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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert

Murkovüsch und Dragutw Mllutino misch Schießbedarf schickt. Weiter bitten wir
um einen Kanonier und wenn möglich um eine alte Kanone. Wir werden
alles bar bezahlen. Nach Gott erhoffen wir alles vom kaiserlichen Hof."

Auch diese von Kara Gjorgje als Oberbefehlshaber und den "Oberlnesen"
Siena Markovitsch und Janko Katitsch unterzeichnete Bitte wurde vom Wiener
Hofkriegsrat abgeschlagen, was aber Kara Gjorgje nicht erkundigte, denn im
Februar 1806 machte er einen dritten Versuch den Wiener Hof umzustimmen,
indem er eine Abordnung nach Wien sandte, bestehend aus dem Protvpopen
Matija Nenadovitsch, Grujevitsch und Uroschevitsch. Der neue Minister des Äußern.
Graf Stadion, war aber derselben Meinung wie seine Vorgänger. Er gab
wohl zu, daß die fortwährenden Unruhen an der k. k. Grenze bedenklich seien
und obendrein schädlich für Handel und Verkehr, ebenso gab er zu, daß damit
fremden Plänen leicht Vorschub geleistet werden könnte, aber trotzdem schreckte
er vor einer "Einmengung" zurück, obgleich die Pforte selbst eine solche wünschte.
Er meinte nämlich, daß die Einladung der Pforte jetzt zu spät komme und
überdies aus den Gesprächen zwischen dem Geschäftsträger und dem Rejs-
Effendi hervorging, daß eine solche Vermittlung kaum Erfolg hätte. In seinem
Bericht an den Kaiser vom 6. Februar 1806 schreibt nämlich Stadion:

"Denn wie könnte die einfache Einladung an die Serben auseinander zu
gehen und die Waffen niederzulegen, ohne irgend eine andere Vertröstung als
auf eine Begnadigung seitens der Pforte, irgend welchen Erfolg bei Leuten
haben, die sich mit den Waffen in der Hand das Recht erkämpft haben, daß
sie sich mit ihren bisherigen Herren gleichberechtigt vergleichen? Die Ver¬
mittlung Österreichs wäre gerade geeignet, die Würde des allerhöchsten Hofes
und selbst der Pforte bloszustellen, und bei den Serben Verachtung statt Ver¬
trauen. Verzweiflung statt Hoffen zu erregen." Stadion riet deshalb, man
solle lieber durch das in Frage kommende Generalkommando sowohl Serben
als Türken anzeigen, daß man ihnen die Einfuhr von Lebensmitteln sperren
werde, falls sie sich nicht gütlich vertragen.

Auf diesen Bericht schrieb der Kaiser:

"Wegen Vergleichs zwischen Serben und Türken soll man sich beim
türkischen Kaiser verwenden. Deshalb hat der Minister sofort die nötigen
Verhaltungsmaßregeln dem Jnterrmntius zu geben. Dem Kaiser Alexander
b°t er (der Minister) den Brief zu schicken, den die Serben für jenen mit¬
gebracht haben und das Petersburger Kabinett soll er von allem in Kenntnis
setzen, was Österreich in dieser Sache getan hat. Ferner soll die in Wien
befindliche serbische Abordnung vom Hofsekretär Wallenburg empfangen und
genau angehört werden, er soll sie auch über die kaiserlichen Absichten belehren
und ihnen sagen, daß sie heimkehren. Der Minister hat dann im Ein¬
vernehmen mit dem Erzherzog Karl das Nötige anzuordnen, auf daß die
Militärgrenze vor jeder Verletzung, sowie von jeder Gewalttätigkeit, sei es von
türkischer oder von serbischer Seite verschont bleibe."


Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert

Murkovüsch und Dragutw Mllutino misch Schießbedarf schickt. Weiter bitten wir
um einen Kanonier und wenn möglich um eine alte Kanone. Wir werden
alles bar bezahlen. Nach Gott erhoffen wir alles vom kaiserlichen Hof."

Auch diese von Kara Gjorgje als Oberbefehlshaber und den „Oberlnesen"
Siena Markovitsch und Janko Katitsch unterzeichnete Bitte wurde vom Wiener
Hofkriegsrat abgeschlagen, was aber Kara Gjorgje nicht erkundigte, denn im
Februar 1806 machte er einen dritten Versuch den Wiener Hof umzustimmen,
indem er eine Abordnung nach Wien sandte, bestehend aus dem Protvpopen
Matija Nenadovitsch, Grujevitsch und Uroschevitsch. Der neue Minister des Äußern.
Graf Stadion, war aber derselben Meinung wie seine Vorgänger. Er gab
wohl zu, daß die fortwährenden Unruhen an der k. k. Grenze bedenklich seien
und obendrein schädlich für Handel und Verkehr, ebenso gab er zu, daß damit
fremden Plänen leicht Vorschub geleistet werden könnte, aber trotzdem schreckte
er vor einer „Einmengung" zurück, obgleich die Pforte selbst eine solche wünschte.
Er meinte nämlich, daß die Einladung der Pforte jetzt zu spät komme und
überdies aus den Gesprächen zwischen dem Geschäftsträger und dem Rejs-
Effendi hervorging, daß eine solche Vermittlung kaum Erfolg hätte. In seinem
Bericht an den Kaiser vom 6. Februar 1806 schreibt nämlich Stadion:

„Denn wie könnte die einfache Einladung an die Serben auseinander zu
gehen und die Waffen niederzulegen, ohne irgend eine andere Vertröstung als
auf eine Begnadigung seitens der Pforte, irgend welchen Erfolg bei Leuten
haben, die sich mit den Waffen in der Hand das Recht erkämpft haben, daß
sie sich mit ihren bisherigen Herren gleichberechtigt vergleichen? Die Ver¬
mittlung Österreichs wäre gerade geeignet, die Würde des allerhöchsten Hofes
und selbst der Pforte bloszustellen, und bei den Serben Verachtung statt Ver¬
trauen. Verzweiflung statt Hoffen zu erregen." Stadion riet deshalb, man
solle lieber durch das in Frage kommende Generalkommando sowohl Serben
als Türken anzeigen, daß man ihnen die Einfuhr von Lebensmitteln sperren
werde, falls sie sich nicht gütlich vertragen.

Auf diesen Bericht schrieb der Kaiser:

„Wegen Vergleichs zwischen Serben und Türken soll man sich beim
türkischen Kaiser verwenden. Deshalb hat der Minister sofort die nötigen
Verhaltungsmaßregeln dem Jnterrmntius zu geben. Dem Kaiser Alexander
b°t er (der Minister) den Brief zu schicken, den die Serben für jenen mit¬
gebracht haben und das Petersburger Kabinett soll er von allem in Kenntnis
setzen, was Österreich in dieser Sache getan hat. Ferner soll die in Wien
befindliche serbische Abordnung vom Hofsekretär Wallenburg empfangen und
genau angehört werden, er soll sie auch über die kaiserlichen Absichten belehren
und ihnen sagen, daß sie heimkehren. Der Minister hat dann im Ein¬
vernehmen mit dem Erzherzog Karl das Nötige anzuordnen, auf daß die
Militärgrenze vor jeder Verletzung, sowie von jeder Gewalttätigkeit, sei es von
türkischer oder von serbischer Seite verschont bleibe."


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[0363] Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert Murkovüsch und Dragutw Mllutino misch Schießbedarf schickt. Weiter bitten wir um einen Kanonier und wenn möglich um eine alte Kanone. Wir werden alles bar bezahlen. Nach Gott erhoffen wir alles vom kaiserlichen Hof." Auch diese von Kara Gjorgje als Oberbefehlshaber und den „Oberlnesen" Siena Markovitsch und Janko Katitsch unterzeichnete Bitte wurde vom Wiener Hofkriegsrat abgeschlagen, was aber Kara Gjorgje nicht erkundigte, denn im Februar 1806 machte er einen dritten Versuch den Wiener Hof umzustimmen, indem er eine Abordnung nach Wien sandte, bestehend aus dem Protvpopen Matija Nenadovitsch, Grujevitsch und Uroschevitsch. Der neue Minister des Äußern. Graf Stadion, war aber derselben Meinung wie seine Vorgänger. Er gab wohl zu, daß die fortwährenden Unruhen an der k. k. Grenze bedenklich seien und obendrein schädlich für Handel und Verkehr, ebenso gab er zu, daß damit fremden Plänen leicht Vorschub geleistet werden könnte, aber trotzdem schreckte er vor einer „Einmengung" zurück, obgleich die Pforte selbst eine solche wünschte. Er meinte nämlich, daß die Einladung der Pforte jetzt zu spät komme und überdies aus den Gesprächen zwischen dem Geschäftsträger und dem Rejs- Effendi hervorging, daß eine solche Vermittlung kaum Erfolg hätte. In seinem Bericht an den Kaiser vom 6. Februar 1806 schreibt nämlich Stadion: „Denn wie könnte die einfache Einladung an die Serben auseinander zu gehen und die Waffen niederzulegen, ohne irgend eine andere Vertröstung als auf eine Begnadigung seitens der Pforte, irgend welchen Erfolg bei Leuten haben, die sich mit den Waffen in der Hand das Recht erkämpft haben, daß sie sich mit ihren bisherigen Herren gleichberechtigt vergleichen? Die Ver¬ mittlung Österreichs wäre gerade geeignet, die Würde des allerhöchsten Hofes und selbst der Pforte bloszustellen, und bei den Serben Verachtung statt Ver¬ trauen. Verzweiflung statt Hoffen zu erregen." Stadion riet deshalb, man solle lieber durch das in Frage kommende Generalkommando sowohl Serben als Türken anzeigen, daß man ihnen die Einfuhr von Lebensmitteln sperren werde, falls sie sich nicht gütlich vertragen. Auf diesen Bericht schrieb der Kaiser: „Wegen Vergleichs zwischen Serben und Türken soll man sich beim türkischen Kaiser verwenden. Deshalb hat der Minister sofort die nötigen Verhaltungsmaßregeln dem Jnterrmntius zu geben. Dem Kaiser Alexander b°t er (der Minister) den Brief zu schicken, den die Serben für jenen mit¬ gebracht haben und das Petersburger Kabinett soll er von allem in Kenntnis setzen, was Österreich in dieser Sache getan hat. Ferner soll die in Wien befindliche serbische Abordnung vom Hofsekretär Wallenburg empfangen und genau angehört werden, er soll sie auch über die kaiserlichen Absichten belehren und ihnen sagen, daß sie heimkehren. Der Minister hat dann im Ein¬ vernehmen mit dem Erzherzog Karl das Nötige anzuordnen, auf daß die Militärgrenze vor jeder Verletzung, sowie von jeder Gewalttätigkeit, sei es von türkischer oder von serbischer Seite verschont bleibe."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/363>, abgerufen am 22.07.2024.