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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Die Hohenzollern und die akademische Jugend

die Universitäten und alles, was mit ihnen zusammenhing, wurden in den
großen Wirkungsbereich des Staates einbezogen und seinem Einfluß unter¬
worfen.

Damit aber rückte auch mehr als bisher die akademische Jugend in das
Gesichtsfeld der preußischen Monarchen, und zwar waren es ursprünglich nüchterne,
rein praktische Erwägungen, die zu einem Eingreifen veranlaßten. Sollten die
Universitäten die Aufgaben erfüllen, die ihnen der Staat stellte, und an der
Heranbildung eines wissenschaftlich geschulten Beamtennachwuchses mitwirken, so
mußte nicht nur der Zutritt zu ihnen geregelt, sondern auch der Studiengang
und die Abschlußprüfung überwacht werden. In dieser Richtung bewegte sich
die Fürsorge der Hohenzollern für die akademische Jugend im achtzehnten Jahr¬
hundert und König Friedrich der Erste gab durch seine Verordnung vom
25. August 1703 zuerst die Anregung, daß bei den Schulen ein "Zelectug
Inseniorum" gehalten werden solle, damit nur die brauchbaren Schüler die
Universitäten bezögen und nicht "ein Jeder biß auf Handwercker und Bauren
feine Söhne ohne Unterscheid: derer InZeniorum und LapaciM studiren und
auf Universitäten und hohen Schulen Sumptibus publiei8 unterhalten lasse".
Diese Bestrebungen, welche mit der Einführung der Abiturientenprüfung im
Jahre 1788 einen für ganz Deutschland bedeutungsvollen Abschluß erhielten,
bewirkten eine wesentliche Hebung des studentischen Standes und schufen die
Grundlagen für die stolze Entwicklung, welche der Studentenschaft Deutschlands
im folgenden Jahrhundert beschieden war.

Am eingehendsten hat sich unter den preußischen Königen des achtzehnten
Jahrhunderts zweifellos Friedrich der Große, dem man mit Unrecht Gleich¬
gültigkeit gegen die Universitäten vorgeworfen hat, mit der Frage der Hoch¬
schulerziehung theoretisch befaßt; er widmete ihr unter anderem wichtige Teile
seiner Flugschrift: heitre sur I'ööucation" (1770) und seiner Schrift: "ve
la littörature allemanös" (1780). Er griff mehrfach mit rascher Entscheidung
in die Entwicklung der Universitäten ein. er schuf kräftig Wandel, als 1742
die Musensöhne Frankfurts, "so sich über die Faulheit und Ungerechtigkeit vieler
öffentlichen Lehrer daselbst beschweren", ihn um Abhilfe baten; er erneuerte 1749
auch für die Adligen die Disputierpflicht, fo daß diese Art wissenschaftlicher
Betätigung nicht mehr "in eines jeden unserer Vasallen Willkür" stand. Aber
in seiner landesväterlichen Sorge ging er bevormundend weiter; er verbot durch
Edikt von 1749. 1750 und 1751 den Besuch nichtpreußischer Universitäten bei
"Verlust aller Beförderungen in Königlichen Staaten", für Adlige sogar bei
Vermögenskonfiskation und erneuerte dieses Verbot noch wenige Jahre vor fernem
Tode (1783). Ganz besonders lag ihm daran, die Univerfitätsdiszivlm zu
heben und ein gesittetes Studentenleben einzuführen; auf seine persönliche An¬
regung gingen eine Reihe strenger Verfügungen zurück, welche das Übermaß
akademischer Freiheit einschränken sollten, ja er hielt die Frage "einer soliden
Verbesserung der deutschen Akademien" und der Beschränkung der Studenten in


Die Hohenzollern und die akademische Jugend

die Universitäten und alles, was mit ihnen zusammenhing, wurden in den
großen Wirkungsbereich des Staates einbezogen und seinem Einfluß unter¬
worfen.

Damit aber rückte auch mehr als bisher die akademische Jugend in das
Gesichtsfeld der preußischen Monarchen, und zwar waren es ursprünglich nüchterne,
rein praktische Erwägungen, die zu einem Eingreifen veranlaßten. Sollten die
Universitäten die Aufgaben erfüllen, die ihnen der Staat stellte, und an der
Heranbildung eines wissenschaftlich geschulten Beamtennachwuchses mitwirken, so
mußte nicht nur der Zutritt zu ihnen geregelt, sondern auch der Studiengang
und die Abschlußprüfung überwacht werden. In dieser Richtung bewegte sich
die Fürsorge der Hohenzollern für die akademische Jugend im achtzehnten Jahr¬
hundert und König Friedrich der Erste gab durch seine Verordnung vom
25. August 1703 zuerst die Anregung, daß bei den Schulen ein „Zelectug
Inseniorum" gehalten werden solle, damit nur die brauchbaren Schüler die
Universitäten bezögen und nicht „ein Jeder biß auf Handwercker und Bauren
feine Söhne ohne Unterscheid: derer InZeniorum und LapaciM studiren und
auf Universitäten und hohen Schulen Sumptibus publiei8 unterhalten lasse".
Diese Bestrebungen, welche mit der Einführung der Abiturientenprüfung im
Jahre 1788 einen für ganz Deutschland bedeutungsvollen Abschluß erhielten,
bewirkten eine wesentliche Hebung des studentischen Standes und schufen die
Grundlagen für die stolze Entwicklung, welche der Studentenschaft Deutschlands
im folgenden Jahrhundert beschieden war.

Am eingehendsten hat sich unter den preußischen Königen des achtzehnten
Jahrhunderts zweifellos Friedrich der Große, dem man mit Unrecht Gleich¬
gültigkeit gegen die Universitäten vorgeworfen hat, mit der Frage der Hoch¬
schulerziehung theoretisch befaßt; er widmete ihr unter anderem wichtige Teile
seiner Flugschrift: heitre sur I'ööucation" (1770) und seiner Schrift: „ve
la littörature allemanös" (1780). Er griff mehrfach mit rascher Entscheidung
in die Entwicklung der Universitäten ein. er schuf kräftig Wandel, als 1742
die Musensöhne Frankfurts, „so sich über die Faulheit und Ungerechtigkeit vieler
öffentlichen Lehrer daselbst beschweren", ihn um Abhilfe baten; er erneuerte 1749
auch für die Adligen die Disputierpflicht, fo daß diese Art wissenschaftlicher
Betätigung nicht mehr „in eines jeden unserer Vasallen Willkür" stand. Aber
in seiner landesväterlichen Sorge ging er bevormundend weiter; er verbot durch
Edikt von 1749. 1750 und 1751 den Besuch nichtpreußischer Universitäten bei
„Verlust aller Beförderungen in Königlichen Staaten", für Adlige sogar bei
Vermögenskonfiskation und erneuerte dieses Verbot noch wenige Jahre vor fernem
Tode (1783). Ganz besonders lag ihm daran, die Univerfitätsdiszivlm zu
heben und ein gesittetes Studentenleben einzuführen; auf seine persönliche An¬
regung gingen eine Reihe strenger Verfügungen zurück, welche das Übermaß
akademischer Freiheit einschränken sollten, ja er hielt die Frage „einer soliden
Verbesserung der deutschen Akademien" und der Beschränkung der Studenten in


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[0085] Die Hohenzollern und die akademische Jugend die Universitäten und alles, was mit ihnen zusammenhing, wurden in den großen Wirkungsbereich des Staates einbezogen und seinem Einfluß unter¬ worfen. Damit aber rückte auch mehr als bisher die akademische Jugend in das Gesichtsfeld der preußischen Monarchen, und zwar waren es ursprünglich nüchterne, rein praktische Erwägungen, die zu einem Eingreifen veranlaßten. Sollten die Universitäten die Aufgaben erfüllen, die ihnen der Staat stellte, und an der Heranbildung eines wissenschaftlich geschulten Beamtennachwuchses mitwirken, so mußte nicht nur der Zutritt zu ihnen geregelt, sondern auch der Studiengang und die Abschlußprüfung überwacht werden. In dieser Richtung bewegte sich die Fürsorge der Hohenzollern für die akademische Jugend im achtzehnten Jahr¬ hundert und König Friedrich der Erste gab durch seine Verordnung vom 25. August 1703 zuerst die Anregung, daß bei den Schulen ein „Zelectug Inseniorum" gehalten werden solle, damit nur die brauchbaren Schüler die Universitäten bezögen und nicht „ein Jeder biß auf Handwercker und Bauren feine Söhne ohne Unterscheid: derer InZeniorum und LapaciM studiren und auf Universitäten und hohen Schulen Sumptibus publiei8 unterhalten lasse". Diese Bestrebungen, welche mit der Einführung der Abiturientenprüfung im Jahre 1788 einen für ganz Deutschland bedeutungsvollen Abschluß erhielten, bewirkten eine wesentliche Hebung des studentischen Standes und schufen die Grundlagen für die stolze Entwicklung, welche der Studentenschaft Deutschlands im folgenden Jahrhundert beschieden war. Am eingehendsten hat sich unter den preußischen Königen des achtzehnten Jahrhunderts zweifellos Friedrich der Große, dem man mit Unrecht Gleich¬ gültigkeit gegen die Universitäten vorgeworfen hat, mit der Frage der Hoch¬ schulerziehung theoretisch befaßt; er widmete ihr unter anderem wichtige Teile seiner Flugschrift: heitre sur I'ööucation" (1770) und seiner Schrift: „ve la littörature allemanös" (1780). Er griff mehrfach mit rascher Entscheidung in die Entwicklung der Universitäten ein. er schuf kräftig Wandel, als 1742 die Musensöhne Frankfurts, „so sich über die Faulheit und Ungerechtigkeit vieler öffentlichen Lehrer daselbst beschweren", ihn um Abhilfe baten; er erneuerte 1749 auch für die Adligen die Disputierpflicht, fo daß diese Art wissenschaftlicher Betätigung nicht mehr „in eines jeden unserer Vasallen Willkür" stand. Aber in seiner landesväterlichen Sorge ging er bevormundend weiter; er verbot durch Edikt von 1749. 1750 und 1751 den Besuch nichtpreußischer Universitäten bei „Verlust aller Beförderungen in Königlichen Staaten", für Adlige sogar bei Vermögenskonfiskation und erneuerte dieses Verbot noch wenige Jahre vor fernem Tode (1783). Ganz besonders lag ihm daran, die Univerfitätsdiszivlm zu heben und ein gesittetes Studentenleben einzuführen; auf seine persönliche An¬ regung gingen eine Reihe strenger Verfügungen zurück, welche das Übermaß akademischer Freiheit einschränken sollten, ja er hielt die Frage „einer soliden Verbesserung der deutschen Akademien" und der Beschränkung der Studenten in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/85>, abgerufen am 27.12.2024.