Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.Altxrcußische Romantik in Polen Innig befreundet war Werner in Warschau auch mit dem hochbegabten Mniochs blutjunge Gattin Maria geborene Schmidt (1777 bis 1797), sehr Altxrcußische Romantik in Polen Innig befreundet war Werner in Warschau auch mit dem hochbegabten Mniochs blutjunge Gattin Maria geborene Schmidt (1777 bis 1797), sehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324446"/> <fw type="header" place="top"> Altxrcußische Romantik in Polen</fw><lb/> <p xml:id="ID_67"> Innig befreundet war Werner in Warschau auch mit dem hochbegabten<lb/> und scharfsichtigen Elbinger Joh. Jak. Mnioch (1765 bis 1804) gewesen, der auf<lb/> Werner entschiedenen Einfluß hatte. Rousseaus und Kants Einwirkung auf<lb/> Mniochs freisinnige Anschauungen ist leicht erkenntlich. Ein aus Humor und<lb/> Ernst gemischtes Temperament war auch er, ein Freund der älteren Romantiker,<lb/> einer wirklich künstlerischen Bewältigung seiner Ideen nicht fähig. 1790 war<lb/> er Rektor in Neufahrwasser bei Danzig gewesen, wo er mit dem jungen Fichte,<lb/> der damals Hauslehrer beim Grafen Krockow aus Krockow bei Danzig war<lb/> (bis zum Frühling 1793), in freundschaftlichem Verkehr stand. Zu dessen<lb/> „Bestimmung des Menschen" hat er später (1800) in Warschau „Erläute¬<lb/> rungsvariationen" veröffentlicht. Von Fichte schrieb Werner an Hitzig aus<lb/> Berlin: „Er hat viel von unserem Mnioch, vorzüglich, wenn er in Eifer<lb/> gerät, ist aber ungleich tiefer, sublimierter". Aus kümmerlichen Verhältnissen<lb/> befreite Mnioch (1796) die Berufung zum Assessor bei der Lotteriedirektion in<lb/> Warschau. Hier verkehrte er nun mit den jungen Preußen, die ihr Beruf in<lb/> die entfernte Provinz führte. „Wie ein Koloß", so erzählt Hitzig, „ragte<lb/> Mnioch hervor, ein Mann, den seine Zeit nicht genug erkannt hat, weil sein<lb/> Schicksal wollte, daß überall, wo er seine Stimme erhob, Größere als er gleich¬<lb/> zeitig das ähnliche auszusprechen suchten." Bald als philosophischer Schriftsteller,<lb/> bald als Dichter nahm Mnioch an allen seine Zeit bewegenden Gedanken unmittel-<lb/> ^ baren Anteil. Den Häuptern der Romantik fühlte er sich, wie Werner, ver¬<lb/> wandt, ohne jedoch den mystisch-schwärmerischen Neigungen seines Freundes zu<lb/> verfallen. Schon als einundzwanzigjähriger trat er dichterich auf. Beiträge<lb/> von ihm finden sich in Wielands Teutschen Merkur (1788. I, 227; II, 370)<lb/> und in dem Schlegel-Tieckschen Musenalmanach (1802). Seit 1786 waren eine<lb/> Reihe kleiner Schriften von ihm erschienen. Während seiner Warschauer Zeit<lb/> kamen seine sämtlichen auserlesenen Schriften 1798 bis 1799 in drei Bänden zu<lb/> Görlitz heraus, im zweiten unter anderem die „Vision" nach dem Tode Friedrichs<lb/> des Großen. Noch nicht vierzigjährig, starb Mnioch am 22. Februar 1804,<lb/> nicht am 24., wie Werner damals irrtümlich in Königsberg annahm. Nach<lb/> seinem Tode erschienen „Analekten" (1804). Im ersten Bande Gedichte und<lb/> Sonette, im zweiten vermischte Aufsätze, Bemerkungen über Kunst, über Goethe,<lb/> Schlegel, Schiller und über Tiecks „Genovefa".</p><lb/> <p xml:id="ID_68" next="#ID_69"> Mniochs blutjunge Gattin Maria geborene Schmidt (1777 bis 1797), sehr<lb/> begabt und früh gestorben als die „pommersche Sappho", eine für Poesie zart<lb/> empfindende Seele, war von ihrem Mann, dessen Schülerin sie in Neufahrwasser<lb/> gewesen war und den sie als siebzehnjährige geheiratet hatte, in die Literatur<lb/> eingeführt worden. Kleine Gedichte, Aufsätze und Einfälle spiegeln den reinen<lb/> weiblichen Sinn dieser jungen ästhetischen Warschauer Beamtenfrau wider.<lb/> Goethe, Schiller, Herder. Jean Paul waren ihre Lieblinge. Als ihr Gatte<lb/> nach ihrem frühen Tode (1797) ihre geistige Hinterlassenschaft mit einigen<lb/> seiner eigenen Aufsätze herausgab (1798), zeigte kein Geringerer als Herder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
Altxrcußische Romantik in Polen
Innig befreundet war Werner in Warschau auch mit dem hochbegabten
und scharfsichtigen Elbinger Joh. Jak. Mnioch (1765 bis 1804) gewesen, der auf
Werner entschiedenen Einfluß hatte. Rousseaus und Kants Einwirkung auf
Mniochs freisinnige Anschauungen ist leicht erkenntlich. Ein aus Humor und
Ernst gemischtes Temperament war auch er, ein Freund der älteren Romantiker,
einer wirklich künstlerischen Bewältigung seiner Ideen nicht fähig. 1790 war
er Rektor in Neufahrwasser bei Danzig gewesen, wo er mit dem jungen Fichte,
der damals Hauslehrer beim Grafen Krockow aus Krockow bei Danzig war
(bis zum Frühling 1793), in freundschaftlichem Verkehr stand. Zu dessen
„Bestimmung des Menschen" hat er später (1800) in Warschau „Erläute¬
rungsvariationen" veröffentlicht. Von Fichte schrieb Werner an Hitzig aus
Berlin: „Er hat viel von unserem Mnioch, vorzüglich, wenn er in Eifer
gerät, ist aber ungleich tiefer, sublimierter". Aus kümmerlichen Verhältnissen
befreite Mnioch (1796) die Berufung zum Assessor bei der Lotteriedirektion in
Warschau. Hier verkehrte er nun mit den jungen Preußen, die ihr Beruf in
die entfernte Provinz führte. „Wie ein Koloß", so erzählt Hitzig, „ragte
Mnioch hervor, ein Mann, den seine Zeit nicht genug erkannt hat, weil sein
Schicksal wollte, daß überall, wo er seine Stimme erhob, Größere als er gleich¬
zeitig das ähnliche auszusprechen suchten." Bald als philosophischer Schriftsteller,
bald als Dichter nahm Mnioch an allen seine Zeit bewegenden Gedanken unmittel-
^ baren Anteil. Den Häuptern der Romantik fühlte er sich, wie Werner, ver¬
wandt, ohne jedoch den mystisch-schwärmerischen Neigungen seines Freundes zu
verfallen. Schon als einundzwanzigjähriger trat er dichterich auf. Beiträge
von ihm finden sich in Wielands Teutschen Merkur (1788. I, 227; II, 370)
und in dem Schlegel-Tieckschen Musenalmanach (1802). Seit 1786 waren eine
Reihe kleiner Schriften von ihm erschienen. Während seiner Warschauer Zeit
kamen seine sämtlichen auserlesenen Schriften 1798 bis 1799 in drei Bänden zu
Görlitz heraus, im zweiten unter anderem die „Vision" nach dem Tode Friedrichs
des Großen. Noch nicht vierzigjährig, starb Mnioch am 22. Februar 1804,
nicht am 24., wie Werner damals irrtümlich in Königsberg annahm. Nach
seinem Tode erschienen „Analekten" (1804). Im ersten Bande Gedichte und
Sonette, im zweiten vermischte Aufsätze, Bemerkungen über Kunst, über Goethe,
Schlegel, Schiller und über Tiecks „Genovefa".
Mniochs blutjunge Gattin Maria geborene Schmidt (1777 bis 1797), sehr
begabt und früh gestorben als die „pommersche Sappho", eine für Poesie zart
empfindende Seele, war von ihrem Mann, dessen Schülerin sie in Neufahrwasser
gewesen war und den sie als siebzehnjährige geheiratet hatte, in die Literatur
eingeführt worden. Kleine Gedichte, Aufsätze und Einfälle spiegeln den reinen
weiblichen Sinn dieser jungen ästhetischen Warschauer Beamtenfrau wider.
Goethe, Schiller, Herder. Jean Paul waren ihre Lieblinge. Als ihr Gatte
nach ihrem frühen Tode (1797) ihre geistige Hinterlassenschaft mit einigen
seiner eigenen Aufsätze herausgab (1798), zeigte kein Geringerer als Herder
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