bonn hielt
er 1891 eine von den anderen studentischen Gruppen keineswegs gebilligte Lobrede
auf die Korps und ihre Ziele. "Es ist meine feste Überzeugung", sagte er,
"daß jeder junge Mann, der in ein Korps eintritt, durch den Geist, welcher in
demselben herrscht, und mit diesem Geist seine wahre Richtung fürs Leben
erhält. Denn es ist die beste Erziehung, die ein junger Mann für fein
späteres Leben bekommt. Und wer über die deutschen Korps spottet, der
kennt ihre wahre Tendenz nicht. -- Ich hoffe, daß, solange es deutsche
Korpsstudenten gibt, der Geist, wie er im Korps gepflegt wird und
durch den Kraft und Mut gestählt wird, erhalten bleibt und daß Sie zu allen
Zeiten freudig den Schläger führen werden. Unsere Mensuren werden im
Publikum vielfach nicht verstanden. Das soll uns aber nicht irre machen.
Wir, die wir Korpsstudenten gewesen sind, wie ich, wir wissen das besser.
Wie im Mittelalter durch die Turniere der Mut und die Kraft des Mannes
gestählt wurden, so wird auch durch den Geist und das Leben im Korps der
Grad von Festigkeit erworben, der später im großen Leben nötig ist und der
bestehen wird, solange es deutsche Universitäten gibt."

Wenn auch Kaiser Wilhelm der Zweite somit innerlich überzeugter Korps¬
student ist, so hat er besonders in den späteren Jahren, auch mit anderen
studentischen Gruppen Fühlung genommen. Ihm verdankte insbesondere die
technische Studentenschaft dadurch eine bedeutsame Hebung ihres Ansehens, daß
er 1899 die Technischen Hochschulen durch Verleihung des Promotionsrechtes
den Universitäten gleichstellte. Und wie sehr er Verdienste einzelner Gruppen
zu schätzen wußte, das zeigte 1896 sein Telegramm an den Charlottenburger
Berein "Hülle", dem er für seine ihm wohlbekannte "treue wissenschaftliche


Die Hohenzollern und die akademische Jugend

Brüder wie Prinz Eitel Friedrich und August Wilhelm. Nicht als Prinzen des
Königshauses weilten sie in der Musenstadt, sondern als lernende Kommilitonen
unter Kommilitonen, und August Wilhelm, der 1908 in Straßburg seine
Studien mit der regelrecht bestandenen Doktorprüfung abschloß, hielt sogar streng
einen umfangreichen Stundenplan inne, der für viele Musensöhne vorbildlich sein
könnte. Auch am studentischen Leben nahmen die Hohenzollernprinzen Anteil,
und zwar ward dem Korps Borussia in Bonn die Ehre zuteil, zu ihnen in
enge Beziehungen zu treten. Prinz Friedrich Karl gehörte der Verbindung
offiziell als Konkneipant an; der spätere Kaiser Friedrich verkehrte oft und
gern in ihrem Kreise; Kaiser Wilhelm war vier Semester als Konkneipant und
dann als Inhaber der Korpsschleife aktiv, und der jetzige Kronprinz wurde
regelrecht aufgenommen, und zwar unterschied sich die Feier in keiner Weise
von der sonstigen Aufnahme eines Fuchses. Und diese Berührung war nicht nur
oberflächlicher Natur. Kaiser Wilhelm schied aus dem Kreise seiner Korpsbrüder
mit „tiefstem, innigstem Schmerz" und rühmte von sich: „Ich habe den in den
Bonner Korps herrschenden Geist kennen gelernt, sowohl auf der Kneipe wie
auf der Mensur. Es ist ein guter, deutscher, braver Geist, dem auch ich treu
bleiben werde bis an mein Ende." Und bei einem Korpskommers in Bonn hielt
er 1891 eine von den anderen studentischen Gruppen keineswegs gebilligte Lobrede
auf die Korps und ihre Ziele. „Es ist meine feste Überzeugung", sagte er,
„daß jeder junge Mann, der in ein Korps eintritt, durch den Geist, welcher in
demselben herrscht, und mit diesem Geist seine wahre Richtung fürs Leben
erhält. Denn es ist die beste Erziehung, die ein junger Mann für fein
späteres Leben bekommt. Und wer über die deutschen Korps spottet, der
kennt ihre wahre Tendenz nicht. — Ich hoffe, daß, solange es deutsche
Korpsstudenten gibt, der Geist, wie er im Korps gepflegt wird und
durch den Kraft und Mut gestählt wird, erhalten bleibt und daß Sie zu allen
Zeiten freudig den Schläger führen werden. Unsere Mensuren werden im
Publikum vielfach nicht verstanden. Das soll uns aber nicht irre machen.
Wir, die wir Korpsstudenten gewesen sind, wie ich, wir wissen das besser.
Wie im Mittelalter durch die Turniere der Mut und die Kraft des Mannes
gestählt wurden, so wird auch durch den Geist und das Leben im Korps der
Grad von Festigkeit erworben, der später im großen Leben nötig ist und der
bestehen wird, solange es deutsche Universitäten gibt."

Wenn auch Kaiser Wilhelm der Zweite somit innerlich überzeugter Korps¬
student ist, so hat er besonders in den späteren Jahren, auch mit anderen
studentischen Gruppen Fühlung genommen. Ihm verdankte insbesondere die
technische Studentenschaft dadurch eine bedeutsame Hebung ihres Ansehens, daß
er 1899 die Technischen Hochschulen durch Verleihung des Promotionsrechtes
den Universitäten gleichstellte. Und wie sehr er Verdienste einzelner Gruppen
zu schätzen wußte, das zeigte 1896 sein Telegramm an den Charlottenburger
Berein „Hülle", dem er für seine ihm wohlbekannte „treue wissenschaftliche


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[0088] Die Hohenzollern und die akademische Jugend Brüder wie Prinz Eitel Friedrich und August Wilhelm. Nicht als Prinzen des Königshauses weilten sie in der Musenstadt, sondern als lernende Kommilitonen unter Kommilitonen, und August Wilhelm, der 1908 in Straßburg seine Studien mit der regelrecht bestandenen Doktorprüfung abschloß, hielt sogar streng einen umfangreichen Stundenplan inne, der für viele Musensöhne vorbildlich sein könnte. Auch am studentischen Leben nahmen die Hohenzollernprinzen Anteil, und zwar ward dem Korps Borussia in Bonn die Ehre zuteil, zu ihnen in enge Beziehungen zu treten. Prinz Friedrich Karl gehörte der Verbindung offiziell als Konkneipant an; der spätere Kaiser Friedrich verkehrte oft und gern in ihrem Kreise; Kaiser Wilhelm war vier Semester als Konkneipant und dann als Inhaber der Korpsschleife aktiv, und der jetzige Kronprinz wurde regelrecht aufgenommen, und zwar unterschied sich die Feier in keiner Weise von der sonstigen Aufnahme eines Fuchses. Und diese Berührung war nicht nur oberflächlicher Natur. Kaiser Wilhelm schied aus dem Kreise seiner Korpsbrüder mit „tiefstem, innigstem Schmerz" und rühmte von sich: „Ich habe den in den Bonner Korps herrschenden Geist kennen gelernt, sowohl auf der Kneipe wie auf der Mensur. Es ist ein guter, deutscher, braver Geist, dem auch ich treu bleiben werde bis an mein Ende." Und bei einem Korpskommers in Bonn hielt er 1891 eine von den anderen studentischen Gruppen keineswegs gebilligte Lobrede auf die Korps und ihre Ziele. „Es ist meine feste Überzeugung", sagte er, „daß jeder junge Mann, der in ein Korps eintritt, durch den Geist, welcher in demselben herrscht, und mit diesem Geist seine wahre Richtung fürs Leben erhält. Denn es ist die beste Erziehung, die ein junger Mann für fein späteres Leben bekommt. Und wer über die deutschen Korps spottet, der kennt ihre wahre Tendenz nicht. — Ich hoffe, daß, solange es deutsche Korpsstudenten gibt, der Geist, wie er im Korps gepflegt wird und durch den Kraft und Mut gestählt wird, erhalten bleibt und daß Sie zu allen Zeiten freudig den Schläger führen werden. Unsere Mensuren werden im Publikum vielfach nicht verstanden. Das soll uns aber nicht irre machen. Wir, die wir Korpsstudenten gewesen sind, wie ich, wir wissen das besser. Wie im Mittelalter durch die Turniere der Mut und die Kraft des Mannes gestählt wurden, so wird auch durch den Geist und das Leben im Korps der Grad von Festigkeit erworben, der später im großen Leben nötig ist und der bestehen wird, solange es deutsche Universitäten gibt." Wenn auch Kaiser Wilhelm der Zweite somit innerlich überzeugter Korps¬ student ist, so hat er besonders in den späteren Jahren, auch mit anderen studentischen Gruppen Fühlung genommen. Ihm verdankte insbesondere die technische Studentenschaft dadurch eine bedeutsame Hebung ihres Ansehens, daß er 1899 die Technischen Hochschulen durch Verleihung des Promotionsrechtes den Universitäten gleichstellte. Und wie sehr er Verdienste einzelner Gruppen zu schätzen wußte, das zeigte 1896 sein Telegramm an den Charlottenburger Berein „Hülle", dem er für seine ihm wohlbekannte „treue wissenschaftliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/88>, abgerufen am 24.08.2024.