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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Der Kaiserin Josephine Aufstieg

diese Zeit sie mehrfach gebracht haben mag, zog er Josephine an sein Herz,
erklärte, daß er nie die Kraft finden würde, sich von ihr zu trennen, und
forderte sie mit Worten, die ihr wie ein Evangelium klangen, auf, sich zur
gemeinsamen Krönung zu rüsten.

Da es nun wünschenswert schien, dem jungen gallischen Kaisertume die¬
selbe Basis zu geben, auf der einst das alte römisch-germanische geruht hatte,
wurde an Papst Pius den Siebenten die Bitte gerichtet, zur Inauguration
der napoleonischen Weltmonarchie nach Frankreich zu kommen, und nach
längeren Verhandlungen erklärte er sich dazu bereit; es mochte ihn mit Genug¬
tuung erfüllen zu sehen, wie der mächtigste Herrscher der Welt vor deur
Haupte der Kirche das Knie beugte. Josephine schwamm in einem Meere von
Seligkett, vom Heiligen Vater gesalbt zu werden! Nie hatten ihre kühnsten
Pläne sie solches Glück schauen lassen. Und doch hegte sie noch einen heißen
Wunsch: die kirchliche Einsegnung ihrer, den Anschauungen der Direktorialzeit
entsprechend, nur bürgerlich geschlossenen Ehe. Durfte sie jetzt vielleicht hoffen,
durch Vermittlung des Papstes dieses sehnende Verlangen gestillt zu sehen
und so eine neue Festigung ihres Bundes mit Napoleon zu erreichen? Aller¬
dings schien es sehr fraglich, ob ihr Gatte für die Gewährung einer dahin
zielenden Bitte zu haben sein werde; ergab doch die durch einen Priester voll¬
zogene Trauung ein neues Hindernis für das eventuelle spätere Auseinander¬
gehen. Aber ein Versuch konnte immerhin gemacht werden; daher wandte
Josephine sich in Fontatnebleau an den über die Alpen gekommenen Pontifex
und bat ihn, bei Napoleon das Nachholen der kirchlichen Weihe ihres Ehe¬
bundes durchzusetzen. In der Tat konnte Pius eine Frau, die nach priester¬
licher Anschauung im Konkubinat lebte, nicht gut salben und krönen, und so
erklärte er denn dem Kaiser auf das bestimmteste, er vermöge wohl an ihm
selbst, aber ohne das erwähnte Zugeständnis unmöglich an Josephine die
heilige Handlung zu vollziehen. Diesem festen Entschlüsse gegenüber mußte
Napoleon nachgeben; sein Oheim Fesch. Kardinal von Lyon und Groß-
almosenier Frankreichs, erteilte daher am Tage vor der Krönung ganz im
geheimen dem Ehebunde nachträglich den Segen der Kirche.

Nun konnte zur Krönung geschritten werden; ganz Frankreich und speziell
seine Hauptstadt blickten der festlichen Handlung mit lebhafter Freude entgegen,
und nur hier und da mischte sich in den allgemeinen Jubel der verhaltene
Groll der Opposition; man fand beispielsweise in Paris an den Straßenecken
Zettel angeklebt mit den Worten: "Letzte Vorstellung der französischen Revolution
-- zum Besten einer armen korsikanischer Familie". Aber solche Mißklänge,
kaum beachtet, vermochten die Harmonie der allgemeinen Feststimmung nicht
ernstlich zu stören. Und es war, als wolle auch die Natur mitfeiern; der
2. Dezember 1804, der mit Spannung erwartete Krönungstaq, zog, ziemlich
kalt zwar, aber sonst in aller Herrlichkeit herauf; ein klarer, blauer Himmel
wölbte sich über Paris. Kanonendonner während der Fahrt des Kaiserlichen


Der Kaiserin Josephine Aufstieg

diese Zeit sie mehrfach gebracht haben mag, zog er Josephine an sein Herz,
erklärte, daß er nie die Kraft finden würde, sich von ihr zu trennen, und
forderte sie mit Worten, die ihr wie ein Evangelium klangen, auf, sich zur
gemeinsamen Krönung zu rüsten.

Da es nun wünschenswert schien, dem jungen gallischen Kaisertume die¬
selbe Basis zu geben, auf der einst das alte römisch-germanische geruht hatte,
wurde an Papst Pius den Siebenten die Bitte gerichtet, zur Inauguration
der napoleonischen Weltmonarchie nach Frankreich zu kommen, und nach
längeren Verhandlungen erklärte er sich dazu bereit; es mochte ihn mit Genug¬
tuung erfüllen zu sehen, wie der mächtigste Herrscher der Welt vor deur
Haupte der Kirche das Knie beugte. Josephine schwamm in einem Meere von
Seligkett, vom Heiligen Vater gesalbt zu werden! Nie hatten ihre kühnsten
Pläne sie solches Glück schauen lassen. Und doch hegte sie noch einen heißen
Wunsch: die kirchliche Einsegnung ihrer, den Anschauungen der Direktorialzeit
entsprechend, nur bürgerlich geschlossenen Ehe. Durfte sie jetzt vielleicht hoffen,
durch Vermittlung des Papstes dieses sehnende Verlangen gestillt zu sehen
und so eine neue Festigung ihres Bundes mit Napoleon zu erreichen? Aller¬
dings schien es sehr fraglich, ob ihr Gatte für die Gewährung einer dahin
zielenden Bitte zu haben sein werde; ergab doch die durch einen Priester voll¬
zogene Trauung ein neues Hindernis für das eventuelle spätere Auseinander¬
gehen. Aber ein Versuch konnte immerhin gemacht werden; daher wandte
Josephine sich in Fontatnebleau an den über die Alpen gekommenen Pontifex
und bat ihn, bei Napoleon das Nachholen der kirchlichen Weihe ihres Ehe¬
bundes durchzusetzen. In der Tat konnte Pius eine Frau, die nach priester¬
licher Anschauung im Konkubinat lebte, nicht gut salben und krönen, und so
erklärte er denn dem Kaiser auf das bestimmteste, er vermöge wohl an ihm
selbst, aber ohne das erwähnte Zugeständnis unmöglich an Josephine die
heilige Handlung zu vollziehen. Diesem festen Entschlüsse gegenüber mußte
Napoleon nachgeben; sein Oheim Fesch. Kardinal von Lyon und Groß-
almosenier Frankreichs, erteilte daher am Tage vor der Krönung ganz im
geheimen dem Ehebunde nachträglich den Segen der Kirche.

Nun konnte zur Krönung geschritten werden; ganz Frankreich und speziell
seine Hauptstadt blickten der festlichen Handlung mit lebhafter Freude entgegen,
und nur hier und da mischte sich in den allgemeinen Jubel der verhaltene
Groll der Opposition; man fand beispielsweise in Paris an den Straßenecken
Zettel angeklebt mit den Worten: „Letzte Vorstellung der französischen Revolution
— zum Besten einer armen korsikanischer Familie". Aber solche Mißklänge,
kaum beachtet, vermochten die Harmonie der allgemeinen Feststimmung nicht
ernstlich zu stören. Und es war, als wolle auch die Natur mitfeiern; der
2. Dezember 1804, der mit Spannung erwartete Krönungstaq, zog, ziemlich
kalt zwar, aber sonst in aller Herrlichkeit herauf; ein klarer, blauer Himmel
wölbte sich über Paris. Kanonendonner während der Fahrt des Kaiserlichen


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[0292] Der Kaiserin Josephine Aufstieg diese Zeit sie mehrfach gebracht haben mag, zog er Josephine an sein Herz, erklärte, daß er nie die Kraft finden würde, sich von ihr zu trennen, und forderte sie mit Worten, die ihr wie ein Evangelium klangen, auf, sich zur gemeinsamen Krönung zu rüsten. Da es nun wünschenswert schien, dem jungen gallischen Kaisertume die¬ selbe Basis zu geben, auf der einst das alte römisch-germanische geruht hatte, wurde an Papst Pius den Siebenten die Bitte gerichtet, zur Inauguration der napoleonischen Weltmonarchie nach Frankreich zu kommen, und nach längeren Verhandlungen erklärte er sich dazu bereit; es mochte ihn mit Genug¬ tuung erfüllen zu sehen, wie der mächtigste Herrscher der Welt vor deur Haupte der Kirche das Knie beugte. Josephine schwamm in einem Meere von Seligkett, vom Heiligen Vater gesalbt zu werden! Nie hatten ihre kühnsten Pläne sie solches Glück schauen lassen. Und doch hegte sie noch einen heißen Wunsch: die kirchliche Einsegnung ihrer, den Anschauungen der Direktorialzeit entsprechend, nur bürgerlich geschlossenen Ehe. Durfte sie jetzt vielleicht hoffen, durch Vermittlung des Papstes dieses sehnende Verlangen gestillt zu sehen und so eine neue Festigung ihres Bundes mit Napoleon zu erreichen? Aller¬ dings schien es sehr fraglich, ob ihr Gatte für die Gewährung einer dahin zielenden Bitte zu haben sein werde; ergab doch die durch einen Priester voll¬ zogene Trauung ein neues Hindernis für das eventuelle spätere Auseinander¬ gehen. Aber ein Versuch konnte immerhin gemacht werden; daher wandte Josephine sich in Fontatnebleau an den über die Alpen gekommenen Pontifex und bat ihn, bei Napoleon das Nachholen der kirchlichen Weihe ihres Ehe¬ bundes durchzusetzen. In der Tat konnte Pius eine Frau, die nach priester¬ licher Anschauung im Konkubinat lebte, nicht gut salben und krönen, und so erklärte er denn dem Kaiser auf das bestimmteste, er vermöge wohl an ihm selbst, aber ohne das erwähnte Zugeständnis unmöglich an Josephine die heilige Handlung zu vollziehen. Diesem festen Entschlüsse gegenüber mußte Napoleon nachgeben; sein Oheim Fesch. Kardinal von Lyon und Groß- almosenier Frankreichs, erteilte daher am Tage vor der Krönung ganz im geheimen dem Ehebunde nachträglich den Segen der Kirche. Nun konnte zur Krönung geschritten werden; ganz Frankreich und speziell seine Hauptstadt blickten der festlichen Handlung mit lebhafter Freude entgegen, und nur hier und da mischte sich in den allgemeinen Jubel der verhaltene Groll der Opposition; man fand beispielsweise in Paris an den Straßenecken Zettel angeklebt mit den Worten: „Letzte Vorstellung der französischen Revolution — zum Besten einer armen korsikanischer Familie". Aber solche Mißklänge, kaum beachtet, vermochten die Harmonie der allgemeinen Feststimmung nicht ernstlich zu stören. Und es war, als wolle auch die Natur mitfeiern; der 2. Dezember 1804, der mit Spannung erwartete Krönungstaq, zog, ziemlich kalt zwar, aber sonst in aller Herrlichkeit herauf; ein klarer, blauer Himmel wölbte sich über Paris. Kanonendonner während der Fahrt des Kaiserlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/292>, abgerufen am 24.08.2024.