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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Die russischen Finanzen

Kolonie erworben haben, und die russische Negierung wird einst auf ihren Knien
diejenigen Deutschen, von denen es heute glaubt, "vergewaltigt" zu sein, zu
sich zurückbitten. Dann wird es aber zu spät sein. --

Nun noch einen Blick auf den Budgetvoranschlag, den die russische Re¬
gierung den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt hat. Er ist zweifellos
gänzlich unzuverlässig, und es ist eine milde Kritik, wenn Bark selbst von den
in ihm aufgeführten Einnahmeposten sagt, daß "es nicht möglich sei, sie voll
zu begründen". Bark rechnet, trotzdem das Branntweinmonopol weggefallen
ist, das ungefähr eine Milliarde Rubel brachte, trotzdem die Zolleinnahmen für
die von der Regierung eingeführten Waren und die Einnahmen der haupt¬
sächlich militärisch beanspruchten Eisenbahnen nur buchhalterischen Wert haben,
auf eine Einnahme, die hinter der des Jahres 1914 (mit einem halben Kriegs¬
jahr) um nur 16 Millionen Rubel und hinter der des Jahres 1913 um nur
603 Millionen Rubel zurückbleibt"). Dabei ist zu berücksichtigen, daß allein im
ersten Halbjahr 1915 eine Verminderung der ordentlichen Staatseinnahmen
gegen 1914 um 615,6 Millionen Rubeln eintrat und daß trotz der Erhöhung
fast aller überhaupt erhöhungsfähiger Steuern aus diesen Quellen nur eine
Mehreinnahme von im ganzen 159,4 Millionen Rubel in derselben Zeit erzielt
werden konnte""). Eine derartige Berechnung der Einnahmen, auf Grund eines
neuen Steuerplanes"""), dessen Einzelheiten überhaupt noch garnicht einmal





Budgetvoranschlag:
Ordentliche Einnahmen .........2914: Millionen Rubel
Außerordentliche Einnahmen...... , ._9^ " "
im ganzen 2S23 " "
Ordentliche Ausgaben..........3174 " "
Außerordentliche Ausgaben (ohne Kriegsausgaben) 76 " "
im ganzen 3250 " "
*)
Voraussichtliches durch Kreditoperationen zu denkendes Defizit ungefähr 337 Millionen Rubel.
**) In der Hauptsache rührt die Mehreinnahme aus der Erhöhung der Passagier-,
Güter- und Gepäcksteuer, die 127,7 Millionen Rubel mehr brachte, her. Von den übrigen
Einnahmen vermehrten sich die aus der
Zuckersteuer um....... . 16,7 Millionen Rubel
Telegraphen um........11,4 "
Tabak um..........6,1 " "
Gewerbesteuer um.......2,8 " "
Post um...........2,8 " "
Streichhölzer um........0,6 " .

also auf wenig beträchtliche Summen, trotz der starken Anspannung der Steuerschraube. ''
"**) Das neue Steuerbukett ist ungemein umfassend. Es sind vorgesehen:
Einführung der Einkommensteuer,
Ausgestaltung der Erbschaftssteuer nach der Größe der Erbmasse,
Umwandlung der Gewerbesteuer,
Erhöhung der Grundsteuer unter gleichzeitiger Revision des Kataster",
Einführung der Grundsteuer in Turkestan,
Ausdehnung der städtischen Jmmobiliensteuer,

Die russischen Finanzen

Kolonie erworben haben, und die russische Negierung wird einst auf ihren Knien
diejenigen Deutschen, von denen es heute glaubt, „vergewaltigt" zu sein, zu
sich zurückbitten. Dann wird es aber zu spät sein. —

Nun noch einen Blick auf den Budgetvoranschlag, den die russische Re¬
gierung den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt hat. Er ist zweifellos
gänzlich unzuverlässig, und es ist eine milde Kritik, wenn Bark selbst von den
in ihm aufgeführten Einnahmeposten sagt, daß „es nicht möglich sei, sie voll
zu begründen". Bark rechnet, trotzdem das Branntweinmonopol weggefallen
ist, das ungefähr eine Milliarde Rubel brachte, trotzdem die Zolleinnahmen für
die von der Regierung eingeführten Waren und die Einnahmen der haupt¬
sächlich militärisch beanspruchten Eisenbahnen nur buchhalterischen Wert haben,
auf eine Einnahme, die hinter der des Jahres 1914 (mit einem halben Kriegs¬
jahr) um nur 16 Millionen Rubel und hinter der des Jahres 1913 um nur
603 Millionen Rubel zurückbleibt"). Dabei ist zu berücksichtigen, daß allein im
ersten Halbjahr 1915 eine Verminderung der ordentlichen Staatseinnahmen
gegen 1914 um 615,6 Millionen Rubeln eintrat und daß trotz der Erhöhung
fast aller überhaupt erhöhungsfähiger Steuern aus diesen Quellen nur eine
Mehreinnahme von im ganzen 159,4 Millionen Rubel in derselben Zeit erzielt
werden konnte""). Eine derartige Berechnung der Einnahmen, auf Grund eines
neuen Steuerplanes"""), dessen Einzelheiten überhaupt noch garnicht einmal





Budgetvoranschlag:
Ordentliche Einnahmen .........2914: Millionen Rubel
Außerordentliche Einnahmen...... , ._9^ „ „
im ganzen 2S23 „ „
Ordentliche Ausgaben..........3174 „ „
Außerordentliche Ausgaben (ohne Kriegsausgaben) 76 „ „
im ganzen 3250 „ „
*)
Voraussichtliches durch Kreditoperationen zu denkendes Defizit ungefähr 337 Millionen Rubel.
**) In der Hauptsache rührt die Mehreinnahme aus der Erhöhung der Passagier-,
Güter- und Gepäcksteuer, die 127,7 Millionen Rubel mehr brachte, her. Von den übrigen
Einnahmen vermehrten sich die aus der
Zuckersteuer um....... . 16,7 Millionen Rubel
Telegraphen um........11,4 „
Tabak um..........6,1 „ „
Gewerbesteuer um.......2,8 „ „
Post um...........2,8 „ „
Streichhölzer um........0,6 „ .

also auf wenig beträchtliche Summen, trotz der starken Anspannung der Steuerschraube. ''
"**) Das neue Steuerbukett ist ungemein umfassend. Es sind vorgesehen:
Einführung der Einkommensteuer,
Ausgestaltung der Erbschaftssteuer nach der Größe der Erbmasse,
Umwandlung der Gewerbesteuer,
Erhöhung der Grundsteuer unter gleichzeitiger Revision des Kataster»,
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Ausdehnung der städtischen Jmmobiliensteuer,

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[0335] Die russischen Finanzen Kolonie erworben haben, und die russische Negierung wird einst auf ihren Knien diejenigen Deutschen, von denen es heute glaubt, „vergewaltigt" zu sein, zu sich zurückbitten. Dann wird es aber zu spät sein. — Nun noch einen Blick auf den Budgetvoranschlag, den die russische Re¬ gierung den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt hat. Er ist zweifellos gänzlich unzuverlässig, und es ist eine milde Kritik, wenn Bark selbst von den in ihm aufgeführten Einnahmeposten sagt, daß „es nicht möglich sei, sie voll zu begründen". Bark rechnet, trotzdem das Branntweinmonopol weggefallen ist, das ungefähr eine Milliarde Rubel brachte, trotzdem die Zolleinnahmen für die von der Regierung eingeführten Waren und die Einnahmen der haupt¬ sächlich militärisch beanspruchten Eisenbahnen nur buchhalterischen Wert haben, auf eine Einnahme, die hinter der des Jahres 1914 (mit einem halben Kriegs¬ jahr) um nur 16 Millionen Rubel und hinter der des Jahres 1913 um nur 603 Millionen Rubel zurückbleibt"). Dabei ist zu berücksichtigen, daß allein im ersten Halbjahr 1915 eine Verminderung der ordentlichen Staatseinnahmen gegen 1914 um 615,6 Millionen Rubeln eintrat und daß trotz der Erhöhung fast aller überhaupt erhöhungsfähiger Steuern aus diesen Quellen nur eine Mehreinnahme von im ganzen 159,4 Millionen Rubel in derselben Zeit erzielt werden konnte""). Eine derartige Berechnung der Einnahmen, auf Grund eines neuen Steuerplanes"""), dessen Einzelheiten überhaupt noch garnicht einmal Budgetvoranschlag: Ordentliche Einnahmen .........2914: Millionen Rubel Außerordentliche Einnahmen...... , ._9^ „ „ im ganzen 2S23 „ „ Ordentliche Ausgaben..........3174 „ „ Außerordentliche Ausgaben (ohne Kriegsausgaben) 76 „ „ im ganzen 3250 „ „ *) Voraussichtliches durch Kreditoperationen zu denkendes Defizit ungefähr 337 Millionen Rubel. **) In der Hauptsache rührt die Mehreinnahme aus der Erhöhung der Passagier-, Güter- und Gepäcksteuer, die 127,7 Millionen Rubel mehr brachte, her. Von den übrigen Einnahmen vermehrten sich die aus der Zuckersteuer um....... . 16,7 Millionen Rubel Telegraphen um........11,4 „ Tabak um..........6,1 „ „ Gewerbesteuer um.......2,8 „ „ Post um...........2,8 „ „ Streichhölzer um........0,6 „ . also auf wenig beträchtliche Summen, trotz der starken Anspannung der Steuerschraube. '' "**) Das neue Steuerbukett ist ungemein umfassend. Es sind vorgesehen: Einführung der Einkommensteuer, Ausgestaltung der Erbschaftssteuer nach der Größe der Erbmasse, Umwandlung der Gewerbesteuer, Erhöhung der Grundsteuer unter gleichzeitiger Revision des Kataster», Einführung der Grundsteuer in Turkestan, Ausdehnung der städtischen Jmmobiliensteuer,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/335>, abgerufen am 24.08.2024.