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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Baumwolle als Bannware

englisches Pfund, erreicht hätte. Dies würde einen Unterschied von dreieinhalb
Cents gegenüber dem jetzigen Preise von zehneinhalb Cents oder, auf 16 000 000
Ballen berechnet, für die Vereinigten Staaten einen Verlust von über 300 000 000
Dollar bedeuten. Wenn man annimmt, daß der Gewinn auf Kriegsmaterial
dreißig Prozent beträgt, so würde der deutsche Baumwollauftrag im Werte
von 100 000 000 Dollar beispielsweise einem Auftrage auf Munition im Werte
von einer Milliarde Dollar entsprechen.

Die Versorgung Deutschlands und Österreich-Ungarns mit Rohbaumwolle
für den Heeresbedarf ist noch keineswegs dringend, da die Heeresverwaltung
auf mehrere Jahre hinaus genügend Rohstoffe hierfür fest an der Hand hat.
Die deutschen Händler und Spinner wünschen zurzeit nichts weiter als den
gewöhnlichen Jahresbedarf für die Zwecke der friedlichen Bevölkerung. In
den beiden letzten Jahren hat die deutsche Baumwolleinfuhr 2,4 beziehungs¬
weise 2,8 Millionen Ballen betragen, wenn jetzt das nach Amerika abgegangene
Kaufangebot auf eine Million Ballen lautete, so stellt das keineswegs den
Jahresbedarf, sondern den Bedarf für etwa drei Monate dar.

Diese oben genannten Ziffern und Tatsachen sollten den Amerikanern zu
denken geben und sie veranlassen, mit allem Nachdruck die freie Beförderung
der Rohbaumwolle nach allen Ländern und über alle Meere zu betreiben.
Sie handeln, wie bereits oben angedeutet, in ihrem eigensten Interesse, wenn
sie alles daran setzen, um die bereits von Washington aus in London zu
diesem Zwecke eingeleiteten Schritte erfolgreich zu gestalten und damit auch für
die Zukunft die Schaffung eines Berufungsfalles zu ihrem Nachteil zu ver¬
hindern. Es fehlt auch in den Vereinigten Staaten nicht an Einsichtigen, die
diese Notwendigkeit längst erkannt haben und in Wort und Schrift das
amerikanische Volk aufrufen, sich auf sich selbst zu besinnen und sich nicht in
englische Abhängigkeit zu begeben. Als die englische Baumwollsperre Tat¬
sache geworden war, erschien am 25. August im "New Aork American" ein
flammender Protest gegen Englands willkürliche Seeherrschaft, der am Schluß
die Fragen aufwarf:

"Sind wir nicht so töricht, wie die törichtsten der europäischen Nationen,
welche England die Kastanien aus dem Feuer holen zu ihrem eigene"
Nachteil?"

"Haben wir es nicht zur Genüge erfahren, wie England seine Seeherrschaft
ausübt? Und wenn wir nicht genug Erfahrung hierin in der Vergangenheit
hatten, haben wir sie nicht jetzt?"

"Sehen wir nicht, wie unser neutraler Handel vernichtet wird, wie unserm
hauptsächlichsten Landesprodukt vitaler Schaden zugefügt wird? Aber schlimmer
noch, sehen wir als Patrioten und freiheitliebende Bürger nicht, wie man in
unsere Rechte eindringt und sie verletzt?"

"Wir können unsere Waffen nach England senden, weil England sie
braucht, um Deutsche zu töten und um seine Herrschaft über alle Meere und


Baumwolle als Bannware

englisches Pfund, erreicht hätte. Dies würde einen Unterschied von dreieinhalb
Cents gegenüber dem jetzigen Preise von zehneinhalb Cents oder, auf 16 000 000
Ballen berechnet, für die Vereinigten Staaten einen Verlust von über 300 000 000
Dollar bedeuten. Wenn man annimmt, daß der Gewinn auf Kriegsmaterial
dreißig Prozent beträgt, so würde der deutsche Baumwollauftrag im Werte
von 100 000 000 Dollar beispielsweise einem Auftrage auf Munition im Werte
von einer Milliarde Dollar entsprechen.

Die Versorgung Deutschlands und Österreich-Ungarns mit Rohbaumwolle
für den Heeresbedarf ist noch keineswegs dringend, da die Heeresverwaltung
auf mehrere Jahre hinaus genügend Rohstoffe hierfür fest an der Hand hat.
Die deutschen Händler und Spinner wünschen zurzeit nichts weiter als den
gewöhnlichen Jahresbedarf für die Zwecke der friedlichen Bevölkerung. In
den beiden letzten Jahren hat die deutsche Baumwolleinfuhr 2,4 beziehungs¬
weise 2,8 Millionen Ballen betragen, wenn jetzt das nach Amerika abgegangene
Kaufangebot auf eine Million Ballen lautete, so stellt das keineswegs den
Jahresbedarf, sondern den Bedarf für etwa drei Monate dar.

Diese oben genannten Ziffern und Tatsachen sollten den Amerikanern zu
denken geben und sie veranlassen, mit allem Nachdruck die freie Beförderung
der Rohbaumwolle nach allen Ländern und über alle Meere zu betreiben.
Sie handeln, wie bereits oben angedeutet, in ihrem eigensten Interesse, wenn
sie alles daran setzen, um die bereits von Washington aus in London zu
diesem Zwecke eingeleiteten Schritte erfolgreich zu gestalten und damit auch für
die Zukunft die Schaffung eines Berufungsfalles zu ihrem Nachteil zu ver¬
hindern. Es fehlt auch in den Vereinigten Staaten nicht an Einsichtigen, die
diese Notwendigkeit längst erkannt haben und in Wort und Schrift das
amerikanische Volk aufrufen, sich auf sich selbst zu besinnen und sich nicht in
englische Abhängigkeit zu begeben. Als die englische Baumwollsperre Tat¬
sache geworden war, erschien am 25. August im „New Aork American" ein
flammender Protest gegen Englands willkürliche Seeherrschaft, der am Schluß
die Fragen aufwarf:

„Sind wir nicht so töricht, wie die törichtsten der europäischen Nationen,
welche England die Kastanien aus dem Feuer holen zu ihrem eigene«
Nachteil?"

„Haben wir es nicht zur Genüge erfahren, wie England seine Seeherrschaft
ausübt? Und wenn wir nicht genug Erfahrung hierin in der Vergangenheit
hatten, haben wir sie nicht jetzt?"

„Sehen wir nicht, wie unser neutraler Handel vernichtet wird, wie unserm
hauptsächlichsten Landesprodukt vitaler Schaden zugefügt wird? Aber schlimmer
noch, sehen wir als Patrioten und freiheitliebende Bürger nicht, wie man in
unsere Rechte eindringt und sie verletzt?"

„Wir können unsere Waffen nach England senden, weil England sie
braucht, um Deutsche zu töten und um seine Herrschaft über alle Meere und


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[0072] Baumwolle als Bannware englisches Pfund, erreicht hätte. Dies würde einen Unterschied von dreieinhalb Cents gegenüber dem jetzigen Preise von zehneinhalb Cents oder, auf 16 000 000 Ballen berechnet, für die Vereinigten Staaten einen Verlust von über 300 000 000 Dollar bedeuten. Wenn man annimmt, daß der Gewinn auf Kriegsmaterial dreißig Prozent beträgt, so würde der deutsche Baumwollauftrag im Werte von 100 000 000 Dollar beispielsweise einem Auftrage auf Munition im Werte von einer Milliarde Dollar entsprechen. Die Versorgung Deutschlands und Österreich-Ungarns mit Rohbaumwolle für den Heeresbedarf ist noch keineswegs dringend, da die Heeresverwaltung auf mehrere Jahre hinaus genügend Rohstoffe hierfür fest an der Hand hat. Die deutschen Händler und Spinner wünschen zurzeit nichts weiter als den gewöhnlichen Jahresbedarf für die Zwecke der friedlichen Bevölkerung. In den beiden letzten Jahren hat die deutsche Baumwolleinfuhr 2,4 beziehungs¬ weise 2,8 Millionen Ballen betragen, wenn jetzt das nach Amerika abgegangene Kaufangebot auf eine Million Ballen lautete, so stellt das keineswegs den Jahresbedarf, sondern den Bedarf für etwa drei Monate dar. Diese oben genannten Ziffern und Tatsachen sollten den Amerikanern zu denken geben und sie veranlassen, mit allem Nachdruck die freie Beförderung der Rohbaumwolle nach allen Ländern und über alle Meere zu betreiben. Sie handeln, wie bereits oben angedeutet, in ihrem eigensten Interesse, wenn sie alles daran setzen, um die bereits von Washington aus in London zu diesem Zwecke eingeleiteten Schritte erfolgreich zu gestalten und damit auch für die Zukunft die Schaffung eines Berufungsfalles zu ihrem Nachteil zu ver¬ hindern. Es fehlt auch in den Vereinigten Staaten nicht an Einsichtigen, die diese Notwendigkeit längst erkannt haben und in Wort und Schrift das amerikanische Volk aufrufen, sich auf sich selbst zu besinnen und sich nicht in englische Abhängigkeit zu begeben. Als die englische Baumwollsperre Tat¬ sache geworden war, erschien am 25. August im „New Aork American" ein flammender Protest gegen Englands willkürliche Seeherrschaft, der am Schluß die Fragen aufwarf: „Sind wir nicht so töricht, wie die törichtsten der europäischen Nationen, welche England die Kastanien aus dem Feuer holen zu ihrem eigene« Nachteil?" „Haben wir es nicht zur Genüge erfahren, wie England seine Seeherrschaft ausübt? Und wenn wir nicht genug Erfahrung hierin in der Vergangenheit hatten, haben wir sie nicht jetzt?" „Sehen wir nicht, wie unser neutraler Handel vernichtet wird, wie unserm hauptsächlichsten Landesprodukt vitaler Schaden zugefügt wird? Aber schlimmer noch, sehen wir als Patrioten und freiheitliebende Bürger nicht, wie man in unsere Rechte eindringt und sie verletzt?" „Wir können unsere Waffen nach England senden, weil England sie braucht, um Deutsche zu töten und um seine Herrschaft über alle Meere und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/72>, abgerufen am 22.07.2024.