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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert

anführer der Serben (das ist Kara Gjorgje) und dem regierenden Senat zu
überweisen. In Wien habe ein ständiger Vertreter der serbischen Regierung
zu wohnen. Die Vorbesprechungen bezüglich Friedensschlusses wären auf einem
Kongreß zu führen, dessen Ort der Kaiser zu bestimmen hätte und auf dem
nicht nur die türkischen und serbischen Sendboten vertreten wären, sondern
auch solche anderer Mächte.

Die Pforte wollte aber von anderen Friedensbedingungen, ausgenommen
die "Begnadigung" nichts wissen, am wenigsten von einer fremden Schutzherrschaft,
und obendrein verlangte sie die Entfernung des Kara Gjorgje und aller Führer
aus Serbien, um dann mit dem führerlosen Volke nach ihrer Art bald fertig
zu werden, auch erklärte sie offen, daß sich die Serben alle Gedanken auf Un¬
abhängigkeit aus dem Kopfe schlagen mögen. Unter diesen Umständen blies
Metternich auf der ganzen Linie zum Rückzug, indem er sogar so weit ging,
Simbschen auf dessen Vorschlag, den Serben eine gewisse Menge Blei, Pulver
und Feuersteine durchzulassen, die entrüstete Antwort zu geben, er begreife
einen solchen sich doch mit Neutralität nicht reimenden Vorschlag nicht.

Aber Kara Gjorgje ließ dennoch nicht locker. Im März 1810 benützte
er die Gelegenheit der Absendung des Senats-Geheimschreibers Ivan Savitsch-
Jugovitsch mit einer Beglückwünschung anläßlich der Heirat Napoleons mit Marie
Louise, indem er in dem diesbezüglichen Brief vom 4. bis 16. März an den
Kaiser Franz Folgendes schrieb:

" . . . den Schöpfer bittend, er möge das junge Brautpaar segnen zum
Trost und zum dauernden Glück beider hoher Höfe und vieler, vieler Völker,
unter die auch wir uns zählen, weil wir anerkennen, daß das Glück unseres
Volkes stets abhing von erhabenen österreichischen Monarchen, denn wir hoffen
auch heute noch mit seiner Gnade zur Befreiung zu kommen. So wie wir in
unserem Briefe vom 17. bis 29. Dezember 1809 (um dessen Übermittlung an
an Eure Majestät wir den Feldzeugmeister Baron Simbschen baten,) feierlich
erklärt haben, daß wir von jeher wünschten und noch immer wünschen, unter
dem berühmten Szepter Österreichs unser Wohl zu finden, so vertrauen wir
auch heute und übergeben unser Geschick und das unseres Vaterlandes, welches
wir mit den größten Blutopfern erkauft haben, in die Hände Eurer Majestät
und in die Hände Seiner k. k. Majestät Napoleons des Großen."

"Monarch! Durch diesen unseren Abgesandten Ivan Savitsch-Jugovitsch,
welcher Geheimschreiber des Volkssenats ist, fallen wir zu den Füßen Eurer
Majestät; weisen Sie uns nicht zurück, k. k. Majestät, sondern geruhen Sie
uns mit Ihrer erhabenen Antwort zu trösten. Indem wir uns der aller¬
höchsten Gnade empfehlen, ersterben wir in tiefster Ehrfurcht und Ergebenheit
für Eure k. k. Majestät."

Außer diesem Briefe zeigte Jugovitsch auch eine Vollmacht vor, unterschrieben
von Kara Gjorgje und dem Senat, durch die er ermächtigt wurde, mit dem
österreichischen Hofe wegen Besetzung von Belgrad in Unterhandlungen zu treten.


Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert

anführer der Serben (das ist Kara Gjorgje) und dem regierenden Senat zu
überweisen. In Wien habe ein ständiger Vertreter der serbischen Regierung
zu wohnen. Die Vorbesprechungen bezüglich Friedensschlusses wären auf einem
Kongreß zu führen, dessen Ort der Kaiser zu bestimmen hätte und auf dem
nicht nur die türkischen und serbischen Sendboten vertreten wären, sondern
auch solche anderer Mächte.

Die Pforte wollte aber von anderen Friedensbedingungen, ausgenommen
die „Begnadigung" nichts wissen, am wenigsten von einer fremden Schutzherrschaft,
und obendrein verlangte sie die Entfernung des Kara Gjorgje und aller Führer
aus Serbien, um dann mit dem führerlosen Volke nach ihrer Art bald fertig
zu werden, auch erklärte sie offen, daß sich die Serben alle Gedanken auf Un¬
abhängigkeit aus dem Kopfe schlagen mögen. Unter diesen Umständen blies
Metternich auf der ganzen Linie zum Rückzug, indem er sogar so weit ging,
Simbschen auf dessen Vorschlag, den Serben eine gewisse Menge Blei, Pulver
und Feuersteine durchzulassen, die entrüstete Antwort zu geben, er begreife
einen solchen sich doch mit Neutralität nicht reimenden Vorschlag nicht.

Aber Kara Gjorgje ließ dennoch nicht locker. Im März 1810 benützte
er die Gelegenheit der Absendung des Senats-Geheimschreibers Ivan Savitsch-
Jugovitsch mit einer Beglückwünschung anläßlich der Heirat Napoleons mit Marie
Louise, indem er in dem diesbezüglichen Brief vom 4. bis 16. März an den
Kaiser Franz Folgendes schrieb:

„ . . . den Schöpfer bittend, er möge das junge Brautpaar segnen zum
Trost und zum dauernden Glück beider hoher Höfe und vieler, vieler Völker,
unter die auch wir uns zählen, weil wir anerkennen, daß das Glück unseres
Volkes stets abhing von erhabenen österreichischen Monarchen, denn wir hoffen
auch heute noch mit seiner Gnade zur Befreiung zu kommen. So wie wir in
unserem Briefe vom 17. bis 29. Dezember 1809 (um dessen Übermittlung an
an Eure Majestät wir den Feldzeugmeister Baron Simbschen baten,) feierlich
erklärt haben, daß wir von jeher wünschten und noch immer wünschen, unter
dem berühmten Szepter Österreichs unser Wohl zu finden, so vertrauen wir
auch heute und übergeben unser Geschick und das unseres Vaterlandes, welches
wir mit den größten Blutopfern erkauft haben, in die Hände Eurer Majestät
und in die Hände Seiner k. k. Majestät Napoleons des Großen."

„Monarch! Durch diesen unseren Abgesandten Ivan Savitsch-Jugovitsch,
welcher Geheimschreiber des Volkssenats ist, fallen wir zu den Füßen Eurer
Majestät; weisen Sie uns nicht zurück, k. k. Majestät, sondern geruhen Sie
uns mit Ihrer erhabenen Antwort zu trösten. Indem wir uns der aller¬
höchsten Gnade empfehlen, ersterben wir in tiefster Ehrfurcht und Ergebenheit
für Eure k. k. Majestät."

Außer diesem Briefe zeigte Jugovitsch auch eine Vollmacht vor, unterschrieben
von Kara Gjorgje und dem Senat, durch die er ermächtigt wurde, mit dem
österreichischen Hofe wegen Besetzung von Belgrad in Unterhandlungen zu treten.


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[0372] Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert anführer der Serben (das ist Kara Gjorgje) und dem regierenden Senat zu überweisen. In Wien habe ein ständiger Vertreter der serbischen Regierung zu wohnen. Die Vorbesprechungen bezüglich Friedensschlusses wären auf einem Kongreß zu führen, dessen Ort der Kaiser zu bestimmen hätte und auf dem nicht nur die türkischen und serbischen Sendboten vertreten wären, sondern auch solche anderer Mächte. Die Pforte wollte aber von anderen Friedensbedingungen, ausgenommen die „Begnadigung" nichts wissen, am wenigsten von einer fremden Schutzherrschaft, und obendrein verlangte sie die Entfernung des Kara Gjorgje und aller Führer aus Serbien, um dann mit dem führerlosen Volke nach ihrer Art bald fertig zu werden, auch erklärte sie offen, daß sich die Serben alle Gedanken auf Un¬ abhängigkeit aus dem Kopfe schlagen mögen. Unter diesen Umständen blies Metternich auf der ganzen Linie zum Rückzug, indem er sogar so weit ging, Simbschen auf dessen Vorschlag, den Serben eine gewisse Menge Blei, Pulver und Feuersteine durchzulassen, die entrüstete Antwort zu geben, er begreife einen solchen sich doch mit Neutralität nicht reimenden Vorschlag nicht. Aber Kara Gjorgje ließ dennoch nicht locker. Im März 1810 benützte er die Gelegenheit der Absendung des Senats-Geheimschreibers Ivan Savitsch- Jugovitsch mit einer Beglückwünschung anläßlich der Heirat Napoleons mit Marie Louise, indem er in dem diesbezüglichen Brief vom 4. bis 16. März an den Kaiser Franz Folgendes schrieb: „ . . . den Schöpfer bittend, er möge das junge Brautpaar segnen zum Trost und zum dauernden Glück beider hoher Höfe und vieler, vieler Völker, unter die auch wir uns zählen, weil wir anerkennen, daß das Glück unseres Volkes stets abhing von erhabenen österreichischen Monarchen, denn wir hoffen auch heute noch mit seiner Gnade zur Befreiung zu kommen. So wie wir in unserem Briefe vom 17. bis 29. Dezember 1809 (um dessen Übermittlung an an Eure Majestät wir den Feldzeugmeister Baron Simbschen baten,) feierlich erklärt haben, daß wir von jeher wünschten und noch immer wünschen, unter dem berühmten Szepter Österreichs unser Wohl zu finden, so vertrauen wir auch heute und übergeben unser Geschick und das unseres Vaterlandes, welches wir mit den größten Blutopfern erkauft haben, in die Hände Eurer Majestät und in die Hände Seiner k. k. Majestät Napoleons des Großen." „Monarch! Durch diesen unseren Abgesandten Ivan Savitsch-Jugovitsch, welcher Geheimschreiber des Volkssenats ist, fallen wir zu den Füßen Eurer Majestät; weisen Sie uns nicht zurück, k. k. Majestät, sondern geruhen Sie uns mit Ihrer erhabenen Antwort zu trösten. Indem wir uns der aller¬ höchsten Gnade empfehlen, ersterben wir in tiefster Ehrfurcht und Ergebenheit für Eure k. k. Majestät." Außer diesem Briefe zeigte Jugovitsch auch eine Vollmacht vor, unterschrieben von Kara Gjorgje und dem Senat, durch die er ermächtigt wurde, mit dem österreichischen Hofe wegen Besetzung von Belgrad in Unterhandlungen zu treten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/372>, abgerufen am 24.08.2024.