Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.Altpreußische Romantik in Polen <17^3 bis 1789) eine Wertheriade "Masuren oder der junge Werther" verlegt Der Vater dieses Herzensidealisten und Sonderlings, ehemals Kriminal- Um 1800 hatte Warschau noch nichts von seiner Eigenart eingebüßt. *') Vergleiche Pompecki, Literaturgeschichte der Provinz Westpreußen, Danzig 191ö, °Seite tot ff, 2"
Altpreußische Romantik in Polen <17^3 bis 1789) eine Wertheriade „Masuren oder der junge Werther" verlegt Der Vater dieses Herzensidealisten und Sonderlings, ehemals Kriminal- Um 1800 hatte Warschau noch nichts von seiner Eigenart eingebüßt. *') Vergleiche Pompecki, Literaturgeschichte der Provinz Westpreußen, Danzig 191ö, °Seite tot ff, 2«
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Altpreußische Romantik in Polen
<17^3 bis 1789) eine Wertheriade „Masuren oder der junge Werther" verlegt
hatte und wo geistig hervorragende Söhne der Altpreußen-Stadt Thorn wirkten,
wie z. B. Mich. Joh. Hube, seit 1782 Generaldirektor der Kadettenschule, und,
als Vermittler zwischen deutscher und polnischer Literatur, der Jurist Professor
Christ. Gottl. Steiner (f 1814). Herausgeber einer „Polnischen Bibliothek"
(1787 f.). Fast genau mit der Wende des Jahrhunderts übernahm die geistige
Führung Preußisch-Polens das schön gelegene Warschau, die Hauptstadt der
jüngsten Provinz, die Gelegenheit zu Genüssen aller Art bot, wo die Deutschen,
die sich dort nun fanden, enger aneinander schlössen, als es wohl in der Heimat
geschehen wäre, Warschau, das dann in der Geschichte unserer neuen Literatur
eine nicht unbedeutende Rolle spielen sollte; denn hier, mitten in slawischen
Sprachgebiet, hatte sich inzwischen eine kleine altpreußische Dichterschule zusammen¬
gefunden, bestehend aus den beiden Ostpreußen Zacharias Werner und
E, Th. A. Hoffmann (1776 bis 1822) und dem Westpreußen Joh. Jak. Mnioch
<1765 bis 1804) nebst seiner Gattin Maria (1777 bis 1797). die hier die
Ideen der Romantik glänzend repräsentierten und auch für die Entwicklung der
deutschen Polenliteratur von großer Bedeutung sind. Hier wurde am 20. März 1801
der spätere echteste aller literarischen Westpreußen geboren: Bogumil Goltz (1801
bis 1870), der einzige formlose, knorrige Autor, der etwa an den Westfalen
Peter Hille unserer Zeit erinnert, Goltz, dieser Beobachter, Humorist, Skizzist,
Reise- und Lebensschilderer, den man bald mit Hamann, bald mit Hippel, bald
mit Jean Paul verglichen hat*).
Der Vater dieses Herzensidealisten und Sonderlings, ehemals Kriminal-
?at in Marienwerder, war nach der dritten Teilung Polens 1795 als Stadt-
gerichtsdirektor nach Warschau geschickt worden. In dem alten, als sagen¬
hafte Geburtsstätte Königs Sobieskis berühmten Tlomackihof bewohnte er ein
Haus, das die prächtigsten Anregungen zu üppigem Phantasiespiel bot ... .
Alle diese bunten Bilder prägten sich dem Kinde so tief ein, daß noch der
'fünfundvierzigjährige Mann aus solchen frühen Erlebnissen das farbenfrische
„Buch der Kindheit" zusammenstellen konnte. Zuzeiten hielt sich die Familie
Goltz in dem drei Meilen von der Stadt gelegenen, hübschen Landsitz Milanowek
auf. den Goltz sein ganzes Leben lang nicht vergessen hat ....
Um 1800 hatte Warschau noch nichts von seiner Eigenart eingebüßt.
Grelle Gegensätze boten sich: die morgenländische Üppigkeit der Jagiellonen hatte
sich hier mit der französischen Eleganz der Sachsenzeit vereinigt. Zwischen den
Prachtpalästen stolzer Wojewoden in italienischem Geschmack hockten armselige,
schmutzige Schindelkabachen, die jeden Allgenblick zusammen zu stürzen drohten,
so daß dem jungen Fichte, dem späteren Philosophen der deutschen Romantik,
der 1791 vom 7. bis 25. Juni in Warschau verweilte, der polnische Staat
*') Vergleiche Pompecki, Literaturgeschichte der Provinz Westpreußen, Danzig 191ö,
°Seite tot ff,
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